nischster Weise immer etwas anderes durchsetzen können, als was die
Gesährten wünschen, aber es wird nie das vollkommen ganz Lntgegen-
gesetzte von dem sein können, was die Geführten erstreben und diesem
immer nur bis zu einer bestimmten Grenze zuwider sein dürfen. Diese
Grenze hängt ab von der Stärke der den oligarchischen Tendenzen des
Führertums entgegenwirkenden demokratischen Kräfte. Man mag noch
so recht haben, wenn man von Bebel behauptet, er identifiziere sich
mit seiner Partei wie der Roh Soleil mit seinem Staate, er sehe in
sich immer den Wahrer, sähe in seinen Gegnern, selbst denen innerhalb der
eigenen Partei die Schädiger der Parteiinteressen. Von dem Lag an, wo
er es sich einfallen lassen wollte, etwas wesentlich Verschiedenes von
dem zu vertreten, was die Sozialdemokratie in ihrer Gesamtheit erstrebt,
wäre es mit seiner Autorität vorbei.
Michels berücksichtigt auch gar nicht, daß die Bedeutung der „politischen
Klasse" im gesellschaftlichen Leben um so geringer wird, je mehr die Kultur
sich entfaltet. Politik ist nur nötig, soweit Zwang nötig ist. Der moderne
Lohnarbeiter ist aber viel weniger ein Zwangsarbeiter als es der mittel--
alterliche Hörige, geschweige der Sklave des Altertums war; das moderne
Weib braucht nicht mehr wie ein „verschließbares Eigentum" behandelt
zu werden, damit die „öffentliche Sittlichkeit" gewahrt bleibe, wie es damals
auch in unseren Kulturkreisen nötig sein mochte, als die Raubehe noch
nicht lange überwunden war; der Schulzwang mag für absehbare Zeit
noch eine notwendige Einrichtung bleiben; er ist es sicher lange nicht
mehr in dem Grade wie noch vor hundert Iahren. Das Ideal der Freiheit,
das Recht des Einzelnen auf seine Persönlichkeit, auf Selbstbestimmung
ist also doch trotz alledem kein „leerer Wahn". Richard Malzan
Ein Filmrnonopol?
ns wird geschrieben: In der nächsten Zeit soll dem Reichstag ein
I I Gesetz zugehen, das, so unscheinbar es aussieht, doch für unsre
^"^kulturelle Entwicklung von erheblicher Bedeutung sein kann: die
Kinomatographentheater sollen unter die ZZ 32 und 33 der Ge-
werbe-Ordnung gestellt werden; das bedeutet, es soll vor Neugrün-
dungen von Kinomatographentheatern geprüft werden, ob in der
Person des Unternehmers kein Bedenken und ob überhaupt ein
Bedürfnis zur Errichtung eines neuen Kinomatographentheaters vor«
handen ist.
In den letzten Iahren sind bekanntlich unzählige Kinomatographen-
theater — in Berlin allein über 200 — wie Pilze aus der Erde ge-
schossen. Iede Stadt, auch die kleinere, hat heute ihr Kino, und
die großen Filmgesellschaften sorgen dafür, daß immer mehr Neu-
gründungen geschehen, damit ihr Absatzmarkt für Films erweitert
wird. Dem soll in Zukunft vorgebeugt werden, was natürlich eine
Stärkung der vorhandenen Kinomatographentheater zur Folge haben
wird. Werden diese aber dazu übergehen, die Stärkung zur Ver-
besserung ihres Spielplanes zu benutzen? Nach den bisherigen Er-
fahrungen ist das kaum anzunehmen. Bis jetzt überboten sich die
Kinomatographentheater sehr oft durch seichte, anzügliche oder nerven-
erregende Aufführungen, nur durch das Einschreiten der Polizei
s. Augustheft s87
Gesährten wünschen, aber es wird nie das vollkommen ganz Lntgegen-
gesetzte von dem sein können, was die Geführten erstreben und diesem
immer nur bis zu einer bestimmten Grenze zuwider sein dürfen. Diese
Grenze hängt ab von der Stärke der den oligarchischen Tendenzen des
Führertums entgegenwirkenden demokratischen Kräfte. Man mag noch
so recht haben, wenn man von Bebel behauptet, er identifiziere sich
mit seiner Partei wie der Roh Soleil mit seinem Staate, er sehe in
sich immer den Wahrer, sähe in seinen Gegnern, selbst denen innerhalb der
eigenen Partei die Schädiger der Parteiinteressen. Von dem Lag an, wo
er es sich einfallen lassen wollte, etwas wesentlich Verschiedenes von
dem zu vertreten, was die Sozialdemokratie in ihrer Gesamtheit erstrebt,
wäre es mit seiner Autorität vorbei.
Michels berücksichtigt auch gar nicht, daß die Bedeutung der „politischen
Klasse" im gesellschaftlichen Leben um so geringer wird, je mehr die Kultur
sich entfaltet. Politik ist nur nötig, soweit Zwang nötig ist. Der moderne
Lohnarbeiter ist aber viel weniger ein Zwangsarbeiter als es der mittel--
alterliche Hörige, geschweige der Sklave des Altertums war; das moderne
Weib braucht nicht mehr wie ein „verschließbares Eigentum" behandelt
zu werden, damit die „öffentliche Sittlichkeit" gewahrt bleibe, wie es damals
auch in unseren Kulturkreisen nötig sein mochte, als die Raubehe noch
nicht lange überwunden war; der Schulzwang mag für absehbare Zeit
noch eine notwendige Einrichtung bleiben; er ist es sicher lange nicht
mehr in dem Grade wie noch vor hundert Iahren. Das Ideal der Freiheit,
das Recht des Einzelnen auf seine Persönlichkeit, auf Selbstbestimmung
ist also doch trotz alledem kein „leerer Wahn". Richard Malzan
Ein Filmrnonopol?
ns wird geschrieben: In der nächsten Zeit soll dem Reichstag ein
I I Gesetz zugehen, das, so unscheinbar es aussieht, doch für unsre
^"^kulturelle Entwicklung von erheblicher Bedeutung sein kann: die
Kinomatographentheater sollen unter die ZZ 32 und 33 der Ge-
werbe-Ordnung gestellt werden; das bedeutet, es soll vor Neugrün-
dungen von Kinomatographentheatern geprüft werden, ob in der
Person des Unternehmers kein Bedenken und ob überhaupt ein
Bedürfnis zur Errichtung eines neuen Kinomatographentheaters vor«
handen ist.
In den letzten Iahren sind bekanntlich unzählige Kinomatographen-
theater — in Berlin allein über 200 — wie Pilze aus der Erde ge-
schossen. Iede Stadt, auch die kleinere, hat heute ihr Kino, und
die großen Filmgesellschaften sorgen dafür, daß immer mehr Neu-
gründungen geschehen, damit ihr Absatzmarkt für Films erweitert
wird. Dem soll in Zukunft vorgebeugt werden, was natürlich eine
Stärkung der vorhandenen Kinomatographentheater zur Folge haben
wird. Werden diese aber dazu übergehen, die Stärkung zur Ver-
besserung ihres Spielplanes zu benutzen? Nach den bisherigen Er-
fahrungen ist das kaum anzunehmen. Bis jetzt überboten sich die
Kinomatographentheater sehr oft durch seichte, anzügliche oder nerven-
erregende Aufführungen, nur durch das Einschreiten der Polizei
s. Augustheft s87