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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

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Heft 19 (1. Juliheft 1913)
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Lose Blätter
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Vom Heute fürs Morgen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0067

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sogen sich Kraft und Wahrheit aus dem tausendfältigen Tod und Ver--
achtung aus dem Schrecklichen. Was galt denn das Leben? War es
nicht tausendmal schöner, es für eine Idee wegzuwerfen, als in seiner
Umklammerung brünstig zu vertieren und geistig zu verhungern? Heilig
ist der Krieg! Er erlöst vom Leben. — Und sein Unglück? Es war
das Mariannes. Sie war sein Iugendtraum. Aber war das nicht längst
ausgeträumt? Er hatte keine Zeit mehr, Gefühle und Wünsche zu pflegen.
Gewiß, er liebte sie noch. Sonst hätte ihn wohl Konstanze mit empor-
gerissen zu einem höheren Schwung der Seelen — zu einem stolzeren
Bejahen des Lebens. Nun sann er über den stillen, kleinen Tälern, in
denen seiner Liebsten Seele sich ihr Nestchen baute, und wollte sich für
diesen Frieden, wenn es sein mußte, zum Opfer bringen. Auch wenn
das Glück von ihr selbst nicht gekostet werden sollte. Die Idee war es,
die sie ihm geheiligt, für die sie ihn zum Kampfe geweiht hatte durch
ihre Liebe. Was galt ein Leben demgegenüber? Und was der Tod?

Und wie Ehristian so träumte, überkam es ihn wie eine Vision.

Wieder ging er über den Neumarkt durch die Opfer des Krieges hin.
Konstanzes Hand lag auf seinem Llrm» und vor ihnen durch die Reihen
schritt eine weiße Gestalt — um das Haupt eine milde Glorie — er, der
vom Leben erlöst.

Vom Aeute fürs Morgen

Hinter der Bewegung

x^inmal kehrte ich in einem Kloster
^ein. Winter war's. Man führte
mich durch lange Gänge. An einem
Fenster blieb ich stehen und sah
hinunter in den Hof. Weiß blinkte
es herauf vom Schnee, und in der
Mitte glänzte spiegelblankes Eis.
So blau das Eis, so weiß der
Schnee, so düsterstill die Kloster-
gänge. . .

Da flitzte drunten ein Schlitt-
schuhläufer um die Ecke. Ein zwei-
ter und ein dritter, immer mehr
und mehr — eine lange schwarze
Kette zog Spiralen übers Eis, und
ihre langen Klosterkleider flatterten
und wehten. Denn es waren junge
Mönche.

Ietzt haschten sie einander. Flinke
Kreise zogen ihre tief versteckten
Füße. Wie schwarze Stäbchen krei-
sten sie durch Pavillons aus Schnee,
von Mönchshänden aufgebaut. And
jetzt — Gelächter? Ia, die jungen
Mönche lachten. Leise gaben des

Fensters geschlossene Scheiben dieses
Klosterlachen weiter an mein Ohr.

Nun war es gar ein schwarzes
Knäuel auf dem blanken Eise hin-
ter weißem Schnee — nun löste
sich dies Knäuel wieder — nun
wiegten sich die schwarzen Stäb-
chen — schief standen sie nach rechts

— schief standen sie nach links —
glitten schneller — auf wirbelten
die Soutanen wieder — die Hände
griffen an die Hüften — jetzt stol-
perte ein Klosterbruder — am Bo-
den lag er — Schlittschuh, Schuhe,
Strümpfe, zerfältelte Soutane —
welch ein Anblick . . .

Die Klosterpforte lag schon eine
Strecke hinter uns, und mein Reise-
kamerad und ich, wir schritten
schweigend über das Gebirge. Plötz-
lich sagte er:

„Diese Klosterbrüder auf dem Eise

— hast du nicht gesehen — wie
komisch war das alles, ach» wie ko-
misch —gar, wie der eine hinfiel..."
Er lachte. Aber sein Lachen prallte

tz Iuliheft W3
 
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