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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Bibliogr. antecedent]; Weinfurter, Stefan [Bibliogr. antecedent]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

DOI Page / Citation link:
https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0031

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Einführung

27

Zwar handelt es sich nur bei der Historischen Familienforschung um ein Teil-
gebiet innerhalb der Sozialgeschichte, das sich ausschließlich diesem einen
Gegenstand widmet, während die Historische Anthropologie und die Frauen-
und Geschlechtergeschichte eher Perspektiven als Teildisziplinen sind und
letztlich auf die allgemeine Geschichte zielen. Doch die Übereinstimmungen
sind offenkundig und schlagen sich inzwischen auch in begrifflichen Ver-
knüpfungen nieder (historisch-anthropologische Familienforschung, histo-
risch-anthropologische Geschlechtergeschichte"'). Um nur drei Punkte zu nen-
nen: Alle drei Ansätze verstehen sich interdisziplinär (mit besonderer Nähe
zur Sozial- bzw. Kulturanthropologie und Ethnologie). Sie wenden sich Men-
schen als aktiven Gestaltern historischen Geschehens zu; dies geschah zu-
nächst in bewußter Abkehr von einer zeitweilig stark strukturorientierten So-
zialgeschichte. Und sie teilen die geschlechterdifferenzierende Perspektive:
Historische Familienforschung und Historische Anthropologie richten ebenso
wie die Frauen- und Geschlechtergeschichte den Blick auf Frauen und Män-
ner und deren Beziehungen, sie sind gewissermaßen per se geschlechterorien-
tiert und kommen ohne die analytische Kategorie Geschlecht nicht aus. Aller-
dings wurde dies erst auf Initiative von Anthropologinnen und Familienfor-
scherinnen theoretisch reflektiert.
Die drei Ansätze beeinAußten einander in ihrer Entwicklung und wissen-
schaftlichen Etablierung. Die Historische Familienforschung etwa hat seit ih-
ren Anfängen in den 60er Jahren eine Fülle von Themen und methodischen
Ansätzen umfaßt und im Laufe von rund 30 Jahren mehrfach neue Hauptten-
denzen verfolgt: von einer historisch-demographischen zu einer strukturfunk-
tionalistischen Ausrichtung, von lebensweltlichen Schwerpunkten hin zu ei-
ner umfassenden historisch-anthropologischen Neuorientierung/" Diese Neu-
orientierung legt es heute nahe, für weite Bereiche der Historischen Familien-
forschung geradezu von historisch-anthropologischer Familienforschung zu
sprechen. ' Damit ist die unter deutschsprachigen Historikern erstmals von
Thomas Nipperdey am Ende der 60er Jahre erhobene Forderung nach einer
Anthropologisierung der Geschichtswissenschaft seitens der Historischen Fa-
milienforschung weitgehend eingelöst. ^ Man kann zugleich auch umgekehrt
mit Dressei feststellen: Die Historische Familienforschung war ihrerseits ge-
radezu ein Katalysator für die Historische Anthropologie, eben wegen der ge-

Frauen- und Geschlechtergeschichte, Geschichte der Geschlechterbeziehungen bei ßORGOL-
TE, Sozialgeschichte, S. 384-444. WALSH, Bild. RÖCKELEIN, Frauenforschung. PETERS, Dyna-
stengeschichte (S. 7-25: »Mittelalterliche Familie und Familienforschung«, S. 25-44: »Histori-
sche Familienforschung und mittelalterliche Literatur«),
49 Diesen Begriff prägte Rebekka HABERMAS, Geschlechtergeschichte, S. 486. Vgl. auch den
»mikrohistorisch-geschlechtergeschichtlichen Ansatz« ihrer familienhistorischen Habilitati-
onsschrift: HABERMAS, Frauen.
50 MlTTERAUER/ORTMAYR, Vorwort, S. 11. EHMER/HAREVEN/WALL, Vorwort, S. 12. Vgl. den
Überblick über die Phasen und Schwerpunkte der Historischen Familienforschung bei FREI-
TAG, Haushalt, und HAREVEN, Geschichte.
51 Zu ihren wichtigsten Repräsentanten gehören Michael Mitterauer (vgl. DERS., Historisch-an-
thropologische Familienforschung) und Tamara K. Hareven (vgl. zuletzt ihre Aufsatzsamm-
lung: Familiengeschichte).
52 Vgl. DRESSEL, Historische Anthropologie, S. 62f.
 
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