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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 4 (April 1863)
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Essenwein, August von: Die Kirche des heil. Antonius zu Padua, [2]
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0117

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Nachricht vollkommen richtig ist und das Presbyterium
erst aus dem XIV. Jahrhundert stammt, allein wir wol-
len hier auf eine Lücke in den historischen Berichten
aufmerksam machen. Es ist nämlich im XIV. Jahrhun-
dert nur vom Bau der Capellen, keineswegs vom Pres-
byterium selbst die Bede, und es wäre somit die Mög-
lichkeit nicht ausgeschlossen, dass man damals nur eine
Transformation dieses Theiles vorgenommen habe, dass
aber das Presbyterium selbst älter in der Anlage ist, und
dass vielleicht ehemals eine einfache Apside vorhanden war,
die auch mehr mit der Kuppelanlage sowie mit der Grund-
anlage des Langhauses in Harmonie stand; es ist dies
allerdings nur Hypothese, allein sie hat nichts Unwahr-
scheinliches für sich, namentlich wenn man die Grundform
der zwei grossen Pfeiler beim Beginn des Chorschlusses
in's Auge fasst.
Wird aber sodann die Anlage des Presbyteriums als
eine Umgestaltung einer frühem Anlage angenommen, so
spricht nichts mehr für die Annahme eines Baufortganges
von Westen nach Osten, sondern es wäre im Gegentheil
Grund, den ältesten Theil im Osten zu suchen.
Für die Thatsache aber, dass man der gewöhnlichen
Weise entgegen von Westen nach Osten gebaut hat, spre-
chen auch die ältere Detailform der Facade, insbeson-
dere die Capitäle der grossen Gallerie, die indessen so
alt erscheinen, dass sie als Beste eines älteren Baues
betrachtet werden müssen.
Mit Ausnahme nun des östlichen Theiles, also der gan-
zen Anlage des Presbyteriums sammt den zwei Thürmen,
mit Ausnahme ferner der Seitenschilfe, der grossen Kuppel
jenseits der Vierung, die höher sind als die Seitenschilfe
des Langhauses, sind wir allerdings geneigt, das Gebäude
als Einen Gedanken anzuerkennen; allein ob Nicola Pisano
als Schöpfer zu betrachten ist, scheint uns mehr als un-
\iahrscheinlich, und zwar wegen der geringen Überein-
stimmung mit anderen ihm zugewiesenen Gebäuden, sodann
weil das Ganze vorzugsweise einen eonstructiven Gedanken
darstellt und weniger einen künstlerischen. Dieser hohe
Aufbau der Kuppeln und die Ableitung des Seitenschuhes
nach unten, obwohl keineswegs eine kühne Construction,
ist doch wesentlich ein constructiver Gedanke. Die Anlage
der grossen Strebepfeiler und Widerlagsaufmauerungen,
welche entsprechend den grossen Streben, die aus dem
Dache der Seitenschiffe herausgeben, sich an die Facade
anlehnen, sind nur als constructiver Gedanke aufzufassen;
als künstlerischer Gedanke gewiss nicht, denn sie geben der
Fapade ein fast barbarisches Ansehen. Nicola Pisano, der

fein fühlende Künstler, hätte diese Form nicht geduldet und
sich desshalb um eine andere Construction umgesehen.
Überhaupt entspricht das Schwere und Massenhafte keines-
wegs dem Pisano. Wir müssen desshalb seine Urheber-
schaft so lange jedenfalls in Zweifel ziehen, bis sie authentisch
nachgewiesen ist, was schwerlich geschehen wird. Sicher
würde auch, wenn Nicola der Baumeister gewesen wäre,
seine Urheberschaft ausser Zweifel sein, da er ein viel zu
selbstbewusster Künstler war, um Mit- und Nachwelt im
Unklaren über seine Werke zu lassen. Wir sind vielmehr
der Ansicht, dass ein bescheidener Laienbruder des Klo-
sters, der vielleicht einen grossen Theil der Welt gesehen
hatte, den Plan entwarf, und dass bescheidene Laienbrüder
auch nach dem ersten Meister den Bau weiter führten, wie
auch ein solcher ihn beendete.
Eine fernere Lücke ist die über die Gestalt des ehe-
maligen Grabes des heiligen Antonius. Wir haben der
Übertragung im Jahre 1263 Erwähnung gethan. Eine
eigene Capelle bestand damals noch nicht, und die Tradi-
tion sagt, dass die Beliquie zwischen zwei Pfeilern unter
der Kuppel des Kreuzschiffes, also unmittelbar hinter dem
Hochaltar aufgestellt wurde, der sich unter der Mitte der
Kuppel befand. 1310 fand eine weitere Übertragung. der
Area in das nördliche Kreuzschiff statt, das wie noch jetzt
leicht zu ersehen ist, ehemals einen Eingang hatte. Wir
sind nun nicht mit Gonzati der Ansicht, dass die Aufstellung
unmittelbar hinter dem Hochaltar hlos provisorisch gemeint
war, sondern halten sie für definitiv, und glauben dass blos
die hohe Verehrung der gläubigen Pilger, die sich in gros-
sen Schaaren zur Area drängten, Veranlassung zu weiterer
Übersetzung gab. Nun mag allerdings damals schon im
Jahre 1310 der Eingang vermauert und eine Arcatur zum
Abschluss gegen das Schiff gezogen und so durch eine Wöl-
bung eine Capelle gebildet worden sein. Wir sind indessen
nicht zu dieser Annahme verpflichtet, sondern glauben viel-
mehr, dass das Kreuzschiff blieb wie es war, und dass ein
Baldachin auf Säulen über der Area erbaut wurde. Denn die
damals aufgestellten Säulen sind noch vorhanden. Erst im
Schlüsse des XV. Jahrhunderts mag man sodann in Über-
einstimmung mit der S. Felixcapelle eine derartige Dispo-
sition für die S. Antonscapelle verlangt haben. Dies mag
der Grund der älteren Erneuerungen gewesen sein, bis im
Beginn des XVI. Jahrhunderts die jetzt bestehende Capelle
errichtet ward.
Als offene Frage müssen wir endlich auch noch die
Fa^adenhalle betrachten, da auch hierüber keine ganz
sicheren Daten vorliegen.

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