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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Maas, Max: Die Sammlung Arndt in der Münchener Glyptothek
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Riese, Alexander: Über Tizians sogenannte "himmlische und irdische Liebe"
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0126

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229

Ueber Tizians sogenannte »Himmlische und irdische Liebe«

230

das bekanntlich in dem Goldkranz von Armento
eines der wunderbarsten uns erhaltenen Werke der
griechischen Goldschmiedekunst besitzt. — Zum
Schluß unserer Wanderung an den neuen Schätzen
der Münchener Antikensammlungen vorbei — ich habe
fast durchweg nur in den Glasschränken und Glas-
kästen ausgestellte Gegenstände genannt, die Schub-
laden und Kästen und Kisten bergen noch unzählige
andere — kommen wir an die farbenprächtigen Glas-
fragmente. Nur Fragmente bietet, allerdings in
Tausenden von Stückchen, die Sammlung Arndt.
Wer aber an dieser geschmackvollen Farbenpracht
sein Auge erfreut hat, wird wohl verstehen, wie
Blümner sagen konnte, daß sich die Glasfabrikation
der Alten in den meisten Hinsichten dreist mit der
heutigen Technik messen kann, ja in manchen Punkten
sogar von den modernen noch nicht erreicht worden ist.
Hier wird das moderne Kunstgewerbe, das in der
bayerischen Hauptstadt blüht, eine Mustersammlung
von, meist in der späthellenistischen und römischen
Zeit in Ägypten fabrizierten, Glasflüssen (Smalt) be-
nützen können, die als Anregung und Vorbild sehr
förderlich sein kann. Diese Smalte erwarb Arndt
seinerzeit aus der bekannten Sammlung Sarti.

Dem bayerischen Staat ist zu dieser außerordent-
lichen Bereicherung seiner Sammlungen Glück zu
wünschen und dem ungenannten Stifter zu danken,
dem hoffentlich noch mancher folgen wird. Es ist
aber wahrlich kein kleines Verdienst, eine solch er-
freuende und belehrende Sammlung mit Geschmack
und Wissen zusammengebracht zu haben: und dieser
Ruhm gebührt dem Münchener Archäologen Paul Arndt.

Dr. MAX MAAS.

ÜBER TIZIANS SOGENANNTE
»HIMMLISCHE UND IRDISCHE LIEBE«
Von Alexander Riese in Frankfurt a. M.

Die Deutung dieses ebenso herrlichen wie viel-
umstrittenen Bildes scheint neuerdings wieder auf die
Pfade der Allegorie zurückkehren zu wollen. »Das
von vornherein für jeden unbefangenen Beschauer
ausschlaggebende Moment ist, daß die eine Gestalt
nicht nur eine bekleidete ist, sondern eine vornehme
Venezianerin in voller Toilette (sogar behandschuht)
und somit ein Porträt«— diese von Arthur Böhtlingk
1905 in obigen klaren Worten ausgesprochene Tat-
sache weist jedoch auf den Weg der historischen
Erklärung hin. Nachdem aber die allegorische Auf-
fassung kürzlich in dieser Zeitschrift in Eugen Petersen
wieder einen ebenso eifrigen wie gelehrten Vertreter
gefunden hat1), möge auch einer anderen Ansicht an
derselben Stelle das Wort gestattet sein.

Petersen erklärt das Bild als Darstellung der
»Himmlischen und irdischen Schönheit« oder neuer-
dings2) auch der »Himmlischen und irdischen Schön-
heit und Liebe«. Für diese Ansicht, und gegen jene,

1) Zeitschrift für bildende Kunst N. F. XVII (1906),
S. 182 ff.

2) Derselbe in »Die Galerien Europas« Heft XIII,
S. 97 ff-

die eine »Überredung zur Liebe« in dem Bilde sehen
wollen, sind seine Hauptgründe folgende: L die
beiden Frauen seien bei aller Verschiedenheit identisch;
sie seien »dieselbe und doch nicht dieselbe«; 2. die
unverhüllte »rede« nicht zu der bekleideten, sondern
sie »neigt den Kopf gegen die tiefer Sitzende und
läßt auf ihr den Strahl des seelenvollen Auges ruhn«.
Eine Beziehung beider zueinander sei nur schwach
angedeutet; 3. die Darstellung des Sarkophagreliefs
spreche dagegen; 4. die ältere und gleichzeitige
italienische Literatur spreche viel von himmlischer
und irdischer Liebe und Schönheit und ihren Gegen-
sätzen.

Betrachten wir diese Gründe. Zuerst die an-
gebliche Gleichartigkeit der beiden. In den Gesichtern
zeigt sich zwar unverkennbar eine gewisse Ähnlich-
keit — auch Gnoli findet nur Ähnlichkeit, nicht
Gleichheit —, aber es machen sich doch auch wichtige
Verschiedenheiten bemerkbar, in der Form der ein-
zelnen Gesichtsteile, in der Farbe des bei Venus etwas
rötlicheren Haares, endlich im seelischen Ausdruck.
Und die Ähnlichkeit läßt sich doch auch bei einer
anderen Auffassung, die in der Bekleideten eine vor-
nehme Venezianerin sieht, sehr wohl erklären: gab
Tizian der Liebesgöttin die Züge der Dame, so er-
kennen wir darin einfach eine feine Huldigung für
deren der Liebesgöttin würdige Schönheit!

Sodann die Beziehung beider Figuren zueinander.
Die ist wahrhaftig vorhanden. »Beide Figuren müssen
/«/•einander etwas bedeuten«, schrieb mir ein feiner
Kunstkenner. Die Nackte redet allerdings auf dem
Bilde nicht, da sie den Mund geschlossen hält. Aber
stellen denn die Maler das Reden durch Öffnen des
Mundes dar? redet überhaupt nur der Mund, nicht
auch der »beredte Blick« des Auges? Das gesteht
Petersen ja in den oben zitierten schönen Worten
auch halbwegs zu. Aber die Beziehung beider zu-
einander sei nur schwach angedeutet? Allerdings ist
der Kopf der Dame von der anderen Figur eher
ein wenig abgewendet, aber die Nachdenklichkeit
ihres Blickes, der sich trotzdem schon halb und wie
verstohlen ein klein wenig zu der Unverhüllten hin-
wendet, ist doch durch diese stumme Beredsamkeit
hervorgerufen. So besteht allerdings eine gegenseitige
Beziehung, maßvoll im Ausdruck, aber innerlich
stark. Dadurch widerlegt sich auch die Meinung,
die man namentlich von Künstlern bisweilen hören
kann: Tizian habe einfach zwei verschiedenartige
schöne Frauengestalten malen wollen; was allerdings
auch die allerälteste Anführung des Bildes im Jahre
1613 mit dem Titel Beltä disornata e beltä ornata
meint. — Eine Beziehung der Bekleideten aber zum
Beschauer, aus der man Eitelkeit, Gefallsucht und
dergleichen, zum Teil mit Beziehung auf ein Gedicht
des Properz I 2, herausfinden wollte, ist nicht zu
entdecken.

Drittens das Sarkophagrelief. Nun, mit dem ist
nicht viel anzufangen. Petersen selbst, der es auf
»Strafeder Liebe« neben der himmlischen und irdischen
— Schönheit deutet, sieht sich doch gezwungen, die
Darstellung des Reliefs »verschleiert« und »undeutlich«
 
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