475
Literatur
476
LITERATUR
Niederländische Gemälde aus der Sammlung des Herrn
Alexander Tritsch in Wien, herausgegeben von Gustav
Glück, Wien 1907, Verlag der Gesellschaft für verviel-
fältigende Künste.
Beim Anblick dieser splendiden Galeriepublikation —
der achten in der Reihe —, die die Gesellschaft für ver-
vielfältigende Künste bisher herausgegeben hat, möchte
man zuerst dem glücklichen Besitzer gratulieren, der seine
verhältnismäßig bescheidene Bildersammlung in so vor-
nehmer Ausstattung und mit einem so vortrefflichen Be-
gleitworte von der Hand Gustav Glücks der Kunstwelt vor-
gestellt sieht. Die kleine Sammlung von 46 Bildern hol-
ländischer und vlämischer Herkunft meist des 17. Jahrhun-
derts kann nicht mit außergewöhnlichen Stücken prunken,
aber sie hat einen bemerkenswerten Vorzug vor mancher
größeren Privatsammlung durch die Einheitlichkeit und
dieAuslese gut erhaltener, charakteristischer Proben mitt-
lererMeister der Blütezeit niederländischer Malerei. Dieser
Vorzug mag auch den feinen Bilderkenner Dr. Glück ge-
reizt haben, ein solches Muster einer kleinen, verständnis-
voll gewählten Privatgalerie in Wort und Bild erschöpfend
zu publizieren. Sein Text ist zu einem interessanten und
lehrreichen Spaziergange durch einen Hauptteil der nieder-
ländischen Kunstgeschichte geworden, indem er die Bilder-
reihe zeitlich und inhaltlich ordnet und von Bild zu Bild
fortschreitend mit großer Darstellungskunst immer neue
Beziehungen herausfindet, die einzelnen Bilder erklärt, da-
tiert und einreiht, und dabei durch feine Charakteristiken
und eingestreute Exkurse in anmutigem Plaudertone zu
belehren weiß.
Die Bilderreihe beginnt mit zwei Gemälden noch aus
dem Ende des 16. Jahrhunderts. Das erste zeigt eine
Bauernhochzeit im Stile Pieter Brueghels d. Ä., kopiert
wahrscheinlich von Pieter Brueghel d. J. Glück weist
auf dieselbe Darstellung in der Sammlung Johnson in
Philadelphia hin; aber es sei hier auch an das Exemplar
in der Sammlung Jean Dollfus in Paris erinnert (abgebildet
in Les Arts 1904), falls es nicht inzwischen den Weg über
den Ozean angetreten hat und mit demjenigen bei Johnson
identisch ist. Das Zweitälteste Bild der Sammlung Tritsch,
eine St. Martinsfeier, konnte Glück mit überzeugenden
stilistischen und urkundlichen Hinweisen als eine Arbeit
des seltenen Marten van Cleef bestimmen. Die eigentliche
Stärke der Sammlung besteht aber aus holländischen Sitten-
bildern, denen sich einige Porträts, Stilleben, Kirchen-
interieurs und eine Anzahl vlämische Bilder anschließen.
Von der ersten Gruppe finden wir viele namhafte Vertreter
wie Dirk Hals, P. Quast, P. Codde, A. Palamedesz und
Pieter de Hooch; letzteren freilich nur mit einem seiner in
Raumentwickelung und Figuren noch sehr befangenen und
überhaupt noch nicht völlig gesicherten Jugend werke. Daran
reihen sich charakteristische Genrestücke von Qu. Brekelen-
kam, Dom. van Toi, Nie. Verkolje, J. M. Molenaer, A. Ostade,
Com. Dusart, S. Koningk und J. Victors. Der durch seine
vielgenannte Kopie der »Nachtwache« Rembrandts mehr,
als er verdient, bekannte Gerrit Lundens ist in der Samm-
lung mit zwei Bildern vertreten, von denen das eine, ein
Hochzeitsfest (datiert 1649), in Komposition, Lichtführung
und Farben starke Anklänge an die »Nachtwache« zeigt.
Unter den Porträts begegnen wir einem auffallenden
Mädchenbildnisse von Nie. Maes mit den Attributen der
Diana, in einer schon an das Rokoko anklingenden Auf-
fassung; vor allem aber einem ganz meisterhaften Porträt
einer wohlgepflegten Greisin von Barth, van der Heist.
