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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Michel, Wilhelm: Münchener Bilderfrühling
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0220

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KUNSTCHRONIK

WOCHENSCHRIFT FÜR KUNST UND KUNSTGEWERBE

MM*"

Verlag von E. A. SEEMANN in Leipzig, Querstraße 13

Neue Folge. XIX. Jahrgang 1907/1908 Nr. 25. 8. Mai.

Die Kunstchronik erscheint als Beiblatt zur »Zeitschrift für bildende Kunst« und zum »Kunstgewerbeblatt« monatlich dreimal, in den Sommer-
monaten Juli bis September monatlich einmal. Der Jahrgang kostet 8 Mark und umfaßt 33 Nummern. Die Abonnenten der »Zeitschrift für bildende
Kunst« erhalten die Kunstchronik kostenfrei. — Für Zeichnungen, Manuskripte usw., die unverlangt eingesandt werden, leisten Redaktion und
Verlagshandlung keine Gewähr. Alle Briefschaften und Sendungen sind zu richten an E. A. Seemann, Leipzig, Querstraße 13. Anzeigen 30 Pf. für
die dreispaltige Petitzeile, nehmen außer der Verlagshandlung die Annoncenexpeditionen von Haasenstein & Vogler, Rud. Mosse usw. an.

MÜNCHENER BILDERFRÜHLING.

Die Frühj'ahrssezession bot in mancher Hinsicht
ein gegen frühere Jahre wesentlich verändertes Bild.
Die Graphik, die im allgemeinen bei der Sezession
stets viel zu kurz kommt, war diesmal außerordentlich
gut und zahlreich vertreten. Dafür trat die Plastik
ganz zurück; sie weist im ganzen zwei Nummern
auf, und das sind Kleinbronzen. Das dritte Charak-
teristikum der Ausstellung bildet eine umfangreiche
Kollektion französischer Maler, die sich als fester,
auch räumlich geschlossener »Fremdkörper« in der
Ausstellung bemerkbar macht.

Das übrige ist die bekannte Sezessionsjugend, der
sich nur sehr wenige neue Namen zugesellt haben.
Man sagt der Sezession neuerdings einen ziemlich
konservativen Geist nach; die deutlich zutage tretende
Abneigung gegen neue Mitglieder scheint das zu be-
stätigen.

Ein Kollektion Christian Landenberger fällt auf.
Er malt mit Vorliebe Menschenfleisch mit Wasser,
badende Knaben in warmem, dunstigem, fast etwas
sentimentalem Licht. Das gibt den Studien — zum
Bilde gedeihen sie nur in seltenen Fällen — eine
schöne tonige Bindung; die Form und die kräftige
Realität der Dinge geht dabei freilich meist verloren.

Richard Pietzsch macht nach den bedauerlichen'
und erstaunlichen Versagern der letzten Jahre einen
Versuch, mit einer großen, dekorativen Isartalland-
schaft an seine Anfänge wieder anzuknüpfen. Ob
es ihm gelungen ist? Er versteht auch in dem neuen
Bilde nicht nachhaltig zu fesseln; zu einer »Wieder-
aufnahme des Verfahrens« reicht diese äußerlich
pathetische und ziemlich lieblose Leinwand noch
nicht aus.

Albert Weisgerber hat es über vielversprechende
Anfänge immer noch nicht hinausgebracht. Seinen
stets sehr farbigen Porträtkizzen und Landschaften
merkt man ein unruhiges Suchen und Tasten an, sie
verraten das Bestreben, irgendwo Anschluß zu finden,
und kommen doch in diesem Streben zu keinem
klaren Entschluß. Am nachhaltigsten haben die
neuesten Franzosen auf -ihn gewirkt. Das endgültige
Urteil über ihn wird man bis auf weiteres noch
zurückstellen müssen.

Unter den Neuen fällt Maria Caspar-Filser sehr
vorteilhaft auf. Das ist eine männliche, tüchtige

Malerei, ohne Härten, ohne Sprödigkeit, ein feines
Abwägen und Zusammenstimmen der Farben ohne
jedes sentimentale Gespreize, ein warmer, liebevoller
Blick in die Natur, der das Wesentliche fein erfaßt.
Die malerische Schilderung ist sehr reich, ohne eigent-
lich polychrom zu werden. Gedämpfte, bräunliche
Töne herrschen vor, belebt durch einen schönen,
festen und doch nachgiebigen Strich. Man wird die
Künstlerin nach dieser ersten Probe im Auge behalten
müssen. Adolf Thomann, der Schweizer, hält sich
gut, desgleichen Hermann Pleuer, der Maler der
Rauchluft und des schmutzigen Schnees, und Albert
Lamm, der gemütvolle Neuromantiker der mittel-
deutschen Landschaft. Julius Seyler bringt zwei vor-
nehme, brillant gemalte Tierstücke von edler Auf-
fassung, Hans Heider ein sehr tüchtiges Fischstilleben,
saftig in der Farbe, wenn auch die Form noch einige
Härten aufweist.

Als ganz hervorragend können die Landschaften
von Ulrich Hübner bezeichnet werden. Er zählt zu
den wenigen, die auf den Wegen eines gemäßigten
Impressionismus etwas durchaus Positives erreicht
haben.

Diese knappe Auslese aus der Fülle des Gebotenen
muß hier genügen.

Die graphische Abteilung bringt die bekannten
Skvogtschen Zeichnungen zur Ilias und eine glän-
zende Kollektion Liebermannscher Radierungen, über
die ich hier kein Wort der Anerkennung zu sagen
brauche, da sie der großen Mehrzahl nach schon be-
kannt sind. Dem stupenden Können, der fabelhaft
sicheren Hand, die sich in Heinrich Zügels Tierstudien
offenbart, steht man mit einem Staunen gegenüber,
das sich nur zögernd zur Bewunderung erwärmt.
Sehr wenig Wert haben die Handzeichnungen von
Habermann; bei aller Eleganz sind sie innerlich kraft-
los und leer. Man wird sich allmählich mit dem
Gedanken befreunden müssen, daß dieser feine und
hervorragende Künstler seine beste Zeit schon hinter
sich hat. Holzschnitte von C. O. Petersen, Radierungen
von Käthe Kollwitz (meist aus der Serie »Bauern-
krieg«, die nicht zu den besten Arbeiten der Künst-
lerin gehört) und Holzschnitte von A. Thomann seien
noch genannt.

Die französische Kollektion bringt Werke von
Vallotton, Vuillard, Roussel und Bonnard, lauter An-
 
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