Tisch, die Cafcmädchen wußten, daß er nichks zn sich nahm. Und doch war
er einer der innigsien Genießer in dem großen, dichtbesuchken Konzertparkc.
Gelegcntlich sprach er mit Elisabeth übcr Musik, auch sie liebte und kannte
Musik. Er spielte kein Instrument, im Herbst, Winter und weithin ins
Frühjahr war es lcer um ihn und in ihm. Nmr der Heilige 2lbend in der
,Thalia^ war etwas wie Trost und Erfüllung. Sie wußken alle nicht, wie
vicl er ihm bedeute. Es war gut, daß sie es nicht wußken, die Verwandken,
vielleicht häktcn sie es sühlen lassen und dann — dann wäre alles aus ge-
wesen. Sein Empfinden war so geschärst für all die Lieblosigkeit der andern.
Es kam der vierundzwanzigste Dezember. Man wünschte sich auf den Gassen
nebst dem gesegneken Heiligen 2lbend einen guten Appetit, das war die 2Ze-
grüßungssormel dieses Tages. Martin 2Zrühl hatke nur gefrühstückk, um scine
vorzüglichc Veranlagung nichk durch Zwischenmahlzeiten zu beeinkrächkigen,
übrigens ein allgemeiner Brauch in der wohllebigen kleinen Kurstadt. Fisch-
stände waren ausgeschlagen, in Waschbottichen schwammen gedrängk die
Karpfen und schnappten nach 2lkemwasser, daneben an einem Holzgalgen hing
die Waage mik dem vereisten Netze; und die Delikatesscngeschäfte boken das
üppigste Bild. Er war nur einmal durch dl'e Stadt aus und nieder gegangen,
er war erregk wie alle andern; die andern konnten sich entäußern: frcundliche
Blicke, helle Stimmen. Er fühlke scine Enge. 2ln diesem Tage vcrmochte
er nichk einmal das Cafe zu besuchen. Zhm war, als gehöre er bis zur 2lbend-
stundc nichk dazu, trotzdem er all sein Leben hier gewesen war. Erst der
2lbend sollte ihn wicder einschließen in die Heimat, in die Menschheit.
Schon gegen vier llhr begann er seine Schuhe und Kleider noch einmal
zu überbürstcn und zu putzen, sich zu rasieren und zu färben. Für halb sechs
war er gebeten; die Kinder sollten nicht länger warten. Er kam immer cin
wenig späker, als der Letzte. 2llles war genau, fast auf die Minute berechnek.
Lieber zog er das 2lnkleiden ein wenig hin. — Es war schon dunkel, eine
sternhelle Nachk, kalt und verschneit, die dichten blaudämmernden Waldberge
des engen Tales, die durchleuchteten Fensterladen der Winterwohnungen
zur ebenen Erde, und Menschen nur wenig mehr aus der Gasse, aber keine
Einsamkeit, nicht einmal für ihn, denn er fühlte mit allen. Sein Herz
schlug, er husteke verlegen, als er die Freitreppe hinausstampfte, er pochte
sehr energisch.
Und dann fand er sich vom Lichte übersluket, von freundlichen Gesichtern
umgeben, scine Hand wurde gedrückt, man hals ihm aus dem Mankel, und
Herr Onkel, Schwager, Herr Pate, Herr Großonkel hörte er von allen
Seiten. Er bak Elisabeth, einen 2lugenblick nur, und holke die Geschenke aus
den geräumigen Taschen seines Schößelrockes; sie waren sorgfältig in Seiden-
papicr gewickelt und verschnürt, er hatte die Namen darausgeschrieben.
Elisabcth trug alles in den Salon, dort wurde beschert.
Man hatte nur aus ihn gewartck. Es schellte die Christglocke, und dic
Flügelküre wurde ausgetan. Sie gingcn hinein, er folgke und hielt an sich.
Ihn beschämken die ruscnden Stimmen, beschämte der Lichterglanz, in seine
alten Wangen sticg eine Röte, und sie zitterken leise, ein starres Lächeln
lag aus seinem Gesichte, seine 2lugen wichen nicht von dem bunkbehangencn,
kerzenflimmernden, duftenden Baumc. Er Lrank die strahlende Wärme in sich.
er einer der innigsien Genießer in dem großen, dichtbesuchken Konzertparkc.