Den Übergang von Porträtdarstellung zur staffierten Land-
schaft bezeichnet dann ein weniger künstlerisch als historisch
bemerkenswertes Gemälde Albert Cuyps mit dem "Porträt
des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien im Lager vor
Heusden. Die Landschaft ist durch Jan Asselyns und Cor-
nelis Deckers Arbeiten vertreten, zu denen noch eine auf-
fallend verblasene Ansicht eines Schloßparkes mit dem
Abschied des Schloßherrn von seinen Angehörigen, ein
an Wouwerman erinnerndes Bild kommt. Es ging unter
dem Namen des Dirk Maes, wurde aber von Dr. Hofstede
de Groot kürzlich als Arbeit des Jan Blom nach dessen
einzigem sicheren (1668 datierten) Bilde in der Galerie zu
Innsbruck bestimmt. Eine Zierde der Sammlung sind vier
Kircheninterieurs von Pieter Neefs d. Ä., Com. van Vliet
und Em. de Witte und sie geben dem Verfasser Gelegen-
heit zu einem sehr interessanten Exkurs über die Ent-
wickelung des niederländischen Kircheninterieurbildes. Dar-
auf seien die Freunde dieses reizvollen Darstellungskreises
besonders aufmerksam gemacht.
Die vlämische Abteilung beträgt nur den vierten Teil
der Sammlung, enthält aber dafür in zwei Skizzen, die die
Namen von Rubens und van Dyck tragen, ferner durch
ein vornehmes, siebenfiguriges Familienporträt (im Park)
von dem immer ernst-künstlerischen Gonzales Coques be-
sondere Wertstücke. Und der unvermeidliche Teniers d. J.
ist gleich mit vier mittleren und kleinen Stücken vertreten.
Sämtliche 46 Gemälde sind zum Teil in Heliogravüren,
Autotypien und ferner in einigen Radierungen (von dem
jetzt siebzigjährigen W. Unger) vorgeführt, und diese Ab-
bildungen vermitteln zusammen mit dem feinen, anschau-
lichen Texte eine vortreffliche Orientierung nicht allein über
diese Sammlung selbst, sondern über noch viele darüber
hinausliegende verwandte Gemälde. Wie diese Publikation
als Werk die Fachleute interessiert, so muß sie meines Er-
achtens für die Sammler von niederländischen Bildern von
ganz besonderem Nutzen sein, aus der sie wertvolle Be-
lehrungen und Anregungen erhalten können. f. Becher.
Die deutsche Medaille in kunst- und kulturhistorischer
Hinsicht. Nach dem Bestände der Medaillensammlung
des allerhöchsten Kaiserhauses, von Karl Domanig.
Mit Genehmigung des hohen Oberstkämmerer-Amtes
Seiner K. und K. Apostolischen Majestät. Hundert Tafeln
in Lichtdruck. Wien 1907, Verlag von Anton Schroll & Co.
Das neue Werk Karl Domanigs führt uns einen be-
deutsamen Schritt weiter auf dem Wege der Erkenntnis
der deutschen Medaille, ihrer Geschichte, ihrer Entwickelung,
ihrer Meister. Sind es doch zum guten Teil bisher völlig
unveröffentlichte Stücke aus den unerschöpflich reichen
Beständen der Kunstsammlungen des österreichischen
Kaiserhauses, die uns auf den hundert Tafeln des neuen
Medaillenwerks in durchweg vortrefflichen Lichtdrucken
dargeboten werden. Diese Lichtdrucke sind nach wohl-
gelungenen, scharfen, auch stilkritischen Zwecken genügen-
den Gipsabgüssen hergestellt, nur die Tafeln 59 und 60,
welche meist nach Art von Kleinodien gefaßte Gnaden-
medaillen wiedergeben, sowie Tafel 95 mit der Abbildung
des Rheinbergschen Medaillons mit der Habsburg-Suite
unmittelbar nach den Originalen selbst. Gerade diese
Reproduktionen üben, mögen sie zum Teil auch etwas
weniger klar und deutlich herausgekommen sein, einen
ganz besonders eigenen Reiz aus; nur muß man sich erst
etwas in sie hineingesehen haben.
Und nun zum Text des prächtigen Buches, der
wiederum, wie wir es bei Karl Domanigs Arbeiten nicht
anders gewohnt sind, als ein Meisterwerk der Gründlichkeit
und Sorgfalt bezeichet werden muß. Eine Geschichte der
deutschen Medaille zu schreiben, war dabei so wenig beab-
sichtigt, wie wir in den Tafeln etwa ein Corpus der deutschen
Medaille vor uns haben. Der Verfasser beschränkt sich
vielmehr im wesentlichen auf eine allerdings eingehende
Literatur
476
LITERATUR
Niederländische Gemälde aus der Sammlung des Herrn
Alexander Tritsch in Wien, herausgegeben von Gustav
Glück, Wien 1907, Verlag der Gesellschaft für verviel-
fältigende Künste.
