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Kunstchronik: Wochenschrift für Kunst und Kunstgewerbe — N.F. 19.1908

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https://doi.org/10.11588/diglit.5784#0305

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Denkmalpflege — Ausgrabungen

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protestierenden Künstlern in dem Wunsche, daß Dresden
die Ausführung des gewählten Entwurfes für das Schiller-
denkmal erspart bleibe. Dresden hat überdies schon einen
sitzenden Schiller, nämlich den Rietschelschen vor dem
Kgl. Opernhause. Es wäre darum, wenn Dresden durchaus
noch ein Schillerdenkmal erhalten soll, wünschenswert, daß
dieses Denkmal ganz anders gestaltet würde. ^?

DENKMALPFLEGE
Über die baulichen Schäden des Kölner Domes,

auf die wir bereits in Nr. 29 der Kunstchronik hinwiesen,
macht Dombaumeister Hertel in Köln auf Grund ein-
gehender Untersuchung der wichtigeren Gebäudeteile im
»Zentralblatt der Bauverwaltung« authentische Mitteilungen.
Die bis jetzt aufgedeckten Schäden gefährden an keiner
Stelle das Bauwerk in seinem Bestände unmittelbar, und
zu Befürchtungen wegen der Standsicherheit des Domes
oder auch nur eines seiner wichtigeren Teile liegt kein
Grund vor. Vielmehr darf der Kern des Baues als in allen
Teilen vollkommen gesund und fest bezeichnet werden.
Trotzdem haben die Untersuchungen ergeben, daß die
Zerstörungen an den äußeren, besonders den feineren
Teilen, den Fialen, Wimpergen, Ornamenten, Figuren, sogar
an vielen Stellen der glatten Mauern, größer sind, als bisher
angenommen wurde. Die Verwitterungen treten nicht nur
an den Bauteilen aus dem Mittelalter, sondern an dem im
vorigen Jahrhundert errichteten Lang- und Querbau, stellen-
weise sogar an den neuen Türmen und an den vor kaum
20 Jahren wiederhergestellten Teilen auf; sie sind nicht
auf eine Steinsorte beschränkt, sondern greifen die Mehr-
zahl der verwandten Gesteine an. Besonders unterliegt
ihnen das Trachytgestein vom Drachenfels im nahen Sieben-
gebirge, das für die mittelalterlichen Teile, besonders für
den Hochchor, fast ausschließlich verwendet wurde und nun
beinahe 700 Jahre dem Regen, Schnee und Frost ausgesetzt
ist. Bei manchen Zierstücken, wie bei den Fialen, erscheint
die äußere Haut des Steines noch hart und hat ein gesundes
Aussehen, aber innen ist er morsch und zerbröckelt wie
die Teile eines verrotteten Baumstammes; demnach geht
der Zerstörungsprozeß von innen nach außen vor sich.
Die Verwitterung hat aber auch den Stein angebrochen,
der bei den Wiederherstellungsarbeiten des ig. Jahrhunderts
wegen des Fehlens von kohlensaurem Kalk für stützende
Teile Verwendung fand, den Andesit vom Stenzelberge.
Seine gelblich rostfarbige Haut beginnt abzublättern, immer
größere Stücke fallen ab, und die perlgraue Farbe des
Gesteins wird sichtbar, bis es fast bis zur Unkenntlichkeit
zerstört ist. Wie schnell die Bauten gefährdet werden,
ersieht man daraus, daß an der jetzt verwitternden Galerie
über dem Nordteile vor fünf Jahren mit Ausnahme weniger
Steine noch nirgends eine Zerstörung gefunden werden
konnte.

Freilegung des Königskastells Karls von Anjou.

Das Beispiel, das Mailand mit der Rekonstruktion des
Castello Sforzesco, das Rom mit der Restauration der
Engelsburg gegeben haben, hat Neapel nicht schlafen
lassen. Wie die Frankfurter Zeitung mitteilt wird die be-
rühmte Burg Karls von Anjou, die 1277 zwischen dem
Hafen und dem Schlosse der Bourbonen, dem heutigen
königlichen Palaste, errichtet wurde, von den Truppen,
die sie bisher als Kaserne benutzten, geräumt, alsdann frei-
gelegt und restauriert, so daß mitten in das Geräusch der
Neuzeit als stiller Mahner an eine glänzende Vergangenheit
der düstere mit alten Türmen bewehrte Trutzbau aufragen
wird. Der berühmte Triumphbogen des Königs Alfonso I.
von Aragonien, den der Mailänder Pietro di Martino 1470
errichtete und an dessen Skulpturschmuck auch Donatellos
Schüler Andrea von Aquila arbeitete, wurde schon voriges

