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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 4 (April 1863)
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Literarische Besprechungen
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0127

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117 —

alte diese Kirchen (etwa den Augsburger Dom und St. Zeno bei
Reichenhall ausgenommen) weit hinter den Hauptwerken der an-
deren Gegenden zurück. Eben so wenig entschädigen sie durch
Schönheit derDetaiiausi'ührung, und nur eine wiide, oft räthseihafte
Phantastik zeugt von einem tief innerlichen, aber schwerfälügen
Drange nach höherem künstlerischen Schaffen. Interessant ist da-
gegen (und darin herrscht wieder Anaiogie mit dem österreichischen
Kunstgebiete) die Vorliebe für kleinere, oft originelie Anlagen,
darunter mehrfach Doppelcapellen sich finden und von denen wir nur
auf die Capellen zu Alt-Ötting, Mühldorf, Laufen, Steingaden, auf
die originelleTrausnitz-Capelle beiLandshut, sowieaufdiezuAlten-
furt, endlich die Burg- und die Eucharius-Capelle zu Nürnberg hin-
weisen wollen. Es wäre wünschenswerth gewesen, wenn der Ver-
fasser davon etwas durch Abbildungen zur Anschauung gebracht
hätte.
Alle übrigen gleichzeitigen Werke Baierns werden überragt von
den frühromanischen Bauten Regensburgs. Dank den gründlichen
Untersuchungen F. v. Quasfs, denen der Verfasser einfach nur zu
folgen brauchte, und deren Ergebnissen ich nach kürzlich vorge-
nommener Prüfung der Monumente an Ort und Stelle völlig zustimme,
sind diese wichtigen Denkmale erschöpfend gewürdigt. Eine stö-
rende Ungenauigkeit ist dem Verfasser mit der Angabe der Lebens-
zeit des Abtes Reginward passirt, der für die Baugeschichte von
St. Emmeran so wichtig ist. Während dieser Abt von 1049 —
1064 regierte, liest man auf S. 61 die Zahl 1039—1036, auf S. 104
dagegen 1049—1061.
Der Schwerpunkt der ferneren Bauentwickelung liegt dann für
Baiern selbstverständlich in den pfälzischen und fränkischen Kreisen.
Voran der Gigant unter allen romanischen Bauten Deutschlands, der
Königsdom zu Speier.
Auch hiefür hatF. v. Quast zum ersten Male die kritische
Sonde mit Umsicht und Gründlichkeit angewendet. Allein nach den
neuesten, besonders durch Hübsch hervorgezogenen Resultaten der
technischen Untersuchung des Mauerwerkes scheint wirklich der
gewaltige Bau gleich auf eine gewölbte Decke angelegt zu sein , und
deren Ausführung, etwa gegen Anfang des XH. Jahrhunderts, kann
demnach nicht mehr als undenkbar zurückgewiesen werden. Was
unser Verfasser für dies ungewöhnliche Verhältnis anführt, ist im
Ganzen stichhaltig, nur hätte er nicht hinzufügen sollen, dass der
Dom zu Mainz unter den Erzbischöfen Willigis und Bardo „wohl als
gewölbter Pfeilerbau erstand" (S. 93), da ihm die von Watten-
bach beigebrachte und von Quast (8. 21) mitgetheiite Stelle der
Vita Bardonis bekannt sein musste, welche bezeugt, dass jener Bau
eine hölzerne Felderdecke besass.
Betrachten wir diese jüngsten Resultate der Untersuchungen
über den Speierer Dom, so sind sie wohl geeignet, uns über das
überaus verschiedene Mass, nach welchem die Baubewegung in den
einzelnen Provinzen damals fortschritt, einen merkwürdigen Auf-
schluss zu geben. Halten wir gleich neben jenes Beispiel eines die
Zeit überflügelnden Fortschreitens einen Beweis vom Gegentheil, den
Dom zu Würzburg. Diesem grossartigen Gebäude ist bis jetzt in
der kunstgeschichtlichen Darstellung Unrecht geschehen. Nur
Schnaase (IV. 2, S. 148 ff.) geht, aufGrund scharfsinnigerUnter-
suchungen, genauer darauf ein. Was Sighart S. 172 ff. über den
Bau mittheilt, ist dürftig und ungenügend. Er hätte die drei Haupt-
epochen, die man an demselben erkennt, bestimmen und scharf
begrenzen müssen; vor Allem hätten einige Zeichnungen, wenigstens
ein Grundriss und eine sorgfältige Darstellung der merkwürdigen
Architcctur des Aussern nicht fehlen dürfen, da wir ausser dem (un-
genügenden) Grundriss bei Wiebeking (bürg. Bauk. Taf. Sl)
keine Zeichnungen des wichtigen Denkmals besitzen. Zunächst ist zu
bemerken, dass der ganze Fapadenbau sammt den beiden Thürmen
im Westen die entschiedensten Merkmale des XI. Jahrhunderts trägt.

