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Der Kunstwart: Rundschau über alle Gebiete des Schönen ; Monatshefte für Kunst, Literatur und Leben — 43,1.1929-1930

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Heft 3 (Dezemberheft 1929)
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Tierbücher
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https://doi.org/10.11588/diglit.8887#0227

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Tierliebhaber gleich reizvoll, die Hunde in ihrer erstaunlichen Fülle von Rassen und
Temperamenten, bei den Tieren im Zoo ihre Gestalt auf die öenkbar knappeste
Form zu bringen. Die amüsanten Betrachtungen auS der Tierperspektive, die der
Künstler selbst in toitzigen Randkapiteln seinen Bildern beifügt, schasfen trotz ihrer
leichteren Form zusammen mit dem Borwort A. Polgars zum Hundebuch einen
wohltuenden Ausgleich zu der „menschlichen" Haltung LessingS und Eggebrechts ge-
genüber ihren „Mittieren".

Echtes, unreflektiertes Mitfühlen und -leben mit dem Tier spricht aus den Büchern
des indischen Dichters Dhan Gopal Mukerdschi; für den Europäer unfaßlich
nah steht ihm die ganze untermenschliche Kreatur; er kennt das Gesetz des Dschungels
und versteht sein Geheimnis. Jn dem Buch „Kari der Elefant" (192g bei Rütten u.
Loening erschienen) erzählt er die Geschichte seines Elefanten, den er, selbst noch
ein Knabe, wie einen jüngeren Bruder erzieht und von dessen ruhiger Überlegenheit
er oft noch lernt; sie treiben zusammen ihre Spiele mit dem großen Ernst, wie
ihn nur sich selbst überlassene Kinder aufbringen; sie durchwandern die Stadt, wo
sie den Menschen begegnen mit aller Unbefangenheit des Herzens, das keinen Haß
kennt, und durchziehen ebenso den Dschungel, befangen in seinem unvergleichlichen
Zauber. Sie bestehen die Gefahren der Tigerjagd und arbeiten friedlich auf dem
Holzplatz. bis durch böse Menschen das Verhängnis kommt. Zwei betrunkene Ma-
schinisteu haben, um den Elefanten zu necken, ihn mit brennenden Streichhölzern
beworfen und dabei das trockene Laub seines Stalles angezündet, und Kari rast Tod
und Verderben verbreitend zurück in den Dschungel, aus dem er gekommen war.
„So kam es, daß ich meinen Freund und Bruder, den Elefanten, verloren habe.
Obgleich mir Kari, das Tier, verloren ist, gehört doch meine Seele seiner Seele,
und wir werden einander niemals vergessen." Wer das Buch gelesen hat, wird diese
letzten, schlichten Worte als durch und durch wahr empsinden.

Es sei noch hier Mukerdschis „Jugendjahre im Dschungel" erwähnt, obwohl eS
kein ausgesprochenes Tierbuch ist. Seine Sprache ist so einfach und anschaulich, wie
wenn er nur Kindern erzählen wollte, aber seine Berichte lassen auch don Erwach-
senen noch lange der fremdartigen Weisheit des JnderS nachsinnen.

Ein Dichter von gleichem Formate ist der Skandinavier Mikkjel F ö n h u s. Durch
seine Geschichten ziehen die Luft des hohen Nordens und das Dunkel seiner HochlandS-
wälder. Der „Trollelch" (Beck, München) berichtet von der fast magischen Schick-
salöverknüpfung eines Elches mit seinem Jäger. Wie oft kchrt sich dabei die Be-
ziehung des Jägers zu seiner Beute um und er wird selbsi im tieferen Sinn zum
Gejagten, bis fast nach einem ganzen Menschenalter mit dem langsam schwindenden
Leben des ergrauten und halb irren Waldmenschen sich auch das Band, das ihn
an das spukhafte Tier fesselt, langsam zu lösen schemt. Doch da bricht plötzlich
die furchtbare Macht der alten Magie wieder durch und reißt sie noch ein lctztes
Mal zusammen. Hier wächst die Erzählung hinauf zur dichterischen Dision: der
Jäger wird zum Reiter, die Beute zum Reittier, und mit dem ganzen Schauder der
Wilden 2^8^ hetzen sich beide in den Tod. Leider liegt nur noch ein Band Fönhus'
in deutscher Übertragung vor: „Die Wildnis braust", ein Buch aus norwegischem
Wald und Hochmoor (ebenfalls bei Beck).

Eine relativ neue Kategorie von Tierbüchern hat die Phototechnik mit sich gebracht.
Jhre rapide Entwicklung in den letzten Jahren hat die Möglichkcit geschaffen, ein-
zelne Momente von kaum vorstellbarer Bewegung (speziell beim Vogelflug) ,'n
Situationsbildern und Porträts festzuhalten, und hat so der Tierbeobachtung ganz
neue Gebiete erschlossen.

Der vielgenannte Bengt Berg hat mit „Die seltsame Jnsel" (Dietr. Neimer)
die Reihe seiner interessanten Bücher um ein neues vermehrt; diesmal aus der Vo-
gelwelt der Ostsec. Der Text dazu ist ja manchmal etwas langatmig, aber seine

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