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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0146

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Literatur

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Oerolamo Ferrari.) Das venezianische Settecento ist gut
vertreten durch Tiepolo, Pietro Longhi und Ouardi. Die
letzte Bereicherung erfuhr das Museum durch ein Legat
der Gräfin Antoniette Noli im Jahre 1901, das fünfzehn wert-
volle Bilder, darunter zwei merkwürdige Martyriumsdar-
stellungen eines primitiven Muranesen, sowie Werke von
Francesco Bissolo, Marco Bello, Campolongo, Previtali,
Moroni und Longhi umfaßt.

In ähnlich instruktiver Weise führt uns der in Bergamo
autochthone Verfasser durch die Schätze der Galerien Lochis
und Morelli. Die Madonna mit der gefälschten Signatur:
»Bernardus B« wird von Frizzoni als Spezimen der ersten
Manier des Ambrogio Borgognone angesehen. Zum Ver-
gleiche werden die Madonnen der Sammlungen Borromeo
undThiem herangezogen und die letztere abgebildet. Von den
sieben Giorgiones, welche der Katalog anführt, werden sechs
dem Meister mit Recht abgesprochen: Das musizierende
Paar wird dem Cariani gegeben (Nr. 79), ein Täfelchen mit
ländlicher Szene nach dem Vorgang Morellis dem Girolamo
da S. Croce (Nr. 80), der schlafende Simson dem Romanino
(Nr. 82), der sogenannte Cesare Borgia mit der ferraresisch
anmutenden Landschaft dem Calisto Piazza (Nr. 83. Mo-
relli: Jacopo Francia), endlich das Bildnis einer jungen
Frau dem Bernardino Licinio (Nr. 85). Nur das schöne
Orpheusbild findet Gnade vor den Augen Frizzonis. Von
zwei Bildnissen, welche der Katalog Holbein zuteilt,. wird
eines dem Jacopo da Valenza gegeben, das andere unter
Vorbehalt dem Lotto (Nr. 92 und 91). Eine Halbfigur
des S. Sebastian, bisher Antonello zugeschrieben, gibt
Frizzoni unter Hinweis auf eine signierte Madonna in
S. Maria Formosa dem Pietro da Messina. Den stolzen
Namen Mantegnas trägt das Bildnis des Gian Francesco
(nicht Vespasiano) Gonzaga, f 1496. Nach Morelli und
Frizzoni ist sein Autor F. Buonsignori.

Wir müssen uns auf diese Hinweise beschränken, die
nur dazu dienen sollen, von dem Reichtum der Publikation
eine ungefähre Vorstellung zu geben. Über die Vorarbeiten
Stiaßnys (Repertorium XI, 1888, p. 384 ff.), Jacobsens (eben-
da XIX, 1896, p. 249 ff.) und Morellis hinausgehend, auch zu
Berenson (Connoisseur IV, 1902, p. 145 u. V, p. 3) Stellung
nehmend, hat Frizzoni vielfach neue Wege gewiesen und mit
alten und neuen Irrtümern gründlich aufgeräumt.

Walter Bombe.

The American Journal of Archaeologie. Vol. XI,
Nr. 3 und 4 (1907) bringen wieder eine Reihe von wich-
tigen größeren Aufsätzen aus der klassischen Altertums-
wissenschaft, aus denen wir zunächst Oliver S. Tonks'
»Interpretation des Harpyienmonuments« erwähnen. Tonks
sieht gleich Curtius in den Harpyien Analoga zu den
ägyptischen Ba-Vögeln, ohne aber Schlüsse aus der Eiform
der Vögel zu ziehen. Ba ist in der ägyptischen Pneu-
matologie die Anima, die Seele des Menschen, die nach
dem Tode des Leibes zu den Göttern flog, aber doch von
Zeit zu Zeit zu der Mumie zurückkehrte. Ägypten ist so-
mit die Heimat vieler der Motive der Darstellungen auf
dem lykischen Harpyienmonument, dessen vier Seiten im
Detail von Tonks erklärt werden. Auf der Westseite
thronen Persephone und Hades, auf der Ostseite Minos,
auf der Nord- und Südseite Rhadananthos resp. Aiakos.
Das falsch verstandene ägyptische Vorbild ließ aber die
Ba-Vögel des Harpyienmonuments mit dem Manne selbst
hinwegfliegen, während die ägyptischen Denkmäler den
Ba-Vogel im Arme des Ka, des Abbildes des Gestorbenen,
zeigen. — Für die Kunstarchäologie ist der Aufsatz von
Walter Woodburn Hyde >Lysippus as a worker in marble«
von Bedeutung. Im Gegensatz zu Michaelis, der in den
»archäologischen Entdeckungen« den Ladas Lysipps Früh-
zeit zuschrieb und den Apoxyomenos diesem Meister nicht I

