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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0240

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457

Literatur

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sollen nicht anonym schreiben.«) Er sendet einen ge-
harnischten Protest an eine Redaktion und zerreißt ihren
Kritiker in der Luft. Dann wieder polemisiert er mit der
löblichen Steuerbehörde und macht ihr naiv-sarkastische
Vorschläge. Er könne keine 5 fl. C. M. Erwerbsteuer ent-
richten, da seine Bilder nicht gekauft würden. Er mache
aber den Vorschlag, bei ihm zu kaufen, worauf er gerne
ein Prozent dem Aerar ablassen wolle, und das werde
40—60 fl. im Jahre ausmachen. Es gehe ihm ja so schlecht.
Er beziehe als Kustos 800 fl. Gehalt und habe seiner Frau
ein Modistengeschäft eingerichtet, um nur zu existieren.
Trotzdem habe er aus wahrem Patriotismus sich mit 100 fl.
an der Nationalanleihe beteiligt usw. Auch an den Kaiser
schreibt er ein Bittgesuch (1857), indem er ihm seine
»Andeutungen« zu Füßen legt. Interessant schildert er in
einem Dankbriefe an Sir George Hamilton Seymour, den
britischen Gesandten in Wien, dessen Empfehlungsschreiben
ihm seinen großen Erfolg in London verschaffte. Damals
war er auch in Paris und es ist eigentlich kurios, mit
welcher Bewunderung er von der dortigen Tagesmalerei
spricht. Horace Vernets »Smala Abd-el-Kaders«, Charles
Müller, Ary Scheffer! Einzelnes aus diesen Aufzeichnungen
ist übrigens schon von früheren Biographen ausgezogen
worden. Das Bilderwerk, das sich diesem Text anschließt,
entspricht nicht durchaus den heutigen Anforderungen.
Von den früheren Arbeiten ist manches nur nach Kupfer-
stich wiedergegeben (das berühmte Breitkopf und Härteische
Beethovenbildnis von 1823) oder nach Lithographie (das
gleichzeitige Porträt Gottfried Härtels). Anderes ist zu
klein und klischeehaft, namentlich wenn es figuren-
wimmelnde Szenen gilt. Auch die farbigen Blätter sind
ungleich gut. Aber der Stoff ist emsig zusammengetragen,
aus verschiedenen Lebensstadien. Aus der Jugendzeit
sieht man sogar Kopien nach Rembrandt, Ruysdael,
Raffael, Nachahmungen Hoogstraetens, Händestudien,
dann vier Apothekenschilder (Hippokrates, Hygieia, Galen,
Flora; Sammlung Eißler). Der Wiener Privatbesitz hat
allerlei Unbekannteres hergegeben. Die Sammlung Figdor
etwa das wunderbare Selbstporträt im schwarzen, rot ge-
fütterten Mantel und jenes große, erst voriges Jahr er-
worbene Ölbild, das den Empfang Metternichs durch Zar
Alexander VI. in Wien darstellt. Sehr gut auch das
Bildnis Adalbert Stifters in jungen Jahren, in braunem Rock,
bunter Halsbinde und geblümter schwarzer Weste (Eigen-
tum der Frau Ida Rößler). Zu einigen Porträts kann ich
Beiträge liefern. Das schöne »Bildnis eines Mannes« von
1842 ist offenbar der berühmte Wiener Anatom Hyrtl in
seiner Jugend. Und »Karl Damian Schroff« war Prof. der
Pharmakologie in Wien. Da ich beide gehört habe, kann
ich das feststellen. Auch aus den Reisenotizbüchern
Waldmüllers sind einige seiner fadendünnen, sehr ge-
schickten Bleistiftskizzen wiedergegeben. Die kurze bio-
graphische Würdigung aus der Feder Rößlers ist von
modernem Geist belebt, leidet aber an kraftgenialischen
Manieren. Im übrigen ist dem jungen Schriftsteller ein
gutes Horoskop zu stellen. Ludwig Hevesi.

Ein Maler als Dichter. »Der Prinz und sein Onkel,
eine Reise mit Abenteuern«, so lautet der Titel eines
»Romans«, den der Maler Paul Thiem im Verlag von
Heinrich Minden in Dresden veröffentlicht — und gleich-
zeitig erscheint bei Franz Hanfstaengl in München eine
Monographie dieses Dichtermalers von A. Spier.

