man einmal darüber nach, zu wieviel Teilen sich gerade aus solchen
Leuten diejenige Schicht zusammensetzen mag, welche über unsre Kultur-
verhältnisse entscheidet. Der Heimat- und der Naturschutz — mit
welcher Innerlichkeit mögen sie an dem beteiligt sein! Die Fragen, wie
man das Vaterland lieben lehrt, indem man seine Schönheit schon der
Iugend erschließt, — wie nahe mögen sie ihnen gehn! Die Tüchtigung
des Volks, daß es sich durch die Körper- und Seelenarbeit des eignen
Ichs Glückgesühl aus der Welt herausholen kann — wie begreisen
sie das gewiß aus 'der «eigenen Tiefe heraus! Wenn sie Bilder bezahlen,
bestellen, bewundern, kritisieren — welch ein naturkundiges und lebens-
warmes Publikum bilden sie dann! Wenn sie Dichtungen, wenn sie
Tonwerke durch ihren Einfluß in die Moden und aus ihnen bringen
— aus welcher Menge der Naturbeobachtungen, welcher Fülle von
inneren Erregbarkeiten und aus welcherlei Interessen tun sie das!
Ach Himmel ja, unsre Kultur ist bei ihnen in der besten Hand.
Warum reisen wir eigentlich?
Wenn wir diejenigen außer Spiel lassen, die wegen Geschästen
reisen, wie die Kaufleute, oder um der Wissenschaft willen, wie die
Lernenden und die Gelehrten, oder der Gesundheit wegen — so bleibt,
scheint mir, eines gemeinsam: wir reisen, um uns innerlich zu er-
gänzen. Sei's durch ein unmittelbares In-uns-Einfügen von „Er-
reistem", sei's durch ein Anregen, ein Reizen unsres Ichs, wo es ohne
das schlafen oder trotten würde.
Bildung ist ja kein Sich-Linfüttern bloß, Bilden ist ein Verdauen,
Bilden ist ein Formen der leiblichen und seelischen Organe im
Verarbeiten der, mit Verlaub: gegessenen Kenntnisse, Bilden ist ein
Nähren, damit die genährten Organe in ihrer Neubildung künftig
mehr leisten können. Das Alte leichter, also auch vergnüglicher, und
Neues dazu, daß dem ganzen Kerl in uns das Frohgefühl werde:
heißa, du wirst noch stärker, du bist immer noch im Wachsen. Wird
auch den „Haxen" mit deN' Iahren das Steigen saurer, den Hirnen
und tzerzen kann's immer leichter werden.
In der Heimat, mein ich, reist unsereiner, von den eben gestreiften
Fällen abgesehn, darum: daß ihm anschaulicher, gegenwärtiger werde,
was es in ihr zu lieben und was der Liebe wegen zu hassen gibt,
auf daß ihm, so viel nur irgend möglich, statt der Kenntnisse aus be-
drucktem Papier körpergleich zur Seite schreitendes, selbst erfahrenes
Leben werde. Fang mit den Augen und Ohren selber ein, nur das
wird d u. Aber geh auch in andre deutsche Gaue und geh auch ins
Ausland, geh viel hinein! Ohne Pergleichen kein Klären, und wenn
wir schwerlich so gescheit dadurch werden, daß wir den Ausländern
für sie selber zwingende Lehren geben können — unser Heimisches Ab-
schnoddern darüber werden wir verlernen, das so lächerlich die ebenso
üble deutsche Ausland-Nachäfferei „ergänzt^. Wer schöne Völker
kennt, der ist vor der Äberschätzung der Pariser Damen und ihrer
Kostümkunst sicher, denen so viele unsrige samt so vielen tzerrlein nach-
trippeln, als den hohen Führerinnen ins Geschmackland, und wer die
slawischen Balkanvölker aus ihrer Heimat her kannte, der war vor
der Anterschätzung der „Schlawonier" gefeit, die bis zum Kriege ge-
fährlich gang und gäbe war. Daß man soviel wie möglich außerhalb
2 Kunstwart XXVI, G
Leuten diejenige Schicht zusammensetzen mag, welche über unsre Kultur-
verhältnisse entscheidet. Der Heimat- und der Naturschutz — mit
welcher Innerlichkeit mögen sie an dem beteiligt sein! Die Fragen, wie
man das Vaterland lieben lehrt, indem man seine Schönheit schon der
Iugend erschließt, — wie nahe mögen sie ihnen gehn! Die Tüchtigung
des Volks, daß es sich durch die Körper- und Seelenarbeit des eignen
Ichs Glückgesühl aus der Welt herausholen kann — wie begreisen
sie das gewiß aus 'der «eigenen Tiefe heraus! Wenn sie Bilder bezahlen,
bestellen, bewundern, kritisieren — welch ein naturkundiges und lebens-
warmes Publikum bilden sie dann! Wenn sie Dichtungen, wenn sie
Tonwerke durch ihren Einfluß in die Moden und aus ihnen bringen
— aus welcher Menge der Naturbeobachtungen, welcher Fülle von
inneren Erregbarkeiten und aus welcherlei Interessen tun sie das!