Diese Theile sind aus Bruchsteinen in unregelmässigem Wechsel
rothen und grauen Sandsteines erbaut. Nur die sehr einfachen Li-
senen sammt den auf mageren Consolchen ruhenden Rundbogen-
friesen und den das Hauptportal umgebenden Theilen zeigen regel-
mässig bearbeitete Quadern. Das Portal selbst, wohl eines der dürf-
tigsten und schlichtesten der romanischen Zeit, ist aus rothem Sand-
stein ausgeführt. Es wird lediglich aus rechtwinkelig geschnittenen
Pfeilern gebildet, über welche ein grosser Steinbalken hingestreckt
ist. Dieser hat als Bekrönung eine Platte sammt Schmiege, jene
schlichteste aller romanischen Detailformen. Der Entlastungsbogen
über dem offenen Bogenfelde ist ebenfalls ohne alle Gliederung
und wird durch einen Wechsel rother und grauer Kalksteine herge-
stellt. Hier sind wahrlich die Incunabeln romanischer Architectur,
oder vielmehr es sind die auf das kärglichste Maass des unerlässlich
Nothwendigen zurückgeführten Elemente antik-römischer Baukunst.
Das Spröde und Magere der Formen findet seine Analogien in den
ältesten Regensburger Bauten, in St. Pantaleon zu Cöln, in den
frühesten Theilen der Kirche zu Gernrode, kurz in lauter Monu-
menten, die spätestens in die erste Hälfte des XI. Jahrhunderts
fallen. An Regensburg und an antike Vorbilder erinnert auch die
innere, dem Mittelschiff vorliegende Halle zwischen beiden West-
thürmen mit der Nischengliederung ihrer Seitenwände. Endlich zeigt
die geringe Breite des Westbaues, dass derselbe einem früheren,
kleineren Dome angehört. Die ganze Breite der Facade beträgt näm-
lich nach meiner Messung im rhein. Maass 62 Fuss 10 Zoll, wovon
etwa 30 Fuss auf die ehemaligen Seitenschiffe, einige zwanzig auf
die Weite des Mittelschiffes, das Übrige auf die Pfeiler desselben
und die Eckmauern 6el. Dagegen hat der Dom, wie er jetzt noch
dasteht, eine lichte Mittelschiffweite von 44 Fuss, wozu eben so viel
für beide Seitenschiffe und je 4 Fuss 10 Zoll für die Pfeilerstärke
kommen. Alle andern Anzeichen sprechen ebenfalls dafür, dass dieser
mächtige Schilfbau, der selbst jetzt nach seiner Verzopfung noch
einer der imposantesten in Deutschland ist, später als die auf einen
schmaleren Bau berechnete Fapade sein muss.
Wenden wir nun die vorhandenen Daten auf den Bau selbst an,
so kann der Westbau schwerlich in spätere Zeit gerückt werden,
als in die Epoche von 1042, wo Bischof Bruno „den Chor mit zwei
Thürmen erbaute und die Kirche erweiterte". Erwägt man nun die
äusserst primitive Gestalt der Details an den östlichen Theilen, na-
mentlich der Apsis, den höchst einfachen Sockel, die Würfelcapitäle
der Wandsäulchen mit ihren eingeritzten Voluten, überhaupt die
ganze sparsame, magere Gliederung; hält man ferner damitzusammen,
dass im Innern die Pfeiler an den Ecken der Apsiden ein aus Karnies
und Platte zusammengesetztes Gesims zeigen, so möchte man fast
versucht sein, auch den Beginn dieser Theile noch ins XI. Jahrhun-
dert zu setzen und gerade sie mit den Bauten jenes Bischofs Bruno
in Verbindung zu bringen. Wir ßnden nämlich erst um 1133 den
Beginn eines neuen Baues bezeugt, den ein ausdrücklich als Laie
bezeichneter Meister Enzelin unter Bischof Embrico ausführte. Da
wir nun aber erst im Jahre 1189 von einer Weihe hören, so ist es
wirklich nicht unwahrscheinlich dass diese ganze Zeit — wenngleich
mit Unterbrechungen — an dem grossen Werke gearbeitet worden
sei. Dass der Bau langsam fortrückte, lässt sich aus gewissen, wie
Sighart S. 83 sich ausdrückt, „hie und da vorspringenden Säulen-
iüssen" schliessen. Denn mit diesen Details kann er nur jene Reste
der ehemaligen Aussengliederung des nördlichen Seitenschiffes
meinen, die hinter den später vorgelegten Strebepfeilern zu Tage
treten. Diese aber als Reste des Bruno'schen Baues anzusehen und
sie mit dem Unterbau der Thürme zusammenzuwerfen, wie Sig-
hart auch andern Orts thut, zeigt nicht eben von kritischer Schärfe.
Denn der reich gegliederte Sockel, der mit den Säulen zusammen-
hängt und ebendort sichtbar wird, ist ein glänzendes Baustück aus
entwickelter Zeit des XII. Jahrhunderts.
 
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