feinen Menschenkenner gestellt. Der
Lhersites des Honrer, der die Kö--
nige tadelt, ist eine stehende Figur
aller Zeiten. Schläge, das heißt
Prügel nrit einem soliden Stabe,
bekommt er zwar nicht zu allen
Zeiten, wie in den homerischen,
aber sein Neid, seine Eigensinnig--
keit ist der Pfahl, den er im Fleische
trägt, und der unsterbliche Wurm,
der ihn nagt, ist die Qual, daß
seine vortrefflichen Absichten und
Tadeleien in der Welt doch ganz
erfolglos bleiben. Man kann auch
eine Schadenfreude am Schicksal
des Thersitismus haben. Hegel
Unsre Bilder und Noten
«^^nsre Bilder bringen heute zunächst drei Beispiele für verschiedene
^ I Weisen, Landschaften zu sehn. Alle drei Bilder sind scheinbar
^^Ausschnitte aus der Natur, und alle drei sind in Wahrheit keine.
Unser erstes Blatt gibt ein Bild von Karl Mediz wieder: einen
von Alpenrosen übersponnenen Felsschroffen mit einem mächtigen Glet-
scher als Hintergrund. Man betrachte das Bild lange — so schul-
meisterlich die neuerliche Wiederholung unsrer so oft wiederholten Bitte
klingt, hier ist sie gewiß am Platz. Denn hier ist heutigentages unge-
wohnte Kunst; wer unser Bild auf die heute bevorzugten, heute in
allen Ausstellungen gezeigten und also schnell gegenwärtigen Werte hin
ansieht, der findet diese Kunst überhaupt nicht. Vor unserm Steindruck
empfiehlt es sich, die Augenhöhe eines Menschen zu suchen, der im
Vordergrunde zwischen den Alpenrosen steht, und dann solange aufs
Blatt zu sehen, bis sich im Lindruck der Felsrand an der Spitze von der
Luft vor dem Gletscher löst. Der tritt dann weit, weit zurück, und wächst
zu seiner ganzen Urweltmajestät. Nun erst „hat" man das Bild, „hat"
man, was der Maler vermitteln wollte.
Von Medizens Eisgedicht zu dem Erzgebirgsbilde von Lrich Buch-
w a l d - Zinnwald ist es künstlerisch so weit, wie von überwältigender
Gipfel-Erhabenheit zu der sich zurückhaltenden Schönheit der deutschen
Mittelgebirge. Der Name Lrich Buchwald hat schnell unter den Malern
guten Klang gewonnen, denn der junge Künstler ist schon jetzt einer der
bestgeachteten Erfasser des Lichts. Es ist für den Kenner des Erz-
gebirges eine erstaunliche Echtheit auf seinen Bildern, und doch hat
Buchwald eine besonders silberige Zartheit und „Delikatesse", die ihn
sofort als einen Ligenen erkennen läßt. Er ist gänzlich ohne Pose und
von einer keuschen Bescheidenheit in der Wahl seiner Stoffe. Ls gibt
keinen Intimeren unter unsern Landschaftsmalern.
Wieder ein ganz anderer ist Edmund Steppes. Er geht nicht
wie Buchwald darauf aus, mit dem Nachgehen der Liebe die stille
Schönheit im Bescheidenen zu suchen, zu finden und bittend herauszu-
locken, daß sie zum Liebenden lächle. Sondern in seiner Phantasie singt
es und schwingt es, und wenn er gestaltet, so singt und schwingt ihm
die Landschaft seine inneren Melodien mit. Es ist ein Iubel: „der Früh-
ling naht" in diesen Stämmen und Stämmchen, leise, aber eindringlich,
wie gemalte Lyrik. Irgendwo hört man Lerchen droben und drunten
Amseln und Finken.
tz Augusthest M3
239
Lhersites des Honrer, der die Kö--
nige tadelt, ist eine stehende Figur
aller Zeiten. Schläge, das heißt
Prügel nrit einem soliden Stabe,
bekommt er zwar nicht zu allen
Zeiten, wie in den homerischen,
aber sein Neid, seine Eigensinnig--
keit ist der Pfahl, den er im Fleische
trägt, und der unsterbliche Wurm,
der ihn nagt, ist die Qual, daß
seine vortrefflichen Absichten und
Tadeleien in der Welt doch ganz
erfolglos bleiben. Man kann auch
eine Schadenfreude am Schicksal
des Thersitismus haben. Hegel
Unsre Bilder und Noten
«^^nsre Bilder bringen heute zunächst drei Beispiele für verschiedene
^ I Weisen, Landschaften zu sehn. Alle drei Bilder sind scheinbar
^^Ausschnitte aus der Natur, und alle drei sind in Wahrheit keine.
Unser erstes Blatt gibt ein Bild von Karl Mediz wieder: einen
von Alpenrosen übersponnenen Felsschroffen mit einem mächtigen Glet-
scher als Hintergrund. Man betrachte das Bild lange — so schul-
meisterlich die neuerliche Wiederholung unsrer so oft wiederholten Bitte
klingt, hier ist sie gewiß am Platz. Denn hier ist heutigentages unge-
wohnte Kunst; wer unser Bild auf die heute bevorzugten, heute in
allen Ausstellungen gezeigten und also schnell gegenwärtigen Werte hin
ansieht, der findet diese Kunst überhaupt nicht. Vor unserm Steindruck
empfiehlt es sich, die Augenhöhe eines Menschen zu suchen, der im
Vordergrunde zwischen den Alpenrosen steht, und dann solange aufs
Blatt zu sehen, bis sich im Lindruck der Felsrand an der Spitze von der
Luft vor dem Gletscher löst. Der tritt dann weit, weit zurück, und wächst
zu seiner ganzen Urweltmajestät. Nun erst „hat" man das Bild, „hat"
man, was der Maler vermitteln wollte.
Von Medizens Eisgedicht zu dem Erzgebirgsbilde von Lrich Buch-
w a l d - Zinnwald ist es künstlerisch so weit, wie von überwältigender
Gipfel-Erhabenheit zu der sich zurückhaltenden Schönheit der deutschen
Mittelgebirge. Der Name Lrich Buchwald hat schnell unter den Malern
guten Klang gewonnen, denn der junge Künstler ist schon jetzt einer der
bestgeachteten Erfasser des Lichts. Es ist für den Kenner des Erz-
gebirges eine erstaunliche Echtheit auf seinen Bildern, und doch hat
Buchwald eine besonders silberige Zartheit und „Delikatesse", die ihn
sofort als einen Ligenen erkennen läßt. Er ist gänzlich ohne Pose und
von einer keuschen Bescheidenheit in der Wahl seiner Stoffe. Ls gibt
keinen Intimeren unter unsern Landschaftsmalern.
Wieder ein ganz anderer ist Edmund Steppes. Er geht nicht
wie Buchwald darauf aus, mit dem Nachgehen der Liebe die stille
Schönheit im Bescheidenen zu suchen, zu finden und bittend herauszu-
locken, daß sie zum Liebenden lächle. Sondern in seiner Phantasie singt
es und schwingt es, und wenn er gestaltet, so singt und schwingt ihm
die Landschaft seine inneren Melodien mit. Es ist ein Iubel: „der Früh-
ling naht" in diesen Stämmen und Stämmchen, leise, aber eindringlich,
wie gemalte Lyrik. Irgendwo hört man Lerchen droben und drunten
Amseln und Finken.
tz Augusthest M3
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