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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 2 (Novemberheft 1929)
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Kolbenheyer, Erwin Guido: Aus dem Werk E. G. Kolbenheyers
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0133

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Ilnd er wurde erst dadurch geweckt, daß ihm Frau Elisabeth ein Paket
Socken und eine schöne Krawatte in die Hände drückte und ihm für das rei-
zende Nähkästchen dankte. Angeeifert kamen auch die Kinder zu ihm. Wun-
derhübfch, vielzuviel, wirklich erwünfcht, all das hörte er und bat würdig,
doch nicht allzusehr Nvtiz zu nehmen.

Und nun zu Tifch! Er saß auf dem anderen EhrenplaHe neben der Schwä-
gerin, die, ein wenig herb und aufgeräumt, fchon leise zu necken begann.
Und während man ihn zum Zugreifen nötigte und ihm die besten Stücke
vorlegte, vorlegte und weiternötigte, herzlich an seiner Eßlusl erfreuk, fand
er mit dem verlöfchenden Weihnachtsbaum wieder zu sich zurück. Er ver-
ftummte allmählich ganz, nur mehr bedachk, die geboteuen Genüsse nach
beslem Vermögen zu erfchöpfen, und hörte kaum, was die audern lauk und
fefllich erregt sprachen, gab zerstreute Antworteu, und man ließ ihn.

N!ach dem Schmause begab man sich wieder zu den Gefchenken. Elisabeth
führte ihn von Gabentifch zu Gabentifch, er lobte alles, gesätkigt und müde. Er
war ihr vom Herzen dankbar und wußke, diese Führung bcdeute eigentlich, daß
er nachBelieben bleiben oder gehen könne. Er verabfchiedete sichbald danach.
Etwas benommen ging er in seinen gemessenen, fchlurfenden Schritten
durch die Vaterstadt nach Hause. Er fühlte es, daß überall in den wachen Woh-
nungen die jubelnde Erregung satk und müde geworden war.Auch er, aucher
— fast gleichgültig. Erst als er die Gasse anzusteigen begann, die an dcr
Kirche vorüber zum ,Roten Reiter' führte, überkam es ihn wie eine rück-
flutende Welle. Er blieb stehen, sah die üppigfchöne Gliederung des Kirchen-
baues im ungewissen Skernenlichte, und es fiel ihm jene Melodie aus dem
leHten SaHe der Eroica ein, die Beethoven auch in den Gefchöpfen des
Prometheus und in einer Klaviersonake hatte aufklingen lassen, diese unsagbar
edle Melodie eines verklärten Verzichtes.

Sie begleitete ihn unter sein armes Dach.

(Aus „Kämpfender Quell")

Einer aber . . .

Einer aber muß im Purpur gehen.

Scheue Nebel iverden ihn umgleiten,

Über alle sarbenlauten Zeiten

Mrd deö sernen Blickes Wehmut sehen.

Herbst, du hast in meinen srühen Tagen
(Die Gefährten weilten bei den Spielen)
Schon nach götterweiten TraumeSzielen
Mei'nes Wunsches weißen Schwan getragen!

War mein Blut so trunken deiner Schwere,
Da es kaum die erste Liebe rührte,

Daß sein Wellentrieb mei'n Glück entführte
Von der Stundenlust ins Ungefähre?

War so voll verklungner Blütenlenze
Jch und reif verfchwungner Sonnenwenden,
Daß du mir um meine jungen Lenden
Gürteteft des roten Laubes Kränze?
 
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