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Kapitel II
In den folgenden Jahren versuchten beide Seiten die von ihnen 1202 erho-
benen Ansprüche in vollem Umfang durchzusetzeA ". Johann Ohneland
nutzte seine ständige Anwesenheit in England zunächst dazu, den königli-
chen Zugriff auf die Kirche und den Adel seines Reiches zu intensivieren.
Erstmals seit langem hatte England wieder einen König, der sich überwie-
gend auf der Insel aufhielt (und nicht wie seine Vorgänger einen großen Teil
seiner Zeit in seinen Besitzungen auf dem Festland verbrachte). Der Erfolg
seiner Unternehmungen gegen Schottland, Irland und Wales stärkten seine
Stellung zusätzlich. Er steigerte seine Einkünfte, indem er das königliche Ver-
fügungsrecht über das Erbe Minderjähriger und die Verheiratung verwaister
Erbtöchter in ungekanntem Maße ausnutzte, er erhob direkte Steuern auf Be-
sitz und Handel und behaupte den königlichen Anspruch auf Mitsprache bei
der Einsetzung neuer Bischöfe. Selbst als Papst Innozenz III. im März 1208
das Interdikt über England verhängte, weil Johann seine Zustimmung zur
Einsetzung Stephen Langtons als Nachfolger Hubert auf dem erzbischöfli-
chen Stuhl von Canterbury verweigerte, stärkte dies zunächst die Stellung des
exkommunizierten Königs, denn nun konnten auch vakant werdende kirchli-
che Pfründen nicht mehr besetzt werden, und ihre Einkünfte flössen stattdes-
sen dem Königtum zu.
Erst als 1212 deutlich wurde, daß Johann die Ressourcen Englands mobili-
siert hatte, um einen neuen Versuch zu unternehmen, seinen verlorenen
Festlandsbesitz zurückzugewinnen, wandten sich seine Barone gegen ihn.
Gleichzeitig gewann Innozenz III. seine zuvor in der Auseinandersetzung mit
Otto IV. gebundene Handlungsfreiheit zurück, denn der gebannte Kaiser
mußte seine Unternehmungen in Süditalien aufgeben, um seine Herrschaft im
Reich nördlich der Alpen gegen Friedrich II. zu sichern, den der Papst gegen
ihn in Stellung gebracht hatte.
Sowohl Innozenz III. als auch Philipp II. bot sich nun die Gegelegenheit,
ihre Ehre wiederherzustellen, die der hartnäckige Widerstand Johanns gegen
ihre öffentlich verkündeten Urteile je länger je mehr beeinträchtigte. Mehr als
Jahre vier Jahre lang hatte sich Johann vom schärfsten Rechtsmittel des Pap-
228 Zum folgenden vgl. aus der Sicht Philipps II. von Frankreich BRADBURY (1998); CARTELLIERI
(1899-1922), Bd. 4.2.; aus der Sicht Johann Ohnelands TURNER (1994); WARREN (1961); aus der
Sicht Papst Innozenz III. Raymonde FOREVILLE, Le pape Innocent III et la France (Päpste und
Papsttum 26), Stuttgart 1992; Brenda BOLTON, Philip Augustus and John. Two Sons in In-
nocent III's vineyard?, in: The Church and Sovereignty, c.590-1918. Essays in Honour of Mi-
chael Wilks, hg. v. Diana Wood (Studies in Church History 9), Oxford/Cambridge 1991, S.
113-134; Theo HOLZAPFEL, Papst Innozenz III., Philipp II. August, König von Frankreich,
und die englisch-welfische Verbindung 1198-1216 (Europäische Hochschulschriften III 460),
Frankfurt am Main 1991; Christopher R. CHENEY, Pope Innocent III and England (Päpste
und Papsttum 9), Stuttgart 1976; zu den Auswirkungen des Interdikts in England und zur
Lehensauftragung des Königreiches an den Papst jetzt außerdem Christopher HARPER-BlLL,
John and the Church of Rome, in: King John. New Interpretations, hg. v. Stephen D. Church,
Woodbridge/Rochester 1999, S. 289-315. Die Einkünfte Johanns und Philipps vergleicht auf
neuer Grundlage Nick BARRAT, The Revenues of John and Philip Augustus Revisited, in:
King John. New Interpretations, hg. v. Stephen D. Church, Woodbridge/Rochester 1999, S.
75-99.
