abweichende Südhannover Christian Flemes^ zu nennen, einer der
wenigen niederdeutschen Poeten, die es zu einem „Ehrensolde" gebracht
haben,- für Holstein neben dem älteren Fehrs der jüngere Ludwig Frahm.
Bemerkenswert tritt Hamburg hervor. Außer Hans Kinau (Gorch Fock),
einem starken, aber noch ringenden Lalent, ist vor allem Hermann Clau-
dius zu erwähnen. Lr hat sich kürzlich mit einem Gedichtband „Mank
Muern" (Zwischen Mauern. — Alfred Ianssen, Hamburg) als einer der
„ganz Echten" erwiesen. Darin kommt zum erstenmal die Großstadt
Hamburg in ihren niederen Schichten, der „kleine Mann": der Arbeiter,
Ewerführer, Schauermann, Seemann, Straßenbahnführer, die Zeitungs--
frau, kurz das „Volk" mit seinen bescheidenen Freuden, vielfachen Be--
schwerden und Leiden, seiner unerquicklichen Großstadtmisere, seinem sozia--
len Ringen poetisch zu Worte. Hier ist Claudius für eine schwer zu fas-
sende, durchaus nicht homogene und nicht mehr bodenständige Volks-
gemeinschaft ein dichterisches Spiegelbild mit einheitlich gewähltem Brenn-
punkt gelungen, wie Groth es für seine Dithmarscher geschafsen hat. Hier
Volksseele, dort Großstadtseele. Claudius schöpft — mit der instinktiven
Hebbelschen Erkenntnis, daß man nicht in die Natur hinein, sondern aus
ihr heraus dichten müsse — unmittelbar aus dem Volksempfinden. Darum
dichtet er auch gleichzeitig fürs Volk. Weil er's als wirklicher Poet tut,
scheint er mir als Schaffender unter den Neueren der Aussichtsreichste.
Line Anzahl aus den Schöpfungen lebender Dichter ausgewählter
Proben, nach Sprachprovinzen geordnet, möge diese Ausführungen beglei-
ten. Balladen sind nicht darin aufgenommen worden. Ein plattdeutsches
Valladenbuch wird von der „Nedderdütsh Sellshopp" vorbereitet.
^ WilhelmPoeck
Von einer Segeljachtfahrt in der Ostsee und von
moderner Plastik
ie Zusarnmenstellung in der Äberschrift ist seltsam. Zur Erklä-
rung zunächst nur so viel, daß „moderne" Plastik und Segel-
fahren eines gemeinsam haben. Beide sind u n modern.
Um auf einer Segeljacht Tage und Wochen zu reisen und bequem
zu reisen, gibt es ein einziges Mittel: man muß Freunde haben, die
eine Iacht besitzen und einen einladen. Und so kam eine kleine
Gesellschaft zusammen, fünf oder sechs Personen. Nachdem die Reise
einige Tage gedauert hatte, sagte einer der Gefährten — er war
Ingenieur —: eigentlich ist doch diese Art, zu reisen, blödsinnig un-
modern. Er sagte es halb ärgerlich. Vielleicht hatte er aber durch
den Ton seines Ausrufs an eine Schicht von Stimmungen gerührt,
aus der uns anderen der Genuß kam.
Auf dem Dampfboot ist von der Arsache und Kraft, die das Schiff
bewegt, nichts zu sehen. Die Maschinen sind tief unten, und der
Maschinenraum darf nicht betreten werden. Sehen kann man nur
die schäumende Furche, die die Schrauben durch die Wasserfläche
ziehen. Auch von der Navigation sieht man nichts; sie vollzieht sich
* Chr. Flemes: Plattdütsche Gedichte. Hannover. Edler L Krische
(u. andere).
D
250
Kunstwart XXVI, 22
wenigen niederdeutschen Poeten, die es zu einem „Ehrensolde" gebracht
haben,- für Holstein neben dem älteren Fehrs der jüngere Ludwig Frahm.
Bemerkenswert tritt Hamburg hervor. Außer Hans Kinau (Gorch Fock),
einem starken, aber noch ringenden Lalent, ist vor allem Hermann Clau-
dius zu erwähnen. Lr hat sich kürzlich mit einem Gedichtband „Mank
Muern" (Zwischen Mauern. — Alfred Ianssen, Hamburg) als einer der
„ganz Echten" erwiesen. Darin kommt zum erstenmal die Großstadt
Hamburg in ihren niederen Schichten, der „kleine Mann": der Arbeiter,
Ewerführer, Schauermann, Seemann, Straßenbahnführer, die Zeitungs--
frau, kurz das „Volk" mit seinen bescheidenen Freuden, vielfachen Be--
schwerden und Leiden, seiner unerquicklichen Großstadtmisere, seinem sozia--
len Ringen poetisch zu Worte. Hier ist Claudius für eine schwer zu fas-
sende, durchaus nicht homogene und nicht mehr bodenständige Volks-
gemeinschaft ein dichterisches Spiegelbild mit einheitlich gewähltem Brenn-
punkt gelungen, wie Groth es für seine Dithmarscher geschafsen hat. Hier
Volksseele, dort Großstadtseele. Claudius schöpft — mit der instinktiven
Hebbelschen Erkenntnis, daß man nicht in die Natur hinein, sondern aus
ihr heraus dichten müsse — unmittelbar aus dem Volksempfinden. Darum
dichtet er auch gleichzeitig fürs Volk. Weil er's als wirklicher Poet tut,
scheint er mir als Schaffender unter den Neueren der Aussichtsreichste.
Line Anzahl aus den Schöpfungen lebender Dichter ausgewählter
Proben, nach Sprachprovinzen geordnet, möge diese Ausführungen beglei-
ten. Balladen sind nicht darin aufgenommen worden. Ein plattdeutsches
Valladenbuch wird von der „Nedderdütsh Sellshopp" vorbereitet.
^ WilhelmPoeck
Von einer Segeljachtfahrt in der Ostsee und von
moderner Plastik
ie Zusarnmenstellung in der Äberschrift ist seltsam. Zur Erklä-
rung zunächst nur so viel, daß „moderne" Plastik und Segel-
fahren eines gemeinsam haben. Beide sind u n modern.
Um auf einer Segeljacht Tage und Wochen zu reisen und bequem
zu reisen, gibt es ein einziges Mittel: man muß Freunde haben, die
eine Iacht besitzen und einen einladen. Und so kam eine kleine
Gesellschaft zusammen, fünf oder sechs Personen. Nachdem die Reise
einige Tage gedauert hatte, sagte einer der Gefährten — er war
Ingenieur —: eigentlich ist doch diese Art, zu reisen, blödsinnig un-
modern. Er sagte es halb ärgerlich. Vielleicht hatte er aber durch
den Ton seines Ausrufs an eine Schicht von Stimmungen gerührt,
aus der uns anderen der Genuß kam.
Auf dem Dampfboot ist von der Arsache und Kraft, die das Schiff
bewegt, nichts zu sehen. Die Maschinen sind tief unten, und der
Maschinenraum darf nicht betreten werden. Sehen kann man nur
die schäumende Furche, die die Schrauben durch die Wasserfläche
ziehen. Auch von der Navigation sieht man nichts; sie vollzieht sich
* Chr. Flemes: Plattdütsche Gedichte. Hannover. Edler L Krische
(u. andere).
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