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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Seemann, Artur: Der Erwerb von Kunstwerken für Bayern
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0285

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Der Erwerb von Kunstwerken für Bayern

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Philippika zu verstärken: das ist die Tätigkeit des
jetzigen Generaldirektors der preußischen Museen,
Wirklichen Geheimen Oberregierungsrats Dr. Wilhelm
Bode. Er lobt die Lebensarbeit des Mannes, dessen
wissenschaftliche Meinung er manchmal energisch be-
kämpft hat als außerordentlich, und meint, daß unter
den Lebenden niemand sei, der imstande wäre, auch
nur annähernd das gleiche zu leisten. Allerdings
fügt er hinzu: »Wo so viel Licht ist, da ist auch viel
Schatten und in den letzten Jahren werden diese
Schatten in Bodes Tätigkeit sogar immer länger.«
Hier hätte Herr Dr. Voll doch wohl gut getan, sein
Urteil durch einige Tatsachen zu erhärten; denn es
ist nicht zu verwundern, daß, wer einen Riesenwuchs
hat, auch einen längeren Schatten werfen muß, und
daß außer Peter Schlemihl noch kein Sterblicher, den
die Sonne beschien, ohne Schattenseite war. Dr. Voll
meint nun, daß der Schatten, der von der geistigen
Statur des Berliner Generaldirektors ausgehe, viel zu
tief in das Gebiet der blau-weißen Grenzpfähle hinein-
falle. »Seit geraumer Zeit wird in Münchener Museen
nicht leicht eine Frage, in der man Bode für be-
wandert hält, entschieden, ohne daß sein Gutachten
eingeholt würde. Das ist ein ungesunder Zustand.«
Warum, sagt Professor Dr. Voll so: »Die Berliner
Museen wollen die Münchener überflügeln und haben
das in mancher Hinsicht durch die persönliche und
die organisatorische Tätigkeit Bodes und seiner Kollegen
auch bereits getan. Darum glaube ich, daß der General-
direktor der Berliner Museen nicht im Nebenamt auch
der Generaldirektor der Münchener Museen sein kann.«
Die bayerischen Museumsbeamten seien »dadurch, daß
sie neben allen übrigen Bevormundungen auch noch
so oft Bodes Autorität in den Gang der Dinge ein-
greifen lassen müssen, in ihrer Selbständigkeit ganz
besonders bedroht.«

Diese und einige andere spitzige Bemerkungen
haben natürlich als Herausforderung gewirkt; und
der Angegriffene hat im Heft 34 der Internationalen
Wochenschrift, die Professor Dr. P. Hinneberg heraus-
gibt, eine schneidige Antwort erteilt. Er zieht kurz
(und wohl etwas zu summarisch) das Fazit aus dem
Vollschen Aufsatze mit den spöttischen Worten: »Den
bayerischen Kunstsammlungen tut ein Generaldirektor
not und Karl Voll muß dazu ernannt werden.« Mit
den letzten Worten freilich stempelt Wilhelm Bode
das Schriftstück Karls Volls zum Palimpsest: er liest
die Bemerkung zwischen den Zeilen. Voll hat dies
vorausgesehen und deshalb gesagt, es sei zu fürchten,
daß denen, die für die bayerischen Museumsdirektoren
dieselben Rechte fordern, wie sie Bode hat, geant-
wortet werde: nennt uns in Bayern einen Mann wie
Bode, und wir wollen ihm gern alle Befugnisse ein-
räumen, die ihm nur irgendwie einzuräumen sind.
Diesen kalten Spott, fährt Dr. Voll fort, müsse man
nicht fürchten; und er beschwört den Schatten Adolf
Bayersdorfers herauf, >der mit 60 Jahren als Konser-
vator der Pinakothek starb, und für den keine bessere
Stellung geschaffen wurde, obwohl er eine weltbe-
rühmte Persönlichkeit, und für seine Zeit auch mit
Recht, war.« Bode entgegnete ferner: »Weshalb Voll

meine Einwirkung auf die preußischen Museen als
die allersegensreichste bezeichnet und eine solche auf
die bayerischen Kunstsammlungen für äußerst unheil-
voll ansieht, ist nur dem verständlich, der annimmt,
man könne nur einem Herrn dienen: wenn ich den
Berliner Museen zu nützen bestrebt sei, könne ich
anderen Sammlungen, zumal den bayerischen, nur
schaden.« Nun erläutert Bode, inwiefern er für die
Sammlungen Bayerns gewirkt habe — »nicht nur
dem Germanischen Museum, in dessen Vorstand ich
seit fast zwei Jahrzehnten bin, sondern auch den
Münchener Museen, und zwar mehr, als Herr Minister
von Wehner zu wissen scheint.« »Vor Jahren habe
ich für die Alte Pinakothek die heilige Familie von
Luca Signorelli aus der Galerie Ginori in Florenz
nicht nur empfohlen, sondern erworben. Auf das
vor ein paar Jahren gekaufte Porträt von Franz Hals
habe ich die Direktion zuerst aufmerksam gemacht.
Den Giovanni Bellini der Sammlung R. Kann habe
ich auf ausdrücklichen Wunsch des Geheimrats von
Reber nicht für die Berliner Galerie vorgeschlagen,
sondern direkt der Pinakothek zur Ansicht senden
lassen; die gegenteilige Behauptung Volls ist un-
richtig.« (Voll hatte gesagt: Durch die Schwerfällig-
keit unserer Kommissionen hat die Pinakothek nichts
aus der Sammlung Kann bekommen.) »Die sechs
Triumphe des Petrarca von Francesco Mantegna habe
ich mit Herrn von Reber bei einem Kunsthändler in
Florenz, wo wir zu einer Sitzung anwesend waren,
gesehen und sie ihm, namentlich wegen der Dar-
stellungen, für die damals geplante Universitätsgalerie
in Erlangen, nicht für die Pinakothek empfohlen.
Auch mit Rücksicht auf den von vielen Seiten in
München gehegten Wunsch, die in den Münchener
Sammlungen fast fehlende italienische Plastik durch
Erwerbungen guter Stücke auszubauen, habe ich ver-
schiedene gerade käufliche Skulpturen in Vorschlag
gebracht, namentlich ein treffliches Relief der Anbetung
des Kindes von Benedetto da Majano, über das aber
infolge der Schwerfälligkeit der Münchener Ankaufs-
instanzen nicht rasch genug entschieden werden
konnte.« »Vereinzelte Ratschläge habe ich gelegent-
lich meinen Münchener Kollegen auf Wunsch erteilt
wie manchem anderen Kollegen in Deutschland wie
im Auslande. Daß man mich darüber schilt und
darin einen Eingriff in die bayerische Selbständigkeit
sieht, ist nur möglich aus kleinlichsten, partikula-
ristischen oder Parteirücksichten, oder weil man keine
Ahnung hat, daß sich jemand über die eigenen
Kirchturmsinteressen hinaus noch für etwas erwärmen
und dafür wirken könne.«

Man sieht, Parade und Gegenangriff sind sehr ge-
wandt, werden aber Dr. Voll nicht entwaffnen. Wir
kommen weiter unten darauf zurück.

Auch Bode hat bittere Erfahrungen gemacht. »An-
erkennung oder gar Dankbarkeit für solche Tätigkeit
für Dritte sollte freilich niemand von weiteren Kreisen
erwarten; am wenigsten erwarte ich sie . . . Wenn
das, was ich in viel ausgiebigerer Weise als in München
für die Museen in Köln, Hamburg, Kassel, Münster
usw. tun durfte, dort vielleicht noch anerkannt wird,
 
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