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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

DOI Heft:
Heft 3 (Dezemberheft 1929)
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Alverdes, Paul: Bemerkungen zur Buch-Kritik in Deutschland
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0172

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zu beschrerben oder zu erfinden und gegen einander auszuspielen, ist bei uns all-
mählich so landläusig geworden, wie es das saubere oder flokke Zeichnen und das
erlernbare Malen und PasLellieren nach Vorlagen, Modellen und Landschafken
oder ohne welche schon lange isL. Die Folge davon isL eine nachgerade unüber-
sehbare Produkkion vor allem an epischer Prosa, während es mik dem epischen
Vers immerhin noch zu hapern scheink. Das könnke man aus sich beruhen
lassen und dem Geschmack des Publikums dahin verkrauen, daß er auf die
Dauer das Echke schon von dem Gefälschken werde zu unkerscheiden und danüt
den Markk zu reinigen wissen;denn wo es keine Käufer mehr gibk, da wird sehr
bald auch dasAngebok verschwinden. Allein das hieße die Rechnung ohne das
mächtigsLe und gefährlichste Mikkel der neueren Wirkschafk überhaupk, ohnc die
Werbung machen — und sie ist in ihrer gegenwärkigcn Form wo uichk dieAllein-,
so doch gewiß die Haupkschuldige an der skandalösen Verwirrung und Verfäl-
schung aller Bcgriffe und Grenzen bei dem größken Teil der Leserschafk.

Zwar ist es das guke Rechk der Verleger, ihre Ware zu loben und anzupreisen,
denn sie sind Kaufleuke und müssen rechnen und verfahren wie andere Kauf-
leuke auch, und nur die wenigsten von ihnen könuen es sich leisten, zugleich
Mäzenc zu sein. Miemand wird es ihnen also verargen, wenn sie auf dem
Buchumschlag oder in einer Werbeschrisk einen TexL lescn lasseu, der dem Un-
enkschlossenen Lust zu kaufen machen soll. Fndessen blcibk es immer häusiger
nichk bei dem Loben über den grünen Klee, sondern es ergibk sich cin Unkerschied
zwischen der angeblichen und der wirklichen Qualikäk des angepriesenen Wer-
kes, der mik Dummheik, Ungeschmack und Unbildung allciu des Werbekexk-
verfassers schon nichL mehr erklärk werden kann. Einen Kaufmann, der wissenk-
lich oder fahrlässig eine Büchse Sand für eine Büchse Honig anpreist und ver-
kaufk, wird man bestrafen, und der Käufer, der ihm zuvor das corpus clolicti
an den Kopf geworfen hak, wird milde Nichker finden. Wer aber genökigk
ist, oder Gelegenhcik hak, die sogenannken Waschzekkel und die anderen vou den
Berlagcn hergestellken Werbekepte mik dem Znhalk bzw. dcr Dualikäk des
bekresfenden Buches zu vergleichen, wird indesscn zugestehen müssen, öaß hier
in einer erschreckend hohen Überzahl der Fälle auch nichks anderes geschichk als
bewußke oder fahrlässige Täuschung des Publikums; nur ist sein Magen leider
Gokkes zehnmal, nein kausendmal empfindlicher als sein Berstand oder Hcrz,
und so hak denn das Gerichk mik solcheu Sachen eiustweileu wenig Arbeik.
llnd geschk auch, es bekäme sie eines Tages: wenn es sich selber nichk befragen
und seinem eigenen Urkeil nichk verkrauen kann oder will — wem soll cs denn
glauben, auf wen hören, um zu erfinden, ob hier Fahrlässigkeik, Bekrug oder
guker Glaube am Werke waren? Denn das Buch muß crst noch geschrieben
und gedruckk werden, für das heukznkage nichk mik Leichkigkeik ein DuHend vor-
zügliche Rezensiouen in der Tagespresse aufzukreiben wäre.

Ist das zuviel gesagk? Zch muß aus dem Skapel durchgesehener und abge-
legkcr Schwarken vor mir nur eine beliebige und den zugehörigen ProspekL
herausziehen, um mir vom x'jchen Tageblakk, der y'scheu Zeikung und den
z'ker Nachrichken versichern zu lassen, daß hier wenn nichk Goekhe und Kleist,
so doch wenigsteus GoLLfried Keller und Heinrich Heine wieder FleischesgestalL
angenommen hätken, um der deukschen Dichkung auf die Skrümpfe zu helfen.
Korrupkion? BeLLernwirtschafL? Käuflichkeik der Krikik?

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