natürlich spielend nnd anerkennenswert überwunden waren. Die große
Zeus-Vision drückte sich spielerisch klein in den hintersten Winkel, fand
keine Zeit, sich auszuwirken, und wurde überspült von einem undeutlichen
Gewirr nnd Gewinsel, als welches die ties ergreifende Mütter-Szene dünn
nnd fahl herauskanr. Auch der zwar liebenswürdig gestellte und ruhige
aber entgegen dem Buch ungegliederte Aufzug in den Dom am Schluß
wirkte nur durch strömende Masse, ohne der dichterischen Erfindung
gerecht zu werden. Zwischen Undichterisch-Massenhaft-Äberdeutlichem
und Verworren-Ungeschicktem schwankte man hin und her. Vor allem
fehlte es allenthalben an Sprechern. Ltwa die Pythierin und die erste
Mutter ausgenommen und des Philistiades etwas derbe Art anerkannt —
vom übrigen war Höchstens ein Drittel verstehbar, geschweige denn,
daß es zu würdiger Klarheit gestaltet gewesen wäre. Wer noch nicht die
Gefahr der Verrohung und des Amerikanismus kannte, die von Rein-
hardt dem Theater droht, hatte in Breslau Gelegenheit, sie Zug für Zug
zu studieren. Auch darum müssen wir Gerhart Hauptmanns Werk die
Wiedergeburt aus feinerem Geiste wünschen.
Romane zur Jahrhundertfeier
ill man srch einen Begriff machen, welchen Gehalt an dichte-
>/HHrischer innerer Anschauung und visionärer Kraft ein Werk
wie etwa Gerhart Hauptmanns „Festspiel" in sich schließt, so
muß man sich einmal den Stoß von Festspielen und Gedichtsamm---
lungen, Romanen und sonstigen Gedenkbüchern durch die Hand gehen
lassen, der sich heuer wohl schon in jeder Redaktion angesammelt hat.
Man muß die kindlichen oder auch kindischen Einfälle, die jeder dich--
terischen, jeder lebensvollen Erfindung baren Auftrittbildungen, muß
die Gestalten gesehen haben, die Papierworte sprechen, als ob sie sie
Anno in irgendeiner verstaubten Kanzlei aufgelesen hätten. ^
Muß diesen ganzen Schwall leerer Phrasen und plumper Grob-
* Hier ein paar Zitate: stAus einer Szene, wo Blücher unamtlich und
in ruhigem Gespräch spricht): „Sie, lieber Gneisenau, beauftrage ich hier-
mit, dem heute früh zum Könige gerufenen und daher hier nicht an-
wesenden Prinzen August meinen gebührenden Dank, den Dank des
Obergenerals, auszusprechen für die vorzügliche Aufstellung der Artillerie
und für die unschätzbare Vorarbeit, welche Prinz August der nachfolgen-
den Iu.fanterie gemacht hat."
(Aus einem Körner-Festspiel ein Lützower):
„Freund Körner schreitet sinnend auf und ab
In aller Morgenfrüh, ich möchte wetten:
Die Muse war just bei ihm zu Besuch.
Ich hoffe, daß ich nicht zu sehr gestört.
Wir andern harren schon erregt des Kampfes,
Den dieser Tag uns sicher bringen wird. . ."
(Ein Soldat während der Schlacht bei Leipzig): „Das ist ein Schlachten,
eine Schlacht nicht mehr zu nennen."
(Aus einem patriotischen Mehrakter): „And allen seinen Kreaturen
voran stand inr unerreichten Beispiel des Frevels der Kaiser der Fran-
zosen, Napoleon." >
32
Kunstwart XXVI, 19
Zeus-Vision drückte sich spielerisch klein in den hintersten Winkel, fand
keine Zeit, sich auszuwirken, und wurde überspült von einem undeutlichen
Gewirr nnd Gewinsel, als welches die ties ergreifende Mütter-Szene dünn
nnd fahl herauskanr. Auch der zwar liebenswürdig gestellte und ruhige
aber entgegen dem Buch ungegliederte Aufzug in den Dom am Schluß
wirkte nur durch strömende Masse, ohne der dichterischen Erfindung
gerecht zu werden. Zwischen Undichterisch-Massenhaft-Äberdeutlichem
und Verworren-Ungeschicktem schwankte man hin und her. Vor allem
fehlte es allenthalben an Sprechern. Ltwa die Pythierin und die erste
Mutter ausgenommen und des Philistiades etwas derbe Art anerkannt —
vom übrigen war Höchstens ein Drittel verstehbar, geschweige denn,
daß es zu würdiger Klarheit gestaltet gewesen wäre. Wer noch nicht die
Gefahr der Verrohung und des Amerikanismus kannte, die von Rein-
hardt dem Theater droht, hatte in Breslau Gelegenheit, sie Zug für Zug
zu studieren. Auch darum müssen wir Gerhart Hauptmanns Werk die
Wiedergeburt aus feinerem Geiste wünschen.
Romane zur Jahrhundertfeier
ill man srch einen Begriff machen, welchen Gehalt an dichte-
>/HHrischer innerer Anschauung und visionärer Kraft ein Werk
wie etwa Gerhart Hauptmanns „Festspiel" in sich schließt, so
muß man sich einmal den Stoß von Festspielen und Gedichtsamm---
lungen, Romanen und sonstigen Gedenkbüchern durch die Hand gehen
lassen, der sich heuer wohl schon in jeder Redaktion angesammelt hat.
Man muß die kindlichen oder auch kindischen Einfälle, die jeder dich--
terischen, jeder lebensvollen Erfindung baren Auftrittbildungen, muß
die Gestalten gesehen haben, die Papierworte sprechen, als ob sie sie
Anno in irgendeiner verstaubten Kanzlei aufgelesen hätten. ^
Muß diesen ganzen Schwall leerer Phrasen und plumper Grob-
* Hier ein paar Zitate: stAus einer Szene, wo Blücher unamtlich und
in ruhigem Gespräch spricht): „Sie, lieber Gneisenau, beauftrage ich hier-
mit, dem heute früh zum Könige gerufenen und daher hier nicht an-
wesenden Prinzen August meinen gebührenden Dank, den Dank des
Obergenerals, auszusprechen für die vorzügliche Aufstellung der Artillerie
und für die unschätzbare Vorarbeit, welche Prinz August der nachfolgen-
den Iu.fanterie gemacht hat."
(Aus einem Körner-Festspiel ein Lützower):
„Freund Körner schreitet sinnend auf und ab
In aller Morgenfrüh, ich möchte wetten:
Die Muse war just bei ihm zu Besuch.
Ich hoffe, daß ich nicht zu sehr gestört.
Wir andern harren schon erregt des Kampfes,
Den dieser Tag uns sicher bringen wird. . ."
(Ein Soldat während der Schlacht bei Leipzig): „Das ist ein Schlachten,
eine Schlacht nicht mehr zu nennen."
(Aus einem patriotischen Mehrakter): „And allen seinen Kreaturen
voran stand inr unerreichten Beispiel des Frevels der Kaiser der Fran-
zosen, Napoleon." >
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