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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 4 (April 1863)
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Falke, Jakob von: Das englische Haus im Mittelalter
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0105

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sammenhange mit dem Gang der Kunststyle in der Archi-
tectur. Wir unteriassen es aber, weiter darauf einzugehen,
theiis Aveil wir damit auf ein bekannteres, wenn auch kei-
neswegs hinlänglich erforschtes oder dargestelltes Gebiet
hinübergreifen, theiis weii wir dazu der Abbiidungen
bedürften, und endlich, weii wir damit völlig aus dem Inhalt
und dem Plane des in Rede stehenden Buches heraustreten
würden. Die erwähnte Neuerung in der Haile war die Auf-
nahme des Schautisches, englisch „cupboard", der uns auch
als Credenz, Buffet, „dressoir" oder „dresser" bekannt ist.
Seiner Gestalt nach ein kastenartiger, oder in Terrassen
aufsteigender Tisch, je nach seiner Stellung an der Wand,
oder frei in der Mitte der Halle, hatte er die Bestimmung,
das Schaugeräth der Tafel, dessen reicher Besitz damals
Stolz und Freude war, vor die Augen der Gäste zu stellen.
Die Sitte ist wohl erst in romanischer Zeit stehend gewor-
den, dann aber in der gothischen Periode und vor Allem im
XV. und XVI. Jahrhundert, als der Zeit der grössten Bitithe
des Goldschmiedgewerkes, sehr erweitert.
Wir haben schon erwähnt, dass man in dem Wohn-
und Schlafgemach mehr Comfort zu erreichen suchte. Man
war bemüht, es sich mit den vorhandenen Mitteln so be-
quem wie. möglich zu machen, doch bis in's XV. Jahrhun-
dert hinein mochte es noch dürftig genug aussehen, da ja
nicht einmal der Kamin überall herzustellen war. Folgen
wir den Gedichten, so fand sich dieser im XIII. und
XIV. Jahrhundert überall in der ritterlichen Behausung, und
es war immer das Erste in kalter Zeit, dem Gaste ein Feuer
in seinem Zimmer zu machen. Aber es war nicht überall
so, wie jenes oben beschriebene „manor" zeigt und wie
die Holzwohnungen schlossen lassen. Das Hauptstück der
„Chambre" war das Bett, das nun in seiner stofflichen
Ausstattung reicher geworden war; der Himmel aber, oder
die Vorhänge waren noch nicht mit ihm verbunden, son-
dern hingen noch von der Decke des Gemaches herab. Zur
Seite des Bettes stand regelmässig eine Bank, auf welche
man sich zum Früh- und Abendgeplauder oder überhaupt
zu traulichem Gespräche setzte, wenn man nicht das Bett
als Sopha benützte. Am Fussende des Bettes stand ein ver-
schliessbarer Kasten, in welchen man Abends seine Kleider
hineinlegte, oder worin man sein Silhergeräth, seine Kost-
barkeiten, sein Geld als am sichersten Orte verschlossen
hielt. Dieser Kasten diente zugleich als Sitzbank. Über-
haupt trugen die Kasten jener Zeit, die zur Aufbewahrung
der Leinwand, der Kleidung u. s. w. dienten, vorzugsweise
die Gestalt von Bänken und wurden stets auch als solche
verwendet. So pflegten immer ihrer mehrere im Gemach
an den Wänden , in der Fensternische oder sonst wo zu
stehen. Vor dem Kamine fand gewöhnlich eine mehrsitzige
Bank mit Rücklehne ihren Platz, die man auch umdrehte,
wenn es zu heiss wurde, um sich eben durch die Rücklehne
vor den Strahlen des Feuers zu schützen. Die Beleuchtung
geschah meistens durch Kerzen und die Leuchter waren

so eingerichtet, dass die Kerzen nicht in eine Öffnung,
sondern auf eine lange Spitze gesteckt wurden. Die
Leuchter waren tragbar oder an der Wand befestigt, letz-
teres namentlich auch zu beiden Seiten des Kamines. Doch
gab es auch Lampen für Öl und Docht, die an candelaber-
artige Gestelle, gewöhnlicher aber au f Haken, welche an
der Wand befestigt waren, gehängt wurden.
Grosse Veränderungen in der Häuslichkeit brachte
das XV. Jahrhundert, wie es denn auf allen Gebieten des
menschlichen Lebens eine durchgreifende Umwandlung
vorbereitete. Was unsern Gegenstand betrifft, so wurde
die Neuerung in dieser Periode fast schon durchgeführt
und es blieb dem XVI. Jahrhundert nicht viel mehr übrig,
als an die veränderte Anlage den neuen Kunststyl der Re-
naissance anzulegen. An dem Plane des Hauses änderte
die Renaissance sehr wenig. Die culturgeschichtliche Ur-
sache der Veränderung ist in der Erhebung des Bürger-
thums, unmittelbar aber erst in einer Folge derselben, in
dem Anwachsen des Familiensinnes, zu suchen. Der Feu-
dalismus hatte sich in den Kriegen der rothen und weissen
Rose seihst das Grab gegraben und der Adel sich seihst,
verzehrt. Das Bürgerthum war wenig davon berührt worden,
und wenn auch Englands commercielle und industrielle
Blüthezeit noch nicht angebrochen war, so hatte sich
doch der Bürger in Wohlstand und Wohlleben gehoben
und war an Luxusbedürfnissen wie an einer reicheren und
bequemeren Hauseinrichtung im Ganzen dem Adel zuvor-
gekommen. Dieser hatte durch den Krieg an Wohlstand
verloren, sollte und wollte aber dennoch allen Anforde-
rungen eines zahlreichen Haushalts, wie ihn die englischen
Grossen noch im XVI. Jahrhundert liebten, genügen. Na-
türlich konnte es nicht auf eine allzu glänzende und luxu-
riöse Weise geschehen, Comfort wie Reinlichkeit litten
darunter und, die Mahlzeit abgerechnet, sieht man alles
andere eher als Überfülle von guten Dingen. Dagegen kann
nun der wohlhabende Bürger, an den niemand weiter
Anforderungen stellt als er selbst und seine Familie, sich
in der engeren Behausung wohnlicher und reichlicher ein-
richten, wie wir das auch aus vielen erhaltenen Inventarien
erkennen. Man sieht ihm an, es wird ihm wohl in seinen
vier Wänden und bei den Seinen, er bedarf der Aussenwelt
nicht mehr, die Freude seines Lebens liegt verschlossen
hinter dem Hausthor.
Dieses Zurückziehen des Hausherrn auf sein Haus und
seine Familie wird in schlagender Weise durch eine Neue-
rung bestätigt. Mit dem Anfang des XV. Jahrhunderts etwa
kommt eine ganz neue Art von Zimmer auf, das „parlour"
(parloir), das sich in die Mitte stellt zwischen die Halle und
das bisherige Schlaf- und Wohngemach. Name und Sache
sind zunächst von jenem Sprechzimmer (daher der Aus-
druck) in den Klöstern herzuleiten, wo Laien und Geist-
liche zu geschäftlichem Verkehr Zusammenkommen konnten.
Eben so wurde das Parlour nun ein gemeinsamer Boden für
 
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