Beim Anblick dieser splendiden Galeriepublikation —
der achten in der Reihe —, die die Gesellschaft für ver-
vielfältigende Künste bisher herausgegeben hat, möchte
man zuerst dem glücklichen Besitzer gratulieren, der seine
verhältnismäßig bescheidene Bildersammlung in so vor-
nehmer Ausstattung und mit einem so vortrefflichen Be-
gleitworte von der Hand Gustav Glücks der Kunstwelt vor-
gestellt sieht. Die kleine Sammlung von 46 Bildern hol-
ländischer und vlämischer Herkunft meist des 17. Jahrhun-
derts kann nicht mit außergewöhnlichen Stücken prunken,
aber sie hat einen bemerkenswerten Vorzug vor mancher
größeren Privatsammlung durch die Einheitlichkeit und
dieAuslese gut erhaltener, charakteristischer Proben mitt-
lererMeister der Blütezeit niederländischer Malerei. Dieser
Vorzug mag auch den feinen Bilderkenner Dr. Glück ge-
reizt haben, ein solches Muster einer kleinen, verständnis-
voll gewählten Privatgalerie in Wort und Bild erschöpfend
zu publizieren. Sein Text ist zu einem interessanten und
lehrreichen Spaziergange durch einen Hauptteil der nieder-
ländischen Kunstgeschichte geworden, indem er die Bilder-
reihe zeitlich und inhaltlich ordnet und von Bild zu Bild
fortschreitend mit großer Darstellungskunst immer neue
Beziehungen herausfindet, die einzelnen Bilder erklärt, da-
tiert und einreiht, und dabei durch feine Charakteristiken
und eingestreute Exkurse in anmutigem Plaudertone zu
belehren weiß.
Die Bilderreihe beginnt mit zwei Gemälden noch aus
dem Ende des 16. Jahrhunderts. Das erste zeigt eine
Bauernhochzeit im Stile Pieter Brueghels d. Ä., kopiert
wahrscheinlich von Pieter Brueghel d. J. Glück weist
auf dieselbe Darstellung in der Sammlung Johnson in
Philadelphia hin; aber es sei hier auch an das Exemplar
in der Sammlung Jean Dollfus in Paris erinnert (abgebildet
in Les Arts 1904), falls es nicht inzwischen den Weg über
den Ozean angetreten hat und mit demjenigen bei Johnson
identisch ist. Das Zweitälteste Bild der Sammlung Tritsch,
eine St. Martinsfeier, konnte Glück mit überzeugenden
stilistischen und urkundlichen Hinweisen als eine Arbeit
des seltenen Marten van Cleef bestimmen. Die eigentliche
Stärke der Sammlung besteht aber aus holländischen Sitten-
bildern, denen sich einige Porträts, Stilleben, Kirchen-
interieurs und eine Anzahl vlämische Bilder anschließen.
Von der ersten Gruppe finden wir viele namhafte Vertreter
wie Dirk Hals, P. Quast, P. Codde, A. Palamedesz und
Pieter de Hooch; letzteren freilich nur mit einem seiner in
Raumentwickelung und Figuren noch sehr befangenen und
überhaupt noch nicht völlig gesicherten Jugend werke. Daran
reihen sich charakteristische Genrestücke von Qu. Brekelen-
kam, Dom. van Toi, Nie. Verkolje, J. M. Molenaer, A. Ostade,
Com. Dusart, S. Koningk und J. Victors. Der durch seine
vielgenannte Kopie der »Nachtwache« Rembrandts mehr,
als er verdient, bekannte Gerrit Lundens ist in der Samm-
lung mit zwei Bildern vertreten, von denen das eine, ein
Hochzeitsfest (datiert 1649), in Komposition, Lichtführung
und Farben starke Anklänge an die »Nachtwache« zeigt.
Unter den Porträts begegnen wir einem auffallenden
Mädchenbildnisse von Nie. Maes mit den Attributen der
Diana, in einer schon an das Rokoko anklingenden Auf-
fassung; vor allem aber einem ganz meisterhaften Porträt
einer wohlgepflegten Greisin von Barth, van der Heist.
