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Österreich / Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale [Hrsg.]
Mittheilungen der K.K. Central-Commission zur Erforschung und Erhaltung der Baudenkmale — 8.1863

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Nr. 8 (August 1863)
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Weiss, Karl: Die Elfenbein-Reliquientafel des Domschatzes zu Agram
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https://doi.org/10.11588/diglit.25927#0242

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— 232

nicht, so trägt hiezu viel hei, dass wir nicht nur über das
Cuiturieben der aitchristiichen Epoche, sondern auch jener
Jahrhunderte, in denen nach den Stürmen der Völkerwan-
derung sich unter dem Eintlusse des Christenthums neue
Völkerstämme bildeten —ja dass wir seihst über die Kunst
der karoiingischen Zeit durch den Mangel an bedeutenden
Denkmaien nur dürftig unterrichtet sind. Für die Chrono-
iogie bieiben aber immer die Richtungen der monumentalen
Kunst von entscheidendem Einfiusse, da die Werke der
Kleinkünste stets mehr oder weniger davon abhängig sind.
Man hat in jüngster Zeit den Eifenbeinschnitzwerken
eine grössere Aufmerksamkeit zugewendet, um in diesem
Zweige der Kunstübung zu bestimmteren Ergebnissen in
der Forschung zu geiangen. Da dies aber nur durch eine
reiche Anschauung und eine eingehende Vergieichung der
vorhandenen Werke möglich ist, so woilen auch wir einen
Beitrag hiezu iiefern und der Beurtheilung der Kunst-
forscher eine Reliquientafel aus Eifenbein voriegen, die
gegenwärtig dem Domschatze zu Agram angeiiört und
schon auf der Aussteiiung des Wiener Aiterthumvereins im
Jahre 1860 grosses Interesse erweckt hat. Diese Tafel, von
weicher wir hier in natüriicher Grösse eine Abbiidung
gehen (Tat. Viil), ist aus vier gleich grossen Theiien zu
sammengesetzt, deren Ecken an dem Punkte, wo sie in der
Mitte zusammenstossen, wahrscheiniich zu dem Zwecke ab-
gesiossen sind, um daseibst eine Kreuzpartikei anbringen
zu können. Gegenwärtigistan derüffnung ein in messinge-
ner Fassung befindlicher Glasstein angebracht, der mit der
Holzplatte, auf welcher die Eifenbeintafel aufliegt, verbun-
den ist und durch seine Rosettenform die einzelnen Täfet-
clien zusammenhält. Sie wurde auf der Abbildung gleich
dem Holzrahmen der Elfenheintafel weggelassen, weil beide
der neueren Zeit angehören und sie nur den Gesammt-
eindruck des Kunstwerkes stören würden. Jedes der vier
Täfelchen theilt sich in zwei Felder, so dass Raum zu acht
Darstellungen gewonnen wurde, und ist mit akanthusarti-
gem Blätterwerk eingefasst. Die Vorstellungen, welche —
vom Standpunkte des Beschauers aus gerechnet — auf der
linken Seite oben beginnen, sich der Länge nach fort-
setzen und auf der rechten Seite dagegen von unten nach
oben sich anschliessen, sind folgende:
1. Verkündigung Mariens. Maria ist auf einer
Bank sitzend dargestellt; sie stützt die Fiisse auf einen
Schämel und wehrt mit der rechten Hand die Botschaft des
Engels ab, der vor ihr mit einem Pilgerstabe steht, und den
rechten Arm gegen Maria ausgestreckt hält. Die Architec-
tur, welche nur nothdürftig und ganz unbeholfen die Loca-
lität der Scene andeutet, besteht aus einer Säule mit
korinthisirendem Capitäle, durch welche der Engel von
Maria getrennt erscheint, ferner aus den Umrissen einer
geradlinig abgeschlossenen Thür, deren Pfosten auf der
einen Seite auf die Säule gestützt ist und von einem
aufgezogenen Vorhänge umschlossen sind; endlich oben

aus den Enden eines Daches. Zur Rechten Mariens steht
ein kleines Lesepult, auf welchem ein Buch ausgebreitet
liegt.
2. Geburt Jesu. Maria liegt auf einem, mit gefal-
teten Linnen bedeckten Kissen ausgestreckt, neben ihr
sind die Schuhe auf einem Schämel. Zu ihren Füssen sitzt
Joseph in nachdenkender Stellung, indem er den Kopf auf
den rechten Arm gestützt hält. Zwischen Beiden erhebt
sich ein Baum mit stylisirtem Laubwerk, über dessen
Krone die Krippe mit dem Jesukinde und den Köpfen der
zwei bei dieser Darstellung fast nie fehlenden Thiere an-
gebracht ist. Die Form der Krippe ist die eines Korbes mit
einem darüber gespannten Reife, in dem das Ornament des
Eierstabes angebracht ist. Zur rechten Seite der Krippe
erblickt man den Morgenstern in Form einer Rosette, und
zur Linken eine kreisförmige Architectur mit Thürmen, die
wahrscheinlich auf Jerusalem, den Ort der Abstammung
Jesu, hindeuten soll.
3. Die Taufe im Flusse Jordan. Jesus steht
nackt bis zu den Lenden im Flusse, umgehen von der Man-
dorla. über dem Haupte ist der heilige Geist in Gestalt
einer Taube sichtbar; rechts steht Johannes, eben im Be-
griffe, die Taufhandlung vorzunehmen; links zwei Jünger,
von denen der vordere ein Trockentuch in den Händen
hält. Nach obenzu umgeben die Scene auf jeder Seite
gleichfalls zwei Jünger, von denen die Brustbilder sicht-
bar sind.
4. Verklärung Christi. Christus steht, versehen
mit dem Kreuznimbus, in einer Mandorla auf einer Erhö-
hung, mit der Linken segnend und mit der Rechten eine
Sclniftrolle haltend. Zu beiden Seiten sind die Gestalten
des Moses und Elias, unterwärts liegen auf dem Boden die
drei Jünger, jeder derselben in einer andern Haltung. In
der Ecke der rechten Seite tritt die segnende Hand Gottes
und in jener der linken Seite ein Palmenzweig hervor.
5. Fusswaschung Simons und das letzte
Abendmahl. Eine Doppelvorstellung, zu welcher bei der
Beschränktheit der räumlichen Anordnung und bei dem
Umstande, dass die Darstellungen keinen geschlossenen Cy-
klus bilden, kein Grund vorhanden war, daher wir auch das
leitende Motiv des Künstlers nicht errathen. Simon sitzt
am Eingänge eines offenen von Säulen getragenen Hauses
und hat seine Füsse in einem vasenähnlichen Gefässe; vor
ihm steht Christus und schickt sich eben an, Simon die
Füsse zu waschen. Auch die Abendmahlsscene ist unter
der offenen Vorhalle eines Hauses gedacht. Christus sitzt
auf einer erhöhten gepolsterten Bank und hält die rechte,
Hand segnend ausgestreckt. Vor ihm ist ein ovaler mit
Fischen, Broten und einem Becher bedeckter Tisch.
Um den Tisch herum gruppiren sieh stehend und sehr
gedrängt die Gestalten der Apostel.
6. Der Abschied Christi von den Jüngern
und die Kreuzigung. Gleichfalls eine Doppeldarstel-
 
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