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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

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Heft 23 (1. Septemberheft 1923)
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Unsre Bilder und Noten
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0487

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Unsre Bilder und Noten

as alte Genrebild damals „hochbeliebter" Art erzählte irgend etwas,
wozn man sagte: nein, wie komisch!, oder: nein, wie gemütvoll! —
aber das neue Künstlergeschlecht sagte dazu: nein, wie literarisch!
und schob das alte Genrcbild von seinem Großmutterstuhl in den Kunst-
vereinen herab. Selbst der Name „Genrebild" ward nun verpönt — ob-
gleich sogar manche Bilder von Uhde dem Gehalt nach gute Genrebilder
sind. „Gute", will sagen: solche, die dem Auge sagten, was sich dem
Ohre nicht sagen ließ — denn da liegt doch wohl das einzige Kriterium
aller künstlerischen „Berechtigungen": was sich aus irgendeine Weise a m
besten mitteilen läßt, dessen Mitteilung gehört dorthin. Unser Tiesdrnck
nach Karl Wentorf zeigt die feinen malerischen Werte auch, die in
der dänischen Malerei so vornehm gepflegt werden, aber er vermittelt
darüber hinaus Werte seelischer Lharakteristik, die sich auch nur durchs
Auge weitergeben lassen. Sie liegen im Wesen und im Verhältnis der
zwei Menschen nnd des Menschleins hier. Geistiger Mittelpunkt ist das
Kind, zu dem der Herr freundlich und väterlich und doch schon wie zu
einer kleinen Dame spricht, während das Gesicht zwischen seinen Haar-
schnecken ebenso freundlich, und sehr ums Verstehen bemüht, zuhört. Vor-
trefflich das räumende Mädchen mit seiner diskreten Teilnahme. Zum
Behagen an der Kunst kommt das Behagen am Stoff — aber heute pre-
digt wohl keiner mehr, daß dies „verboten" sei.

Das „Bauernhaus in Wiedensahl" von Wilhelm Busch, das wir
farbig geben, ist im neuen Busch-Album in größerem Formate zu finden —
wir bringen's gleich dem Bauernmädel vor unserm Reiseheft in Ergänzung
der andern Busch-Sachen. Es ist um s860 gemalt und zeigt gleich dem
Brannenburger Dirndl Busch den Maler von der Seite, von der er uns
eigentlich lieber ist, als von seiner auffälligsten. Nicht als doch etwas ge-
waltsamen Stilisierer des Kolorits, der alles auf ein paar überstarke
Farben zwingt, sondern als liebevollen Nachfühler der farbigen Reich-
heiten in der Natur.

Von den s6 Seiten mit Zeichnungen und Holzschnitten nach
Busch wird in einem Rundschaubeitrage gesprochen.

Der bunte zweiseitige Plan des öffentlichen Lebens der
Stadt Leipzig gehört zu dem Aufsatz von Gustav Langen, dem wissen-
schaftlichen Leiter der Städtebau-Abteilung auf der Leipziger Ausstellung.
^x>as Lied des jungen Münchners Hellmut Kellermann, das wir
-^in diesem Heft nach der Handschrift veröffentlichen, gibt ein schönes
Gedicht Verhaerens in schmiegsamer, ganz vom Innenleben der Worte
bestimmter Vertonung. Fern allem harmonischen Klügeln spricht die
Musik hier die Sprache der Poesie, mit einer weiten, strömenden Leiden-
schaft sie beflügelnd, befreiend, erweiternd. In großen ernsten Melodien
kündigt sich die Stille des Einsamen in der Natur an, volle Klänge
schaffen ein inneres Gewicht. Erst auf dem leidenschaftlichen „und weiß
dich Lüge —" kündigt sich bewegteres Innenleben, Zweifeln, Schwanken,
Gedankenweben an, wie es die folgenden Zeilen beherrscht, wo immer
neue Formen der „Begleitung" zu den bitteren Worten des unerlösten
Sehnsüchtigen die seelische Zerrissenheit austönen. Auf die nachdrückliche

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Kunstwart XXVI, 25
 
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