Jahr freigelegt. Kaum sind die Arbeiten am Kastell be-
gonnen, so rührt sich auch die süditalienische Megalomanie,
da der Stadtrat den stolzen Bau zur Filiale des Rathauses
machen will. Das empfinden die Künstler und Kunst-
historiker als eine Entweihung, und der Generaldirektor
der schönen Künste, Prof. Corrado Ricci, leitete daher eine
Protestbewegung ein. Er wünscht, daß das historische
Monument eine Stätte der stillen Betrachtung bleibe, und
fordert, daß es zum Museum umgewandelt werde. Diese
Forderung ist mehr als berechtigt; denn welch große
Namen knüpfen sich an die Geschichte des »maschio An-
gioino«. Hier weilte zu Ende des zwölften Jahrhunderts
der Eremit Pietro da Morone, der spätere Papst Cölestin V.,
den Dante wegen seines Rücktrittes verdammte. Hier
fand das Konklave von Cölestins Nachfolger, dem großen
Bonifaz VIII., statt. Wenig später kamen als Gäste die
Maler Pietro Cavallini von Rom und Montoro von Arezzo.
1341, als Robert von Anjou rings um das Schloß einen
herrlichen Park angelegt hatte, erschien Giotto, um zwei
Kapellen des Schlosses zu schmücken, gleich darauf
Petrarca, der vor seiner Dichterkrönung in Rom sich von
Robert prüfen lassen wollte, um zu sehen, ob er der
römischen Ehrung würdig sei. Und er war's; denn am
dritten Examenstage schenkte ihm Robert als Preis sein
Königsgewand. 1342 stirbt Robert, und es folgt ihm die
neapolitanische Messalina, Johanna L, die das Schloß mit
Mimen, Gauklern, Poeten und Hofnarren füllt. Später sah
das Kastell Besucher wie Boccaccio, Perugino, San Fran-
cesco di Paolo, Ettore Fieramosca, den Helden des be-
rühmten Massenzweikampfs von Barletta, Lorenzo il Magni-
fico! Corrado Riccis Projekt wird von Prof. Angelo Conti,
dem Direktor der Neapler Pinakothek, gebilligt. Auch er
wünscht, daß das Anjou-Schloß zu einem Museum der
Neapler Schule ausgebaut werde, da die meisten Gemälde
dieser Schule bisher aus Mangel an Platz in den Depots
schlummern. Außerdem befürwortet er die Bildung eines
Museums der süditalienischen Skulptur des Mittelalters,
für das die alte Anjou-Burg auch noch Raum biete.

DIE NEUESTEN AUSGRABUNGEN AUF DEM
FORUM ROMANUM
Giacomo Boni, von dem man schon sagte, er würde
wohl bald auf dem ganzen Forum Romanum keinen Platz
mehr finden, um seine Tätigkeit zu entwickeln, ist es statt
dessen gelungen, ein höchst fruchtbares Feld interessanter
Entdeckung in dem Teil des ihm unterstehenden Gebietes
zu finden, welcher durch die darauf gebauten Monumente
am wenigsten zu einer ergiebigen Forschung geeignet
schien. Der Titusbogen ist zum Mittelpunkte der neuesten
Ausgrabungen geworden, und wenn auch dadurch so vielen
Romfahrern das unschuldige Vergnügen genommen ist,
durch den alten Triumphbogen wandeln zu können, so
sind die Ergebnisse der Ausgrabungen doch so interessant
und wichtig, daß man diese Störung des Programms hin-
nehmen kann. Dieses Streben, den uralten Boden des
Forums und der benachbarten Regionen wie ein Buch bis
in die letzten Seiten hinein zu lesen, hat doch auch für
den Laien einen bestrickenden Reiz, nur muß man sich die
Zeit nehmen, mit Liebe jedem Satz, jedem Wort und Buch-
staben der dunklen Schrift zu folgen. Jeder, der das tut,
wird wohl den unerquicklichen Anblick der Haufen Steine,
der aufgeschütteten Erde, des ganzen jetzt so zerrissenen
und einst so harmonischen und schönen Bildes überwinden
können und sich mit Herz und Geist der mächtigen Sprache,
welche aus den dunklen Gruben spricht, hingeben. Das
Vergessen des alten Forumbildes kostet gewiß nicht wenig
Überwindung, und man kann den eigentümlichen Reiz der
halbbegrabenen Tempel, der kaum aus dem Boden ragen-
 
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