Lose Blätter
Aus Niearda Huchs „Großem Krieg"
(Aus der Zugend Kaiser Ferdinands II.)
>^-^^.ährend der junge Erzherzog Ferdinand von Steiermark zu Ingol-
H ^stadt studierte, begab es sich an einem Festtage, daß er später als
gewöhnlich znr Messe in die Kirche kam und den vorderen Stuhl,
den er sonst inne Hatte, von seinem Vetter Maximilian, dem Sohne ^
des Herzogs von Bayern, besetzt fand. Indem er diesen mit freundlichem i
Anlachen begrüßte, blieb er wartend vor ihm stehen, und da Maximilian
nicht Miene machte, ihm den Platz zu nberlassen, forderte er ihn leichten
Tones dazu auf. Er wisse nicht, daß das Ferdinands Stuhl sei, ant-- !
wortete Maximilian zögernd nnd kühl; daß er ihn bisher gehabt hätte,
hindere nicht, daß heute er, Maximilian, ihn behalte, da er ihm ein-
mal zuvorgekommen sei. „Mein Platz ist es," entgegnete Ferdinand, „weil
er als der vordere meinem Range gebührt, und lege ich anch als Freund
und Vetter keinen Wert darauf, so bin ich es doch seit dem Lode meines
Vaters meiner Würde schuldig, darauf zu bestehen."
Hätte er gewußt, sagte Maximilian, daß Ferdinand es so auffaßte,
würde er ihm den Stuhl vorher nicht immer überlassen haben, was nur
aus dem Grunde geschehen sei, weil er sich an der bayrischen Landes-
universität dem steiermärkischen Vetter gegenüber als Wirt gefühlt habe;
nun werde ihm seine Höflichkeit als Unterwürfigkeit ausgelegt. Ein
Herzog von Bahern sei so viel wie ein Erzherzog von Steiermark, !
vorzüglich auf bayrischem Gebiet, wo keinem Erzherzoge auch nur so
viel wie eine Scheune oder ein Heustock gehöre.
Das könne man nicht wissen, entgegnete Ferdinand und lächelte; !
er gehöre zur kaiserlichen Familie und könne noch einmal Kaiser werden,
wenn es Gott gefällig fei.
Der ältere Vetter, der, gerade gewachsen und sich steif haltend, auf den j
vor ihm stehenden, ein wenig schlotterigen Steiermärker herabzusehen
schien, errötete vor Arger, blieb aber kalt und sagte: „Ich etwa nicht?
Es gibt kein Gesetz in der Güldenen Bulle, daß nicht auch ein Bayer
zum Kaiser könnte erwählt werden."
Die beiden Hofmeister, die bisher vergeblich dem Wortwechsel zu steuern
versucht hatten, drangen nunmehr durch, der bayrische, indem er Maxi- >
milian flüsternd an den Befehl seines Vaters erinnerte, stets höflich !
gegen Ferdinand zu sein und auf alle Fälle in gutem Vernehmen mit
ihm zu bleiben, während der steiermärkische Ferdinand mit dem Zorn
seiner Mutter schreckte, die ihm streng befohlen hatte, dem Herzog von
Bayern, ihrem Bruder, wie einem Vater zu gehorchen und Maximilian
wie einen älteren Bruder zu respektieren. Der Gedanke daran, daß
seine Mutter schon mehrmals gedroht hatte, ihn von Ingolstadt fort--
zunehmen, wie es der Kaiser und dessen Brüder, Ferdinands Oheime,
wünschten, schlug seinen Hochmut nieder, und er verstand sich dazu,
Maximilian zu bitten, er möge ihm den Stuhl, abgesehen von der
Rangfrage, aus vetterlicher Freundschaft überlassen, weil er sich an ihn
gewöhnt habe. Maximilian gab mit kühler Herablassung, aber im Grunde
352 Kunstwart XXVI, 23
Aus Niearda Huchs „Großem Krieg"
(Aus der Zugend Kaiser Ferdinands II.)
>^-^^.ährend der junge Erzherzog Ferdinand von Steiermark zu Ingol-
H ^stadt studierte, begab es sich an einem Festtage, daß er später als
gewöhnlich znr Messe in die Kirche kam und den vorderen Stuhl,
den er sonst inne Hatte, von seinem Vetter Maximilian, dem Sohne ^
des Herzogs von Bayern, besetzt fand. Indem er diesen mit freundlichem i
Anlachen begrüßte, blieb er wartend vor ihm stehen, und da Maximilian
nicht Miene machte, ihm den Platz zu nberlassen, forderte er ihn leichten
Tones dazu auf. Er wisse nicht, daß das Ferdinands Stuhl sei, ant-- !
wortete Maximilian zögernd nnd kühl; daß er ihn bisher gehabt hätte,
hindere nicht, daß heute er, Maximilian, ihn behalte, da er ihm ein-
mal zuvorgekommen sei. „Mein Platz ist es," entgegnete Ferdinand, „weil
er als der vordere meinem Range gebührt, und lege ich anch als Freund
und Vetter keinen Wert darauf, so bin ich es doch seit dem Lode meines
Vaters meiner Würde schuldig, darauf zu bestehen."
Hätte er gewußt, sagte Maximilian, daß Ferdinand es so auffaßte,
würde er ihm den Stuhl vorher nicht immer überlassen haben, was nur
aus dem Grunde geschehen sei, weil er sich an der bayrischen Landes-
universität dem steiermärkischen Vetter gegenüber als Wirt gefühlt habe;
nun werde ihm seine Höflichkeit als Unterwürfigkeit ausgelegt. Ein
Herzog von Bahern sei so viel wie ein Erzherzog von Steiermark, !
vorzüglich auf bayrischem Gebiet, wo keinem Erzherzoge auch nur so
viel wie eine Scheune oder ein Heustock gehöre.
Das könne man nicht wissen, entgegnete Ferdinand und lächelte; !
er gehöre zur kaiserlichen Familie und könne noch einmal Kaiser werden,
wenn es Gott gefällig fei.
Der ältere Vetter, der, gerade gewachsen und sich steif haltend, auf den j
vor ihm stehenden, ein wenig schlotterigen Steiermärker herabzusehen
schien, errötete vor Arger, blieb aber kalt und sagte: „Ich etwa nicht?
Es gibt kein Gesetz in der Güldenen Bulle, daß nicht auch ein Bayer
zum Kaiser könnte erwählt werden."
Die beiden Hofmeister, die bisher vergeblich dem Wortwechsel zu steuern
versucht hatten, drangen nunmehr durch, der bayrische, indem er Maxi- >
milian flüsternd an den Befehl seines Vaters erinnerte, stets höflich !
gegen Ferdinand zu sein und auf alle Fälle in gutem Vernehmen mit
ihm zu bleiben, während der steiermärkische Ferdinand mit dem Zorn
seiner Mutter schreckte, die ihm streng befohlen hatte, dem Herzog von
Bayern, ihrem Bruder, wie einem Vater zu gehorchen und Maximilian
wie einen älteren Bruder zu respektieren. Der Gedanke daran, daß
seine Mutter schon mehrmals gedroht hatte, ihn von Ingolstadt fort--
zunehmen, wie es der Kaiser und dessen Brüder, Ferdinands Oheime,
wünschten, schlug seinen Hochmut nieder, und er verstand sich dazu,
Maximilian zu bitten, er möge ihm den Stuhl, abgesehen von der
Rangfrage, aus vetterlicher Freundschaft überlassen, weil er sich an ihn
gewöhnt habe. Maximilian gab mit kühler Herablassung, aber im Grunde
352 Kunstwart XXVI, 23