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Kunstwart und Kulturwart — 26,4.1913

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Heft 23 (1. Septemberheft 1923)
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Lose Blätter
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https://doi.org/10.11588/diglit.14284#0447

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Ferdinand sich in körperlichen Äbungen vervollkonrmnen, damit er eine
anständige Haltung bekomme, nicht wie ein Hampelmann einhergehe,
müsse sich ein ernstes, ausrichtiges, bescheidenes Betragen angewöhnen,
um auf Rndolf einen günstigen Eindruck zu machen; denn davon hänge
nun einmal alles ab.

„Ich bin gut genug für den alten Unflat", sagte Ferdinand, indem
er die lange Amterlippe hängen ließ, unterbrach sich aber sogleich, von
der Mutter derb am Arme geschüttelt. <Lr hätte eine Maulschelle ver-
dient, rief sie zornig; wie er so frech von der kaiserlichen Majestät
reden dürfe! Wenn das seine jüngeren Geschwister gehört HLtten!

Sie hätten es oft genug von ihr gehört, brummte Ferdinand, wie
er es auch nicht aus sich selber habe. Sie habe gesagt, daß er sich Huren
halte und mit gemeinen Leuten und Ketzern saufe und schändliche Künste
treibe.

„Dir ziemt nicht, alles zu sagen, was mir ziemt," sagte sie unwirsch,
„denn du kannst nicht unterscheiden, wo und wann du den Mund auftun
sollst." Sie sei Rudolfs Freundin nie gewesen, aber er sei nun einmal
der Kaiser und habe ihr Schicksal in seinen Händen, darnm müsse
Ferdinand sich Mühe geben, ihm zu gefallen.

Schließlich eröffnete Maria ihrem Sohne einen Ausblick in die Zu-
kunst: Bis jetzt hätten weder der Kaiser noch seine lebenden Brüder einen
Erben; er sowie Matthias, Ernst und Albrecht wären unvermählt,
Maximilian dürse als Deutschordensmeister nicht heiraten, der Sohn
Ferdinands von Lirol sei als Kind der Welserin unebenbürtig, nur der
jüngste Bruder, Karl, sein verstorbener Vater, habe Söhne in der Ehe
erzengt. Ersichtlich stehe das Haus unter der Malediktion Gottes, die
es sich durch Lauheit im Glauben zugezogen habe, und so wäre es nicht
unmöglich, daß noch einmal alle habsbnrgischen Länder auf ihn kämen.
Wenn Gott es so füge, sei dabei jedenfalls seine Absicht, einen frommen
Glaubenshelden an die Herrschaft zu bringen, der die katholische Kirche
wiederherstellen werde, und obschon er natürlicherweise seinen Oheimen
nichts Ables wünschen dürfe, vielmehr fortfahren solle, für ihre Ge-
sundheit und Fortpflanzung zu beten, so müsse er sich doch im stillen
anf sein großes Amt vorbereiten, falls Gott im Schilde führe, ihn
dahin zu erhöhen.

Ferdinand war ein wenig rot geworden; aber er sagte leichthin, warum
sollte denn der Kaiser nicht noch heiraten und Nachkommenschaft erzielen,
da er doch Hurenkinder habe. Auch Matthias, Ernst und Albrecht wären
noch in den Iahren, sich zu vermählen; mit so weitaussehenden Sachen
wolle er sich nicht ernstlich abgeben.

Dank den Anweisungen, die sein Beschützer, Minister Rumpf, dem
Knaben gab, wie auch durch seine natürliche Anbefangenheit und Schlau-
heit fiel Ferdinands Besuch am Kaiserhofe gut aus; überhaupt hatte der
Kaiser an jungen Leuten, die sich ihm mit bescheidener Bewunderung und
Lhrerbietung näherten, Wohlgefallen und liebte es, Späße mit ihnen zu
machen, bei denen er eine anmutig überlegene Freundlichkeit entfalten
konnte. Er kehrte nicht wenig gehoben nach Graz zurück und mußte
sich manche Neckerei von seiten der Geschwister gefallen lassen, die das
pomphafte Wesen an dem Dämel, wie sie Ferdinand nannten, der beim
Spiel der Albernste war, nicht leiden konnten.

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