Kapitel II
In den folgenden Jahren versuchten beide Seiten die von ihnen 1202 erho-
benen Ansprüche in vollem Umfang durchzusetzeA ". Johann Ohneland
nutzte seine ständige Anwesenheit in England zunächst dazu, den königli-
chen Zugriff auf die Kirche und den Adel seines Reiches zu intensivieren.
Erstmals seit langem hatte England wieder einen König, der sich überwie-
gend auf der Insel aufhielt (und nicht wie seine Vorgänger einen großen Teil
seiner Zeit in seinen Besitzungen auf dem Festland verbrachte). Der Erfolg
seiner Unternehmungen gegen Schottland, Irland und Wales stärkten seine
Stellung zusätzlich. Er steigerte seine Einkünfte, indem er das königliche Ver-
fügungsrecht über das Erbe Minderjähriger und die Verheiratung verwaister
Erbtöchter in ungekanntem Maße ausnutzte, er erhob direkte Steuern auf Be-
sitz und Handel und behaupte den königlichen Anspruch auf Mitsprache bei
der Einsetzung neuer Bischöfe. Selbst als Papst Innozenz III. im März 1208
das Interdikt über England verhängte, weil Johann seine Zustimmung zur
Einsetzung Stephen Langtons als Nachfolger Hubert auf dem erzbischöfli-
chen Stuhl von Canterbury verweigerte, stärkte dies zunächst die Stellung des
exkommunizierten Königs, denn nun konnten auch vakant werdende kirchli-
che Pfründen nicht mehr besetzt werden, und ihre Einkünfte flössen stattdes-
sen dem Königtum zu.
Erst als 1212 deutlich wurde, daß Johann die Ressourcen Englands mobili-
siert hatte, um einen neuen Versuch zu unternehmen, seinen verlorenen
Festlandsbesitz zurückzugewinnen, wandten sich seine Barone gegen ihn.
Gleichzeitig gewann Innozenz III. seine zuvor in der Auseinandersetzung mit
Otto IV. gebundene Handlungsfreiheit zurück, denn der gebannte Kaiser
mußte seine Unternehmungen in Süditalien aufgeben, um seine Herrschaft im
Reich nördlich der Alpen gegen Friedrich II. zu sichern, den der Papst gegen
ihn in Stellung gebracht hatte.
Sowohl Innozenz III. als auch Philipp II. bot sich nun die Gegelegenheit,
ihre Ehre wiederherzustellen, die der hartnäckige Widerstand Johanns gegen
ihre öffentlich verkündeten Urteile je länger je mehr beeinträchtigte. Mehr als
Jahre vier Jahre lang hatte sich Johann vom schärfsten Rechtsmittel des Pap-
228 Zum folgenden vgl. aus der Sicht Philipps II. von Frankreich BRADBURY (1998); CARTELLIERI
(1899-1922), Bd. 4.2.; aus der Sicht Johann Ohnelands TURNER (1994); WARREN (1961); aus der
Sicht Papst Innozenz III. Raymonde FOREVILLE, Le pape Innocent III et la France (Päpste und
Papsttum 26), Stuttgart 1992; Brenda BOLTON, Philip Augustus and John. Two Sons in In-
nocent III's vineyard?, in: The Church and Sovereignty, c.590-1918. Essays in Honour of Mi-
chael Wilks, hg. v. Diana Wood (Studies in Church History 9), Oxford/Cambridge 1991, S.
113-134; Theo HOLZAPFEL, Papst Innozenz III., Philipp II. August, König von Frankreich,
und die englisch-welfische Verbindung 1198-1216 (Europäische Hochschulschriften III 460),
Frankfurt am Main 1991; Christopher R. CHENEY, Pope Innocent III and England (Päpste
und Papsttum 9), Stuttgart 1976; zu den Auswirkungen des Interdikts in England und zur
Lehensauftragung des Königreiches an den Papst jetzt außerdem Christopher HARPER-BlLL,
John and the Church of Rome, in: King John. New Interpretations, hg. v. Stephen D. Church,
Woodbridge/Rochester 1999, S. 289-315. Die Einkünfte Johanns und Philipps vergleicht auf
neuer Grundlage Nick BARRAT, The Revenues of John and Philip Augustus Revisited, in:
King John. New Interpretations, hg. v. Stephen D. Church, Woodbridge/Rochester 1999, S.
75-99.