absprach, geht Hyde davon aus, daß der Ladas im Zentruni
von Lysipps Schaffen steht und der Apoxyomenos in seine
Schule und gar nicht mehr ins vierte Jahrhundert gehört.
Dann wird der vielumstrittene Kopf von Olympia (Ausgr.
v. Ol. V. Tafel XX) als der Kopf des Akarnanischen Pan-
kratiasten Philandridas erklärt, dessen Statue Pausanias als
ein Werk Lysipps erwähnt, und der Beweis geführt, daß
Lysipp auch Marmor- und nicht bloß Bronzewerke schuf.
Der Philandridas war ein Frühwerk Lysipps; denn der
Akarnanier hat Olympiade 102 oder 103 (372 oder 368
v. Chr.) gesiegt. Nur die Stileigenschaften des Apoxyo-
menos haben die Chronologie der Werke Lysipps sich bis
in die letzten Jahre des vierten Jahrhunderts sich erstrecken
lassen; scheidet man diese Vatikanische Statue aus, so
kann man mit Gardner 320 v. Chr. als das letzte bezeugte
Datum aus dem Schaffen Lysipps annehmen. — Bei drei
Vasen im Metropolitanmuseum in New York zeigt Gisela
M. A. Richter, wie die Darstellungen darauf das Leben
athenischer Frauen im fünften Jahrhundert illustrieren:
Spinnszenen auf einer Pyxis, Kreiselspiel auf einer Leky-
thos und Vorbereitung zu einem dionysischen Fest, sei es
zur Kanophorie oder einem Opfer einer Neuvermälten, auf
einem Kotylos. — Mehrere epigraphische Aufsätze haben
für die Leser der Kunstchronik wenig Interesse, das aber
der Aufsatz von Herbert E. Everett »Antoniazzo Romano«
im vollsten Maaße beansprucht. Leben und Werke dieses
römischen Malers aus der zweiten Hälfte des Quattrocento
werden in gewissenhafter und anregender Weise ge-
schildert; der Aufsatz ist von vier Tafeln (darunter eine
Madonna im Fogg Art Museum zu Cambridge Mass.) und
drei Textbildern begleitet; eine Aufzählung der signierten,
unsignierten und zweifelhaften Werke sowie eine Biblio-
graphie sind angeschlossen. — Wie üblich, haben wir die
jedem Hefte beigefügten »Archaeological News«, die alles
Wichtige von der Prähistorie an bis zum Ausgang der
Renaissance in kurzen Auszügen zusammenstellen, zu
loben, und uns über die Splendidheit zu wundern, mit der
die »Annual Reports«, die Supplemente, ausgestattet sind,
die nur unsere europäischen Bibliotheken belasten. Diese
diesjährige Beilage hat XVI und 256 Seiten und für uns
absolut keinen Nutzen. m.
Neue ostasiatische Kunstliteratur.

1. Unter den Neuerscheinungen des letzten Jahres
möchten Baltzers »Architektur der Kultbauten Japans« (Berlin
1907, Wilhelm Ernst & Sohn) und v. Hoerschelmanns »Ent-
wickelung der altchinesischen Ornamentik« (Leipzig 1907,
Voigtländer) am wichtigsten sein. Sie eröffnen neue Ge-
biete und überraschen durch interessante Resultate. Ihre
Ergebnisse sind unantastbar, ohne daß die Verfasser viel
Aufhebens davon machen.

Baltzer hatte 1903 eine technische Studie über das
japanische Privathaus veröffentlicht. Jetzt gibt er zum
ersten Male eine ziemlich vollständige Ubersicht über die
japanischen Kultbauten und wendet sich nicht nur an
Architekten, sondern an jedermann. Seine Ausführungen
sind von guten photographischen und schematischen Ab-
bildungen begleitet, so daß man sich an der Hand des
Buches ein leises Bild von der japanischen Baukunst
machen kann. Zum wirklichen Verständnis der japani-
schen Architektur ist aber, noch mehr als für jede andere,
das persönliche Erlebnis notwendig. Der ästhetische Ein-
druck liegt weniger in der monumentalen Anlage oder in
der Schönheit der Einzelformen, als vielmehr in dem
ganzen Zusammenhang von Terrain, Umgebung und Farbe.

Der erste Abschnitt ist den architektonischen Einzel-
formen gewidmet. Es überrascht ihre geringe Zahl, der
Mangel an Erfindung. Die wichtigsten sind: Stützen mit
Gebälk und Kragbrettern, dann das Dach mit seiner
 
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