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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

DOI Heft:
Heft 19 (1. Juliheft 1913)
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Avenarius, Ferdinand: Reisen
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0017

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Iahrg.26 Erstes Iuliheft 1913 Hest 19

Reise»

ls i.ch, noch ein junger Gesell, auf den Epomeo von Ischia stteg,

traf rch unterwegs ern paar deutsche Studenten. Droben las rch

^^dann berm „Eremiten" rhre Namen im Fremdenbuch, zwer dieser
Herren „bekleiden" jetzt hohe Ämter in höchst angesehenen sozialen
Stellungen. Äber den Namen stand: „Hier klopften die Unterzeichneten
einen urgermanischen Männerskat." Draußen ein Paradies, wenn
nur eine irdische Landschaft ein Paradies genannt werden kann. And
die Vertreter deutscher Bildung in Iugendkraft setzten sich beim herr-
lichsten Wetter in die Bude, klopften Skat und waren stolz darauf.

Kürzlich erzählte ein Berichterstatter aus Skutari davon, wie über-
reich an tiefschneidenden Eindrücken für den Beobachter jede Stunde
gewesen sei. Trotzdem gab es Zeitungsleute, die schlenderten gähnend
nur zwischen Gasthaus und Postamt oder spielten in der Kaffeewirt-
schaft Domino. Nicht wahr, jeder von uns kennt einen dieser Leute?
Oder wenigstens seinen Bruder im Geist.

Es mögen sogar Dichter unter ihnen gewesen sein. Einer, der einen
an Ansehen ziemlich umfänglichen Namen hat, fragte mal in Göhren,
wie weit es bis auf die Höhe da sei, von der man doch das ganze
Mönchgut mit all seinem Spiel von Wäldern, Hügeln und Buchten
schön überblicken müsse? „Fünf bis zehn Minuten.^ Er war erst drei
Wochen da, aber er 'hat bis zu seiner Abreise die zehn Minuten nicht
gefunden. Dieweil sie bergauf lagen.

Mit den See - Mo d e bädern ist das so: „ich bin zum Erholen
da/' sagt dir der Mann aus Großstadt W., wenn du wähnst, er würde
mal spazieren gehn und vielleicht dabei auch mal sehen wollen. In
dem zu Großstadt W. gehörigen Bahnhof überspeist sich, scheint's, diese
Riesenschlange, der Zug, an gemästeten oder ästhetisch gedörrten Herren
und Damen, aber nun ruht sie nicht, wie die Genossen im Zoologischen,
sondern sie raset davon und gibt das dann an einem Badestrand wieder
von sich. Dort liegt es beisammen, kollert unter sich herum, ißt, klatscht,
schmust, girrt, meckert, behauptet sich vortrefflich zu amüsieren, und
wird am Schlusse wieder vom Zuge eingesogen und daheim ausgetan.
Zehn Minuten weit von dem betreffenden Erholungsplatze bleibt es,
gottlob, leer.

Diese Herrschaften machen auch Alpenreisen. Alpen haben das Pein-
liche, daß es da auf und ab geht. Wo Bergbahnen dem begegnen,
führen sie in ein Hotel, so daß man „die Lhose riskieren kann^. Die
nüchtern scharfe Fernsicht draußen hat sich während der Auffahrt
mit Licht- und Schattenschleiern umhüllt, in denen Gewitterkampf-
heere lauern, während dort eines weißen Schneegiganten Rüstung
glitzert, dort ein schwarzes Haupt-Ungeheuer droht. Ein Urweltleben,
jeden Augenblick anders und jeden erhabeu-schön. „Na, komm man rin,
's Wetter wird ja nu doch schlecht... Ober!^

Ich brauche diese „Kreise" nicht weiter zu schildern. Aber eines
würde ich gern erbitten: hat man das etwa noch nicht getan, so denke

s. Iuliheft M3 l
 
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