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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

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Heft 24 (2. Septemberheft 1913)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0568

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(Aus dem Lagebuch)

^Hsklte Leute, nrit denen die Iugend gerne verkehren mag, werden dies
^'stets mit herzlicher Liebe und Warmem Danke erwidern, denn das
Alter hat nicht selten von der Iugend mehr zu lernen als die Iugend
vom Alter.

Stille sein ist ein großes Glück, eine große Gnade. Wenn die Asfekte
weichen, dann wird alles eben und der Geist Gottes schwebt auf der
ruhigen Fläche.

Herrschaft über Empfindungen und Launen macht den sittlichen
Menschen.

Wer nicht Kraft hat zum Entsagen, der hat auch nicht Kraft zum
Genießen.

Sorgen und Kummer sind ein Berg, der auf der See liegt, und den
die Zeit nach und nach abträgt. Die Zeit leidet keinen fortwährenden
Schmerz, drum duldet sie auch kein dauerndes Glück.

Ach, ein tzerz, das lieben kann, dem wird es nie fehlen, in der weiten,
reichen Welt an einem Gegenstande, welchem es sein Leben liebend hin-
geben und durch die Hingabe die Vervollständigung der eigenen Natur
erringen kann: die Vollendung, welche der Mensch nur im Menschen zu
erreichen vermag. Was Liebe gibt, das gewinnt sie zehnfach und wächst
und wächst bis in die Anendlichkeit hinein, wo Schöpfer und Geschöpf in
einem einzigen Gedanken zusammenfallen und wir mit einem liebenden
Blick die ganze Welt umsassen.

Die Schmerzen sind Lebensgut, aber sowohl und ost noch besser als die
Freude; wenn wir den geistigen Inhalt nicht aus jeder der vorüber-
fliehenden Stunden zu ziehen und als errungenes Vermögen zu be-
wahren vermöchten: was wäre dann unfer Dasein?

Vom Zeute fürs Morgen

Jakob Grimm

^v^enn wir jetzt Iakob Grimms
-vvgedenken, der am 20. Septem-
ber (863 starb, so treibt uns dazu,
was wir ganz nüchtern so ausdrük-
ken wollen: wir möchten, daß recht
viele dissen Mann recht lieb haben.
Aicht nur die Märchen, die er zu-
sammen mit seinem Bruder Wil-
helm herausgab, auch eine Auswahl
aus seinen Schriften sollte jeder von
uns auf dem Bücherbrett haben und
fleißig benutzen, auch zum Vorlesen
für die Seinen.

Iakob Grimm war viel mehr als
ein „großer Gelehrter", als der „Be-
gründer der Germanistik". Daß er,
der tüchtige, von Savigny geschätzte

Iurist, just diese Wissenschast be-
gründete und in welcher Weise er
es tat, das ist nur ein Ergebnis
der Kräfte, deren Gefamt ergebnis
eben feine Persönlichkeit ist.
And der gegenüber kann man wirk-
lich von „Vorbildlichkeit" sprechen,
ohne sich einer Phrase schuldig zu
machen.

Bei ihm waltet, und damit kom-
men wir wohl der Bezeichnung sei-
nes Wesens am nächsten, auch in
den feinsten Verzweigungen des
Denkens eine ursprüngliche, stille,
starke Volkskraft. Wie Ludwig
Aichters Bilder trotz aller Besonder-
heiten doch etwas in sich haben, das
wir als typisch für unser Volk emp-

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