Den Übergang von Porträtdarstellung zur staffierten Land-
schaft bezeichnet dann ein weniger künstlerisch als historisch
bemerkenswertes Gemälde Albert Cuyps mit dem "Porträt
des Prinzen Friedrich Heinrich von Oranien im Lager vor
Heusden. Die Landschaft ist durch Jan Asselyns und Cor-
nelis Deckers Arbeiten vertreten, zu denen noch eine auf-
fallend verblasene Ansicht eines Schloßparkes mit dem
Abschied des Schloßherrn von seinen Angehörigen, ein
an Wouwerman erinnerndes Bild kommt. Es ging unter
dem Namen des Dirk Maes, wurde aber von Dr. Hofstede
de Groot kürzlich als Arbeit des Jan Blom nach dessen
einzigem sicheren (1668 datierten) Bilde in der Galerie zu
Innsbruck bestimmt. Eine Zierde der Sammlung sind vier
Kircheninterieurs von Pieter Neefs d. Ä., Com. van Vliet
und Em. de Witte und sie geben dem Verfasser Gelegen-
heit zu einem sehr interessanten Exkurs über die Ent-
wickelung des niederländischen Kircheninterieurbildes. Dar-
auf seien die Freunde dieses reizvollen Darstellungskreises
besonders aufmerksam gemacht.
Die vlämische Abteilung beträgt nur den vierten Teil
der Sammlung, enthält aber dafür in zwei Skizzen, die die
Namen von Rubens und van Dyck tragen, ferner durch
ein vornehmes, siebenfiguriges Familienporträt (im Park)
von dem immer ernst-künstlerischen Gonzales Coques be-
sondere Wertstücke. Und der unvermeidliche Teniers d. J.
ist gleich mit vier mittleren und kleinen Stücken vertreten.
Sämtliche 46 Gemälde sind zum Teil in Heliogravüren,
Autotypien und ferner in einigen Radierungen (von dem
jetzt siebzigjährigen W. Unger) vorgeführt, und diese Ab-
bildungen vermitteln zusammen mit dem feinen, anschau-
lichen Texte eine vortreffliche Orientierung nicht allein über
diese Sammlung selbst, sondern über noch viele darüber
hinausliegende verwandte Gemälde. Wie diese Publikation
als Werk die Fachleute interessiert, so muß sie meines Er-
achtens für die Sammler von niederländischen Bildern von
ganz besonderem Nutzen sein, aus der sie wertvolle Be-
lehrungen und Anregungen erhalten können. f. Becher.
Die deutsche Medaille in kunst- und kulturhistorischer
Hinsicht. Nach dem Bestände der Medaillensammlung
des allerhöchsten Kaiserhauses, von Karl Domanig.
Mit Genehmigung des hohen Oberstkämmerer-Amtes
Seiner K. und K. Apostolischen Majestät. Hundert Tafeln
in Lichtdruck. Wien 1907, Verlag von Anton Schroll & Co.
Das neue Werk Karl Domanigs führt uns einen be-
deutsamen Schritt weiter auf dem Wege der Erkenntnis
der deutschen Medaille, ihrer Geschichte, ihrer Entwickelung,
ihrer Meister. Sind es doch zum guten Teil bisher völlig
unveröffentlichte Stücke aus den unerschöpflich reichen
Beständen der Kunstsammlungen des österreichischen
Kaiserhauses, die uns auf den hundert Tafeln des neuen
Medaillenwerks in durchweg vortrefflichen Lichtdrucken
dargeboten werden. Diese Lichtdrucke sind nach wohl-
gelungenen, scharfen, auch stilkritischen Zwecken genügen-
den Gipsabgüssen hergestellt, nur die Tafeln 59 und 60,
welche meist nach Art von Kleinodien gefaßte Gnaden-
medaillen wiedergeben, sowie Tafel 95 mit der Abbildung
des Rheinbergschen Medaillons mit der Habsburg-Suite
unmittelbar nach den Originalen selbst. Gerade diese
Reproduktionen üben, mögen sie zum Teil auch etwas
weniger klar und deutlich herausgekommen sein, einen
ganz besonders eigenen Reiz aus; nur muß man sich erst
etwas in sie hineingesehen haben.
Und nun zum Text des prächtigen Buches, der
wiederum, wie wir es bei Karl Domanigs Arbeiten nicht
anders gewohnt sind, als ein Meisterwerk der Gründlichkeit
und Sorgfalt bezeichet werden muß. Eine Geschichte der
deutschen Medaille zu schreiben, war dabei so wenig beab-
sichtigt, wie wir in den Tafeln etwa ein Corpus der deutschen
Medaille vor uns haben. Der Verfasser beschränkt sich
vielmehr im wesentlichen auf eine allerdings eingehende