Gelegcntlich sprach er mit Elisabeth übcr Musik, auch sie liebte und kannte
Musik. Er spielte kein Instrument, im Herbst, Winter und weithin ins
Frühjahr war es lcer um ihn und in ihm. Nmr der Heilige 2lbend in der
,Thalia^ war etwas wie Trost und Erfüllung. Sie wußken alle nicht, wie
vicl er ihm bedeute. Es war gut, daß sie es nicht wußken, die Verwandken,
vielleicht häktcn sie es sühlen lassen und dann — dann wäre alles aus ge-
wesen. Sein Empfinden war so geschärst für all die Lieblosigkeit der andern.
Es kam der vierundzwanzigste Dezember. Man wünschte sich auf den Gassen
nebst dem gesegneken Heiligen 2lbend einen guten Appetit, das war die 2Ze-
grüßungssormel dieses Tages. Martin 2Zrühl hatke nur gefrühstückk, um scine
vorzüglichc Veranlagung nichk durch Zwischenmahlzeiten zu beeinkrächkigen,
übrigens ein allgemeiner Brauch in der wohllebigen kleinen Kurstadt. Fisch-
stände waren ausgeschlagen, in Waschbottichen schwammen gedrängk die
Karpfen und schnappten nach 2lkemwasser, daneben an einem Holzgalgen hing
die Waage mik dem vereisten Netze; und die Delikatesscngeschäfte boken das
üppigste Bild. Er war nur einmal durch dl'e Stadt aus und nieder gegangen,
er war erregk wie alle andern; die andern konnten sich entäußern: frcundliche
Blicke, helle Stimmen. Er fühlke scine Enge. 2ln diesem Tage vcrmochte
er nichk einmal das Cafe zu besuchen. Zhm war, als gehöre er bis zur 2lbend-
stundc nichk dazu, trotzdem er all sein Leben hier gewesen war. Erst der
2lbend sollte ihn wicder einschließen in die Heimat, in die Menschheit.
Schon gegen vier llhr begann er seine Schuhe und Kleider noch einmal
zu überbürstcn und zu putzen, sich zu rasieren und zu färben. Für halb sechs
war er gebeten; die Kinder sollten nicht länger warten. Er kam immer cin
wenig späker, als der Letzte. 2llles war genau, fast auf die Minute berechnek.
Lieber zog er das 2lnkleiden ein wenig hin. — Es war schon dunkel, eine
sternhelle Nachk, kalt und verschneit, die dichten blaudämmernden Waldberge
des engen Tales, die durchleuchteten Fensterladen der Winterwohnungen
zur ebenen Erde, und Menschen nur wenig mehr aus der Gasse, aber keine
Einsamkeit, nicht einmal für ihn, denn er fühlte mit allen. Sein Herz
schlug, er husteke verlegen, als er die Freitreppe hinausstampfte, er pochte
sehr energisch.
Und dann fand er sich vom Lichte übersluket, von freundlichen Gesichtern
umgeben, scine Hand wurde gedrückt, man hals ihm aus dem Mankel, und
Herr Onkel, Schwager, Herr Pate, Herr Großonkel hörte er von allen
Seiten. Er bak Elisabeth, einen 2lugenblick nur, und holke die Geschenke aus
den geräumigen Taschen seines Schößelrockes; sie waren sorgfältig in Seiden-
papicr gewickelt und verschnürt, er hatte die Namen darausgeschrieben.
Elisabcth trug alles in den Salon, dort wurde beschert.
Man hatte nur aus ihn gewartck. Es schellte die Christglocke, und dic
Flügelküre wurde ausgetan. Sie gingcn hinein, er folgke und hielt an sich.
Ihn beschämken die ruscnden Stimmen, beschämte der Lichterglanz, in seine
alten Wangen sticg eine Röte, und sie zitterken leise, ein starres Lächeln
lag aus seinem Gesichte, seine 2lugen wichen nicht von dem bunkbehangencn,
kerzenflimmernden, duftenden Baumc. Er Lrank die strahlende Wärme in sich.