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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

DOI Heft:
Heft 22 (2. Augustheft 1913)
DOI Artikel:
Classen, Walther: Nach dem Leipziger Turnfest
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0345

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ist. Und doch ist im Spiel und Lurnen der Turnerschaft eines, wonach
mancher hochbegabte Künstler vergeblich ringt: ein großer Stil. Großer
Stil ist nur da, wo ein großer, sittlicher Inhalt sich Formen schafft.
Wenn da die Reigen aufmarschieren und sich rhhthmisch bewegen, wenn
eine Riege eine Kette Äbungen am Barren oder Reck bis zur kompli-
ziertesten Leistung entwickelt, oder auch wenn diese sicheren Männer
und Iünglinge auf dem Turnboden zusammentreten oder ihre Lieder
anstimmen, dann ist das wohl eine herbe Art, manchmal erinnernd an
Waffenübungen in rauher Vorzeit, — aber es ist doch der Ausdruck
der gesunden Volkskraft. Es ist das ein Zusammenwirken freier Männer
in freiwilliger Disziplin. Dem überindividualistischen Astheten mag die
Männerriege am Reck oder der Reigen der Knaben oder das Ballspiel
der Iünglinge gar zu einfach, zu wenig effektvoll erscheinen, wer tiefer
sieht, spürt hier den gleichen Geist sittlich gebändigter Kraft, wie in den
Gestalten des Phidias und im Reiterzug des Parthenon.

Vielleicht aber zeugten für den hohen Wert der Turnerei noch mehr,
als jene sonnengebräunten Iünglinge, die im Stafettenlauf dahineilten
oder im Stabhochsprung noch im Sprunge zugleich an der Stange mit
Händen höher kletterten, vielleicht zeugten noch mehr für ihn jene
Alten, die im grauen und weißen Haar noch rüstig turnten oder als
Richter und Turnwarte unermüdet Lag für Lag arbeiteten. Das sie
das können, verdanken diese Männer einmal der regelmäßigen Abung
und dann der Schulung der Muskeln und Nerven von Ingend auf, wie
es gerade das so viel geschmähte Geräteturnen gibt. Auch diese Seite
der deutschen Turnerei wird noch immer viel zu wenig verstanden. Das
Lurnen am Gerät übt den Verstand im schnellen Erfassen, übt sogar das
Gedächtnis nnd gibt vor allem die ruhige Herrschaft über die Nerven,
wie der moderne Mensch sie braucht.

So sind es denn drei Hauptwerte, die die Turnkunst zum wertvollen
Begleiter für unser Volk in kommende Iahrhunderte machen sollen: sie
bildet nicht einzeln empor, sondern will und kann alle schulen; sie stachelt
nicht die Leidenschaft, sondern sie übt in regelmäßiger Abung und fordert
auch im Kampfspiel Maß und Pflichttreue, und endlich: sie stärkt
nicht nur die Muskeln, sondern auch Nerven und Eharakter.

Walter Classen

Lose Blätter

Nachgrothische Lyrik

Ostfriesland
Na Hus!

^ ver glatte Klinkerpad'n
^k-Fahr'n wi up Rullerad'n.

Achter uns liggt dat Gesnack
In de Stadt mit all dat Pack,

In de Danssaal, in Salons,

Söt un smärig as Bonbons.

Hier is nüms as du un ick
An uns Brun'n, glatt un dick.

2. Augustheft M3 269
 
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