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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

DOI Heft:
Heft 23 (1. Septemberheft 1923)
DOI Artikel:
Walzel, Otto: Ricarda Huchs "Großer Krieg"
DOI Artikel:
Schlaikjer, Erich: Die gewerkschaftliche Bewegung der Schauspieler
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0417

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zenlosen Ehrgeiz genügen. Eine Napoleonnatur ersteht in Wallenstein
unter der Hand der Dichterin, ein starker und wohlbedachter Organisator
im Krieg wie in seinen eigenen Besitztümern. Ihm ist sie gerechter ge-
worden, als Schiller, mindestens als der Historiker Schiller. Gustav
Adolf, mit dessen Tod der zweite Band des „Großen Kriegs" ausklingt,
fährt deshalb nicht schlechter als in Schillers Darstellung. Das aber ist
der große Neiz der Kunst Ricarda Huchs, daß sie noch die Menschen, die
ihr sichtlich wenig sympathisch sind, verständlich macht, selbst einen Kaiser
Rudolf, der freilich in ihrer Zeichnung mit dem feinfühligen Grübler
Grillparzers nichts gemein hat. Schillers großstilisierte Darstellung des
Dreißigjährigen Krieges redet obendrein häufig nur über die Menschen
und die Vorgänge, legt nur Gedanken über die Zeit vor; Ricarda Huch
verschwindet hinter all dem, dafür läßt sie die Menschen und die Lreig-
nisse selbst sich aussprechen. Lebendiger und anschaulicher wirkt darum
ihr Buch als Schillers Werk. Und nicht nur, weil sie tiefer in das
Wesen der Zeit eingedrungen ist nnd weil sie weit mehr Farbe auf-
wenden kann als Schiller. Sie führt in die Dinge hinein, während
Schiller über ihnen steht. Darum glückt es ihr auch, die Lroberung
Magdebnrgs, deren Schildernng in Schillers Arbeit ein vielbewundertes
Meisterstück darstellt, noch greifbarer und nachsühlbarer zu machen. Das
sind Gewinne, die nicht nur der Dichterin gutzuschreiben wären, sondern
überhaupt beweisen, um wieviel die Gegenständlichkeit dichterischer Dar-
stellung seit Schillers Tagen in deutscher Literatur zugenommen hat.
Freilich durfte solche Kunst, durch die Form der Wiedergabe dem Nach-
erleben entgegenzukommen, nur da walten, wo von vornherein nicht
Absichten wissenschaftlicher Historik, und wäre es auch in dem beschränkten
und bedingten Sinn von Schillers Geschichtswerk, walten sollten, sondern
dichterische Vergegenwärtigungskraft über die Mittel anschaulicher und
nacherlebbarer Darstellung restlos gebieten durfte. Am erschütterndsten
kommt diese dichterische Kraft in Ricarda Huchs „Großem Krieg" da zur
Lntfaltung, wo ihre Phantasie den Menschen über die Grenzen des
Erdenlebens hinaus geleitet. Die letzten Augenblicke des Bewußtseins,
die dem Sterbenden gegönnt sind, die letzten traumartigen Vorgänge, die
dieses Leben abschließen, hat selten ein Dichter gleich schlicht und gleich
glaubhaft angedeutet. Wie schön ist der Tod dieser Ruhelosen, dieser
dämonisch Gejagten und Getriebenen! Lben haben sie noch heißblütig
mit gespannten Sinnen den Augenblick durchlebt und ausgekostet; und
mit einem Male rückt von den zu Tode Getroffenen alles das weit ab. Was
noch an ihr Bewußtsein rührt, scheint wie aus weiter Ferne zu kommen.
Nicht Schmerzen bringt da der Tod auf dem Schlachtfeld, nur wie
Erlösung wirkt es, wenn das Leben von dem Todwunden langsam
fortfließt.

Dresden O. Walzel

Die gewerkschaftliche Bewegung der Schauspieler

^m^as Theater ist das Reich der starken Gegensätze und der starken
Konflikte. An der romantischen Auffassung der Bühne, die bei
jüngern Semestern üblich ist, ist immerhin soviel richtig, daß das
Leben darauf sehr oft einen heißen Atem hat. Etwas von den starken
Gegensätzen, etwas von dem Aufregenden und Anberechenbaren, etwas

j. Septemberheft W3

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