Der Roman Thiems ist kein eigentlicher Roman, sondern
ein tolles Nebeneinander von Possen und Satiren. Ein
Prinz wird auf Reisen geschickt und zieht durch Länder,
die groteske Spiegelbilder des unseren darstellen und mit
Hohn und Humor Verhältnisse bei uns parodieren. Allerlei
Schabernack, groteske Personen, burleske Einfälle garnieren

den bitteren Ernst der Satiren und liebenswürdig gestaltete
Erscheinungen machen die Verulkungen erträglich. Der
Dichter verleugnet den Maler nicht und schenkt uns viele
glücklich gesehene Bilder, ja, ganz eingehende tiefgründige
und feinsinnige Betrachtungen über Kunst und Schauen —
so im Kapitel vom Holzfigürchen und in den Schilderungen
des Hügelbildes, wo mustergültige ästhetische Analysen
zu finden sind. Betrachtungen über diese Welt, Philoso-
phisches in komischem Gewände wechseln mit epischem
Geschehen und mit den Phantasien und Visionen. Nur
wenige Gestalten begleiten uns einheitlich; diese aber ver-
tiefen und wachsen sich nicht unbedeutend aus. Wir kommen
schließlich in Himmel und Hölle und werden mit dem
Prinzen — und das ist wohl das stille Ziel des Autors —
durch alle die Reisen und Abenteuer reif und überlegen;
und werden — wie der Prinz in seiner — Fürst und König
in unserer Welt. So ungelenk Einzelheiten sein mögen,
der Ausklang und die Nachwirkung des seltsamen Buches
wirkt groß und erhebend; so plump manchmal die Mittel
sein mögen, wir fühlen uns doch nach all dem Lachen und
all der Wehmut befreiter und reicher dieser wirren Welt
gegenüber. Das macht die verhaltene schlichte aber ziel-
bewußte Innerlichkeit des Dichters und seiner Stimme.

Dem gegenüber wirkt die Monographie des Malers
Paul Thiem von A. Spier sehr gefällig und geschickt, sie
bleibt aber dem männlichen Geist des Künstlers und der
vielseitigen problematischen Schaffenskraft die verbindenden
großzügigen Erklärungen schuldig. Wir sehen zu sehr
den einsam ringenden Zeitgenossen, zu wenig den durch
alle Linien und Gebiete seiner Kunst sich entwickelnden
Künstler. Darum ist der Roman eine gute Ergänzung zum
Verständnis auch des Malers Paul Thiem. Am meisten
sagen die reichen Illustrationen der Monographie, denn
künstlerische Wesensarten kann man im Letzten nicht sagen,
sondern nur beim Lesen und Schauen fühlen und verstehen.

Georg Muschner.

G. Schiefler, Verzeichnis des graphischen Werks Edvard
Münchs bis igoö. Berlin, Cassirer. 8°. 1907. (»Als
Manuskript« in 400 Exemplaren gedruckt.) VI und
148 Seiten. M. 20—.
Dem Bande sind zwei Originalradierungen und fünf
Rasterdrucke nach Munchschen Blättern beigegeben, der
Künstler selbst schuf etwas Buchschmuck dazu. Ein Haupt-
fordernis für seine Arbeit — die Begeisterung für sein
Thema — hat dem Verfasser sicherlich nicht gefehlt: in seiner
»Einführung« stellt er den Künstler unter die allerersten
Meister der Gegenwart. Zum Dank dafür wohl hat sich der
Künstler dazu bequemt, die für seinesgleichen langweilige
Durchsicht des Katalogs zu übernehmen, und das zum Vor-
teil des Werkes, denn der Verfasser ist nicht eigentlich
fachmännisch ausgebildet, und auch jetzt noch kann man,
angesichts einiger recht wenig scharfer Bezeichnungen, den
Verdacht nicht unterdrücken, daß gelegentlich sich Irrtümer
in die Etatsbestimmungen hineingeschlichen haben.

Man soll nicht über ein Zuviel des Gebotenen hadern
und vor einer gewissenhaften Leistung hält die Frage, ob
nun gerade Münchs Graphik die mühsame Fertigstellung
eines solchen Katalogs herausgefordert hat, nicht stand.
Der Verfasser ergeht sich in einem Bilde, in dem er Münch
oben auf einem Baume an der Orenzmauer des Lebens sieht,
wie er in eine zukünftige Welt hinüberblickt und eine
Sprache lernt, die wir armen Zeitgenossen, wenn er, wieder
herabgestiegen, sie mit uns spricht, nicht verstehen. Das
Bild ist wohl gelungen, und es paßt auf manche verkannte
Heroen, die ihrer Zeit vorauseilten, wie wir das so nennen,
— aber nicht auf Münch! Das ist es ja eben, was dieser
Künstler nicht tut, eine neue, unverständliche Sprache
sprechen. Sondern er gebraucht dieselben Sätze, dieselben
 
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