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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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Seemann, Artur: Der Erwerb von Kunstwerken für Bayern
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St. Petersburger Brief, [3]
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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0287

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551

St. Petersburger Brief

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Brunnen« in Nürnberg) erhalten habe und mußte,
um dafür 300 Mark aufzutreiben, bei drei der reichsten
Leute Preußens anklopfen, da keiner die Summe allein
hergeben wollte. Seither hat sich das freilich sehr zu
unseren Gunsten geändert, aber es ist doch zum
Teil noch eine echte parlamentarische do-ut-des Poli-
tik, bei der die Gönner für ihre eigenen Sammlungen
jedenfalls keine schlechten Geschäfte machten.«

Wer mit Sammlern, denen Bode mit Rat und Tat
beistand, Verkehr hat, wird das Gesagte bestätigt finden
— aber auch, daß nicht jeder stets zufriedengestellt
war. Ich entsinne mich z. B., daß der verstorbene
Kommerzienrat Trübner in Straßburg mir einmal voller
Freude von einem schönen frühen Botticelli erzählte,
den ihm Bode zu mäßigem Preise verschafft hatte;
daß er aber zugleich seufzte über eine Vanitas von
Pieter Potter, die er hatte mit in Kauf nehmen müssen.
Nun hängt sich ja heute der moderne Mensch, besonders
in vorgerückten Jahren, in der Tat nicht gern ein
memento mori an die Wand, und einen Totenschädel
nebst einigen anderen Vergänglichkeitssymbolen mit
einigen hundert Mark bezahlen zu müssen, ist schmerz-
lich. Damals sagte ich zu Dr. Trübner, als er mir
das Bild zeigte, seine Gattin müsse ja auch, wenn sie
eine saftige Lende kaufe, ein paar Knochen als Zu-
gabe mitnehmen; und unter diesem Gesichtspunkt könne
er sich angesichts des blühenden Lebens, das Botticelli
festgehalten habe, den kahlen Schädel der Vanitas ge-
fallen lassen. Wir lachten beide, und damit war die
Sache gut.

Bode sagt am Schlüsse seiner Gegenschrift: »nicht
ein Generaldirektor mangelt den Münchener Museen,
sondern es kommt vor allem auf die Direktoren an,
wie in München Furtwänglers kurze aber glänzende
Wirksamkeit beweist«. Das ist ganz richtig: denn
der Generaldirektor steckt viel zu sehr in den Akten
und ist genötigt, viel mehr Zeit auf Lektüre von be-
schriebenem Papier zu verwenden, als der Sammlungs-
direktor. — Richtig ist aber auch Volls Bemerkung,
daß der Direktor reisen und lesen muß — Forschungen,
keine Akten. Reisen muß er, um neue Eindrücke zu
sammeln um sein Auge, das Organ des Kenners, zu
schulen in Museen, Privatsammlungen, Auktionen, selbst
wenn er dort nichts kaufen will oder kann. Lesen
muß er, damit er auf der Höhe der Wissenschaft
bleibt und gegen das Gift der Fälscher besser ge-
feit ist, als wenn ihn die bloße Stilkritik leitet, die
allein ja auch Furtwängler nicht vor Irrtum bewahrt hat.

Jeder Geschäftsmann weiß heute, daß das, was
ihm ins Bureau gebracht wird, nicht just das Beste
ist; und der Museumsdirektor, der ja für den Staat
kauft und möglichst wohlfeil kaufen soll, weiß das
ebenfalls — denn es ist eine große Seltenheit, daß
einem ein Van Eyck, ein echter Donatello, ein Hans
Kels ins Museum gebracht wird. Er muß also den
Markt aufsuchen und dieser nicht ihn; auch ein
Münchener Galeriedirektor muß in London, Paris,
Florenz kaufen und den Moment abpassen, wo in
einer Privatsammlung ein Nagel locker wird, an dem
ein wertvolles Bild hängt. Die Kommissionen, sagte
schon Bismarck, sind die Marterkammern der Re-

gierung; und die Kunstkommissionen sind von jeher
im Negativen groß, im Positiven klein gewesen. Eine
Galerie kann schließlich nicht anders dirigiert werden
als ein Schiff. Direktor und Konservator sind da
Kapitän und Steuermann.

Das freie Meer befreit den Geist

Wer weiß da, was Besinnen heißt!

Da fördert nur ein rascher Griff:

Man fängt den Fisch, man fängt ein Schiff.
Wieviel mehr der bewegliche Museumsdirektor im
Vorteil ist gegen den unbeweglichen, ist ohne wei-
teres deutlich. Voll erläutert dies auch durch ein
typisches Beispiel. Es ist nun eigentümlich, daß
Käufer und Kaufobjekte eine magnetische Anziehungs-
kraft ausüben und wo ein Kenner erscheint, dem
Fonds für Ankäufe zu Gebote stehen, da versammeln
sich die Kunstwerke. Sind wenige Wettbewerber
da, so liegen die Preise niedrig; mit jedem neuen
ernsthaften Interessenten ist aber eine Hausse ver-
bunden. Nun haben sich in den letzten Jahren auf
dem Kunstweltmarkte sehr kaulkräftige Elemente ge-
zeigt, und der Magnetismus, den sie auf das schwim-
mende Material der Kunstwerke ausüben, macht sich
durch bedeutende Preissteigerung fühlbar. Es ist
daher begreiflich, das Generaldirektor Bode neue
selbständige Regungen einstiger Bundesgenossen nicht
mit Freude begrüßt, denn sie können gelegentlich
einen wichtigen Ankauf vereiteln und ihm die Rolle
des unparteiischen Maklers stören. Dr. Voll ist der
Meinung, daß Bayern im Kampf um den Erwerb
von Kunstwerken in Zukunft mehr Selbständigkeit
entwickeln müsse. Ob ein bayerischer Generaldirektor
diese Wünsche erfüllt, hängt davon ab, was er leistet,
oder leisten darf. ARTUR SEEMANN.

St. PETERSBURGER BRIEF
Eine ganz ungewöhnliche Fülle von Ausstellungen
hat sich während einer ungewöhnlich langen Saison
1907—8 über uns ergossen. Im Oktober begann
die »Herbstausstellung«, die als einzige Ausstellung
im Spätjahre Besucher anzog. Die neuerdings
etablierten Herbstausstellungen sind ein Tummel-
platz für Dilettanten; zu diesen kann man ruhig
auch Kalmaköw und Dmi'trijew zählen, die ein
Teil der Tagespresse und wohlmeinendes Publikum
zu symbolistischen Talenten hatte aichen wollen.
Bald folgte die Ausstellung für Hausfleiß, »Kus-
tärny Promyssel«, deren Würdigung vom national-
ökonomischen und künstlerischen Standpunkte aus
mehr Raum beanspruchen würde, als mir hier zu
Gebote steht. Mit Genugtuung konnte ich die Be-
friedigung konstatieren, die eine Reihe ausländischer
Freunde über die Erzeugnisse unseres bäuerlichen
Kunstgewerbes an Gebrauchsgegenständen in Stickerei,
Holzschnitzerei und Metallarbeit aussprach. Wir
hätten offenbar die Möglichkeit, mit diesen Ar-
beiten einen schwunghaften Export zu entwickeln.
Üblicherweise fand auch während der letzten Monate
die Schülerausstellung bei der Hochschule der Aka-
demie der Künste statt, die von einer erfreulichen
Beruhigung im Arbeiten und einem noch viel er-
 
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