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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

DOI Heft:
Heft 24 (2. Septemberheft 1913)
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Rath, Willy: Emporkömmling Kino
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Wantoch, Hans: "Anekdoten-Malerei"
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0537

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einenr einfachen Wenschen steckt. Beides, Vernunft--Urteil und Ge--
schmacks-Arteil, kann bis zu einem gewissen Grade geschult, verfeinert
werden, auch durch die Lichtspiele selbst, hosfentlich — wenn die
Inhaber erst selber Hinreichend geschult, verseinert sind. Im übrigen
aber ist es klar: dem ursprünglichen Lebenshunger der Angebildet--
Anverbildeten dienen diejenigen Lebensabbilder am ehesten zur Be--
sriedigung, die das Anbekannte (ausnahmeweise auch kühne, neue Va--
riationen des wohlvertrauten Lebens) auf die zugleich spannendste
und keichtestverständliche Weise darbieten.

Also: eine primitive Sehnsucht, die tief in der Lebenslage des pri--
mitiven Menschen wurzelt und folglich berechtigt ist, die nicht auf
fchlechtem, sondern auf reinem allgemeinmenschlichem Triebleben be-
ruht und auf feelische Bereicherung ausgeht. Wer demnach der brei--
testen Masse überfLinerte, schwerverständliche Schaustücke bieten würde,
die sie nicht in sich aufzunehmen vermag, der gäbe den Hungernden
wohl statt des Brotes schöne Steine, die ihnen in dem derzeitigen
Lebenszustand nichts helfen könnten. Wer aber aus Erwerbsgier den
Anberatenen, die in ihrer redlichen Sehnsucht vertrauensvoll nahen,
nur Befriedigung der dunklen Tier--Fnstinkte oder lächerliche Lügen
gewährt, wer allen guten Drang der einfachen Mitmenschenseele un--
berücksichtigt läßt und lediglich das Niedere in ihr gewaltfam zu
kräftigen sucht, der gibt den Hungernden giftiges Brot.

Die einzige Entschuldigung derjenigen, die das begehen, der ge--
werbsmLßigen Hersteller und Verschleißer wüsten Schundes, liegt darin,
daß sie (ungeachtet aller Pfiffigkeit) zumeist nicht wissen, was sie
tun. Wüßten sie es, sie müßten zusammenbrechen unter der Äberlast
der Verantwortung. Aber sie spüren nur, daß die Masse derbe
Kost begehrt und daß schlechte, überwürzte Kost am bequemsten und
wohlfeilsten zurechtzumachen geht. Sie ahnen kaum, daß auch leb-
hast bewegte, stark spannende Lebensbilder mit Geschmack und ohne
Verlogenheit zu schaffen find. Oder wittern sie, daß dazu sreilich
die Arbeit berufener Könner gehört, eine Arbeit und ein Können,
die ohne eine gewisse ungeschäftsmännische Liebe zur Sache nicht
recht denkbar sind?

Doch, um den Abschnitt mit freundlicherem Ausblick zu schließen,
sei es nochmals vermerkt: heut gibt es schon eine Reihe von Kino-
dramen und Kinos, die deutlich ein Ahnen und zuweilen sogar
schon ein Erfassen des Besseren erkennen lasfen. And das Publikum
versagt nicht. Emporkömmling Kino mausert sich fachte, sachte zum

ehrengeachteten Bürger. Kostet bloß noch ein Stück Arbeit.

Willy Nath

^Anekdoten-Malerei"

^^n programmatischer Bewußtheit oder fchöpferischer Anbewußtheit
^^war die Entwicklung der Malerei nach (850 eine Äberwindung
^Fder literarischen Malerei. Der Naturalismus Eourbets und seiner
deutschen Gefolgschaft, wie der französische und germanische Impressio-
nismus entstanden als Gegenbild der novellistischen Malkunst. Man
fchwor sich von her akademischen Äberlieferung los und wollte das
lebendige, nicht arrangierte Leben zur Darstellung bringen. Der

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Kunstwart XXVI, 2^
 
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