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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

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Heft 21 (1. Augustheft 1913)
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Schliepmann, Hans: Der Runks: ein kurzes Erlebnis mit längeren Folgerungen
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Malzan, Richard: Das Führertum in der modernen Demokratie
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0239

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bekämpfung gehe ich nicht ein; „es ist ein zu weites Feld", wird aber
doch auch in diesem Zusammenhange endlich einmal betreten werden
müssen. Aber ich sehe keine andere Möglichkeit, dem Auseinanderfallen
der Gesellschaft, dem längst als ordnungsmäßig hingenommenen Zustand
des wirtschaftlichen Krieges aller gegen alle mit allen Mitteln zu
steuern, als daß eine Gegenwirkung im eben nur angedeuteten Sinne
erfolgt. Es braucht vielleicht nicht einmal ein Bund die Sache in die
Hand zu nehmen, ob einer der bestehenden unpolitischen Verbände oder ein
aä boL geschaffener. Wenn nur jeder um die Zukunft des Deutschen Be-
sorgte sich zu ähnlichen Grundsätzen bekennte, wäre schon viel gewonnen.
Ihre Durchführung im Leben wäre freilich — scheußlich, zugestanden.
Lin schlimmerer ewiger Kampf als der mit dem Objekt. Aber was bleibt
uns — soweit wir nicht durch Aaturanlage zum Ouietismus und Asthe--
tizismus vorbestimmt sind» sonst zu tun? Wollen wir weiter auf eine
„Lvolution des Guten aus sich heraus" hoffen? Was dabei herausgekom--
men, sahen wir: eine Entfaltung von Lebensformen, die auf den ober-
flächlich Denkenden wie Ermunterung zur Brutalität wirken muß. Wir
können aber weder den Kampf ums Dasein noch die Torheit der Masse
ändern. Diese muß vielmehr nur ihren Herrn finden!

Laßt sehen, wer die berufenen Herren der Erde sind: die nur für sich
vorwärts oder die aufwärts Wollenden! Schon sind diese nur noch die
Geduldeten. Dulden sie's noch länger, so sind sie bald nur noch Dulder,
reif, von den Shoddygenies der Selbstsucht aus- und aufgesogen zu
werden.

Wehr dich, Michel! Es wird auch deinem Verhältnis zu den lieben
Nachbarn jenseits der Grenzen zugute kommen, wenn sie deine alte Wehr-
haftigkeit, deinen kampffrohen Willen zum Höherkommen aus dieser
stockigen Krämerwelt wachwerden sehen! Hans Schliepmann

Das Führertum in der modernen Demokratie

A

ls der Parteigenosse Paul Göhre auf dem Dresdner Parteitage der
Sozialdemokratie darauf gepocht hatte, daß er der sozialen Be-
tätigung zuliebe seinen Beruf und sein Einkommen, seine gesell-
schaftliche Stellung und seine Familie verloren habe, erwiderten ihm
verschiedene Parteiblätter, das alles seien, so höflich wie möglich be-
zeichnet, Sentimentalitäten, auf die zu pfeifen die Arbeiter ein gutes
Recht hätten. Solche „Opfer" bringe man nicht der Arbeitersache, sondern
sich selber. Dieses Beispiel sagt gewiß nicht, daß die Anstrengungen
Göhres, dem Proletariat menschlich näher zu kommen, vergeblich ge-
wesen wären, aber es läßt die Stärke des Mißtrauens ahnen, das im
Proletariat gegenüber Merläufern aus dem bürgerlichen Lager, besonders
„intellektuellen", empfunden wird. Natürlich ist es um so größer, je
weiter die Kluft, die bürgerliches und proletarisches Leben trennt. Darum
spielt das Postulat der Entsagung in der sozialen Bewegung Europas
nirgends eine größere Rolle, als in Rußland. Selbstentäußerung und
Verzicht auf alle Formen bürgerlicher Lebensführung sind in der langen
Geschichte der Revolution in Rußland stets für notwendige Requisiten
des Arbeiterführers gehalten worden. Der erste Paragraph des revo-
lutionären Katechismus Uetschajeffs (l.8?0 stellt das Gebot auf, der wahre

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Kunstwart XXVI, 2(
 
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