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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

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Heft 19 (1. Juliheft 1913)
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Schmidt, Georg: Wandern und Vaterlandsliebe
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Gerhart Hauptmanns Festspiel
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0041

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Soldat", das die Iungen aus sich selbst heraus organisiert haben, ist selbst
für die Liebe zum Vaterland nicht wertlos, ja, es ist vielleicht wertvoller
dafür, als eine Kriegsspielübung mit Regimentsmusik und sechs aktiven
und sechs Reserve-Offizieren. Wo in der Iugend noch nicht der roman-
tische Sinn erloschen ist, wo sie von selbst in schönem Wandern höchste
Freude findet, da laßt sie nicht nur gewähreit, nein, da werdet Schirm
und Schutz der Iugend wider trockene Philisterei, die bei allem Lun
einen Zweck sehen muß, den sie selber erkennen kann und womöglich: den
sie selber gesetzt hat. Laßt die Iugend wandern um des Wanderns
willen. Weil es ein Heidenspaß ist, am kleinen Feuerchen seine Kar-
toffeln zu pergeln, einmal all unsrer schönen Aberkultur zu entsagen,
Wälder zu durchstöbern, am See sein Zelt aufzuschlagen, mit dem Bauern
und seiner Kunst gut Freund sein, die Flüsse Deutschlands zu durch-
schwimmen. Einfach und natürlich froh zu sein. Zu leben gemäß dem
Zweck, den Mutter Natur doch wohl mit den Halbwüchsigen vorhaben
muß, wenn sie ihnen an so Linfachem so viel Freude schenkt!

Ls wird sich als sichere Nebenerscheinung solchen Wanderns zeigen,
daß es zu körperlicher Kraft, zu einem gesunden Empfinden für Schön-
heit in Natur- und Menschenwerk, zu Heimatsreude, zu Vaterlandsliebe
und zu Gefährtentugend führt, ohne daß 'man all solches wie ein Ziel
aufstellt, in dem ein Examen bestanden werden muß.

Laßt die Iugend wandern und freut euch der Burschen, die nicht mit
Vaters Gelde den feinen Mann spielen wollen. Es werden tüchtige
Deutsche werden.

Iena Georg Schmidt

Gerhart Hauptmanns Festspiel

^B^ie „Schwächen" dieser Dichtung „in deutschen Reimen" liegen so un-
-verhüllt am Lage, daß ihre ausführliche Darlegung wohl keinem
kritischen Verstande besondere Ehre machte. Wenn es eine schein-
bar gute Gelegenheit gibt, aus dem Waffenschrank einer früheren Asthetik
den herben Pfeil: „Stillos" zu holen, so hat sie Hauptmann hier geschaffen.
Er beginnt auf einer Riesenbühne mit dem kleinsten Format der Thea-
terei, mit Puppenspielvorstellungen, indem er in einer Art Rahmenspiel
den „Direktor" auftreten läßt, welcher durch Sternenmantel und manche
Worte seine Gottähnlichkeit von vornherein weist; neben ihm springt
Philistiades auf, der als Götterbote, Regiegehilfe und Spruchbandvorleser
dient. In langen Vorreden, die fast ein Zehntel des Buches füllen, stellen
sie ihr „Welttheater" vor, seinen Umfang, seine Möglichkeiten, seine
Puppen — von denen „jedwede blutet, wenn man sie ritzt". Aber schon
die erste Szene macht diese Stilanweisung vergessen. Ein „Pariser Stra-
ßenbild aus der Revolutionszeit" lebt von den schauervollsten Worten
und grausigsten Wirklichkeitvorstellungen und führt mit seiner welthisto-
rischen Bedeutung, die noch von einem lebenden Bild * vertieft wird,
weit aus dem „Rahmen" hinaus, der sich mit Philistiades' Worten
gleich wieder unorganisch vordrängt. Kaum ist er davon, so hebt sich

* „Man erblickt die Guillotine und Samson, den Henker der Schreckens-
zeit, daneben, der ein abgeschlagenes Haupt — (Louis Lapet) — hoch-
hält. Der Trommler Mors schlägt einen dumpfen Wirbel."

tz Iuliheft W.3

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