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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1923)
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Avenarius, Ferdinand: Worauf warten die Fürsten?
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0411

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Iahrg. 26 Erstes Septernberheft 1913 tzeft 23

Worauf warten die Fürsten?

^^^eim Reden und Schreiben über die Deckung der neuen Heeres-
^»Evorlage ist auch von der Pflicht oder Nichtpflicht der Fürsten,
Reiche zu steuern, sehr viel die Rede gewesen. Eine Pflicht
besteht nicht, erklärten die einen, sie bestehe wohl, die andern. Kein
Sozialdernokrat und kein Fortschrittler, sondern der Staatsrechtlehrer
an der Berliner Universität, Geheimrat Anschütz, nannte die Be--
hauptungen, daß Fürsten anch im Reich steuerfrei zu bleiben hätten,
„seltsame Begriffe", die nicht einmal der Gedankenwelt des aufge-
klärten Absolutismus, die dem „ganz massiven Despotismus" mit dem
,,1'Ltat o'sLt moi" entsprungen seien. Die Finanzgewalt des Reichs
ergreife „alle Personen und Güter innerhalb des Reichsgebietes,
auch diejenigen, welche nach Landesstaatsrecht dem Besteuerungs-
recht der Einzelstaaten nicht unterworfen sind". Anschütz ermahnte
den Reichstag dringend, ein besserer Anwalt des modernen Staats-
und Reichsgedankens zu sein, als die Reichsregierung selber. Den--
noch ließ man bekanntlich im Parlament bei der endgültigen Ent--
scheidung auf einen dringenden Anruf der Reichsregierung hin die
Frage fallen, um das Gesetz nicht zu gefährden. Freiwillig, so wurde
immer wieder betont, das verstehe sich ja von selber, freiwillig bei--
steuern würden die Fürsten.

Line Erklärung, in welcher Höhe sie das tun wollen, ist seitdem
noch nicht erfolgt. Uns scheint, sie sollte bald kommen.

Die Spöttereien über den etwaigen Hosenknopf usw. wirken als
erregende Beleidigungen nicht nur bei den Fürsten selbst, sondern
auch bei denen allen, für die das Gottesgnadentum eine überzeugt
geglaubte Vorstellung und deshalb ein Quell warmer und lebendiger
Gefühle ist. Dazu kommt, daß schon rein psychologisch jeder geneigt
ist, Rechte, die er stets genossen hat, als bestbegründete natürliche
Rechte anzusehn. Ganz abgesehen also vom Opferbringen, vom Geld-
hergeben: der Wunsch nach Verzicht auf Steuerfreiheit verlangt von
den Fürsten eine sehr starke Anstrengung des erkennenden Intellekts,
um die Schutzgedanken des gewohnten Zustandes zu überwinden, und
in geringerem Maße muß es allen so gehn, die man als Gefühls--
monarchisten bezeichnen könnte. Das geben wir bereitwillig zu, wenn
wir das Zögern der Fürsten beurteilen. Aber es ändert schwerlich
etwas daran, daß der Verzicht aus Steuerfreiheit zum mindesten beim
Reich dringend im Interesse der monarchischen Parteien, dringend
auch in dem der in Deutschland regierenden Dynastien selber liegt.
Wir wissen nicht, ob die Ratgeber unsrer Fürsten ihnen das mit
dem nötigen Ernste klargelegt haben, aber wir glauben: taten sie
das nicht, so haben sie eine Pflicht gegen ihre Monarchen versäumt.

Wie man die Agitation gegen unsre Fürsten betreibt, davon zeugt
nicht nur der Hosenknopf-Witz, der doch nur dann berechtigt wäre,
wenn die Fürsten die Bewilligung eines überkleinen Beitrags schon
erklärt hätten, wir wissen aber über die Höhe ihrer Veiträge noch

1. Septernberheft W3 32t
 
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