Ach Himmel ja, unsre Kultur ist bei ihnen in der besten Hand.
Warum reisen wir eigentlich?
Wenn wir diejenigen außer Spiel lassen, die wegen Geschästen
reisen, wie die Kaufleute, oder um der Wissenschaft willen, wie die
Lernenden und die Gelehrten, oder der Gesundheit wegen — so bleibt,
scheint mir, eines gemeinsam: wir reisen, um uns innerlich zu er-
gänzen. Sei's durch ein unmittelbares In-uns-Einfügen von „Er-
reistem", sei's durch ein Anregen, ein Reizen unsres Ichs, wo es ohne
das schlafen oder trotten würde.
Bildung ist ja kein Sich-Linfüttern bloß, Bilden ist ein Verdauen,
Bilden ist ein Formen der leiblichen und seelischen Organe im
Verarbeiten der, mit Verlaub: gegessenen Kenntnisse, Bilden ist ein
Nähren, damit die genährten Organe in ihrer Neubildung künftig
mehr leisten können. Das Alte leichter, also auch vergnüglicher, und
Neues dazu, daß dem ganzen Kerl in uns das Frohgefühl werde:
heißa, du wirst noch stärker, du bist immer noch im Wachsen. Wird
auch den „Haxen" mit deN' Iahren das Steigen saurer, den Hirnen
und tzerzen kann's immer leichter werden.
In der Heimat, mein ich, reist unsereiner, von den eben gestreiften
Fällen abgesehn, darum: daß ihm anschaulicher, gegenwärtiger werde,
was es in ihr zu lieben und was der Liebe wegen zu hassen gibt,
auf daß ihm, so viel nur irgend möglich, statt der Kenntnisse aus be-
drucktem Papier körpergleich zur Seite schreitendes, selbst erfahrenes
Leben werde. Fang mit den Augen und Ohren selber ein, nur das
wird d u. Aber geh auch in andre deutsche Gaue und geh auch ins
Ausland, geh viel hinein! Ohne Pergleichen kein Klären, und wenn
wir schwerlich so gescheit dadurch werden, daß wir den Ausländern
für sie selber zwingende Lehren geben können — unser Heimisches Ab-
schnoddern darüber werden wir verlernen, das so lächerlich die ebenso
üble deutsche Ausland-Nachäfferei „ergänzt^. Wer schöne Völker
kennt, der ist vor der Äberschätzung der Pariser Damen und ihrer
Kostümkunst sicher, denen so viele unsrige samt so vielen tzerrlein nach-
trippeln, als den hohen Führerinnen ins Geschmackland, und wer die
slawischen Balkanvölker aus ihrer Heimat her kannte, der war vor
der Anterschätzung der „Schlawonier" gefeit, die bis zum Kriege ge-
fährlich gang und gäbe war. Daß man soviel wie möglich außerhalb
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