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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0269

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265

Raumbezüge und Sozialtopographie

Margarethe ab, als sie sich gegen ihre Verheiratung bzw. Klostereinweisung
auflehnten. Er ließ ihre Aussteuer an Kleinodien und Prunkgewändern ein-
kassieren und die Mädchen in Gewahrsam nehmen.'"

2.2. Dimensionen von Öffentlichkeit und Nichtöffentlichkeit
Die junge Herzogin Ursula von Münsterberg wandte sich wenige Wochen
nach ihrer Hochzeit hilfesuchend an ihren Vater und ihre Stiefmutter, das
Markgrafenpaar Albrecht und Anna, wegen einer schweren Beleidigung, die
ihr ein böhmischer Adliger zugefügt habe. Angeblich hatte Zdenko von Stern-
berg »offenbarlich geredt vor vil lewten«, Ursula sei gar nicht Albrechts leib-
liche Tochter, sondern die Tochter seines Baders. Der Fürst habe bei der Ver-
heiratung die Mädchen ausgetauscht und sein eigenes Kind daheim behal-
, 382
ten.
Die Verbreitung dieses Gerüchts im Königreich Böhmen und im Für-
stentum Münsterberg versetzte Ursula in große Sorge, wiewohl ihr Mama und
seine Familie dem keinen Glauben schenkten. Ihr Vater sprang ihr denn auch
gleich, sekundiert von der Mutter, tröstend zur Seite und stellte den ver-
meintlichen Beleidiger zur Rede. " Albrecht wollte notfalls eine Vielzahl von
Zeugen dafür aufbieten, daß Ursula seine legitime Tochter sei: die weltlichen
und geistlichen Fürsten von Sachsen, Brandenburg, Hessen, Baden und Würt-
temberg, Erzbischöfe und Bischöfe, den Taufpriester und Ursulas Paten, die
Bewohner des Ortes (»stat«), wo sie erzogen worden war, ihre Stiefmutter,
das ganze Hofgesinde, die Ritterschaft und das ganze Land, mehrere Räte des
Königs von Böhmen als Mitwirkende bei der Heirat sowie schließlich Ursulas
leibliche Geschwister. Als weiteren Nachweis für Ursulas Legitimität führte
er ihr behütetes Aufwachsen an: Sie sei bis zu ihrer Verheiratung ebenso wie
ihre Geschwister niemals, keinen Moment lang, aus der Obhut seines Hauses
gegeben worden/"
Haus und Hof waren dieser Argumentation zufolge ein nach außen abge-
schirmter Ort mit gleichwohl öffentlichem Charakter. Beides, die Abgeschlos-
senheit als auch die innerhöfische Öffentlichkeit, vor deren Augen das fürstli-
che Familienleben stattfand, garantierten Schutz und Kontrolle.
Jenseits dieses Raums, zugleich auf ihn ausgreifend, erstreckte sich eine
aus Personen, Institutionen und Veranstaltungen gebildete weitere Öffent-

381 Siehe S. 118.
382 Ursula an ihren Vater, 12. April 1467. GStAB, BPH, Rep. 27 W 6. Schreiben an ihre Mutter
vom selben Tag bei STEINHAUSEN, Privatbriefe, Nr. 109, S. 81. Vgl. zu den Ereignissen im
Vorfeld von Ursulas Hochzeit unten S. 284ff.
383 Albrecht und Anna schrieben Ursula jeder für sich am 3. Mai 1467. Albrecht an Zdenko von
Sternberg am selben Tag, ein weiteres Schreiben an dessen Sohn vom 4. Mai 1467. Sternberg
beteuerte am 16. Mai Albrecht gegenüber, er habe niemals die unterstellten Reden geführt.
Sein Sohn unterstützte diese Aussage. Albrecht schickte Abschriften dieser beiden Briefe am
16. Juni an Ursula. GStAB, BPH, Rep. 27 W 5.
384 Albrecht an Ursula, 3. Mai 1467. GStAB, BPH, Rep. 27 W 5. »Haus« steht bei Albrecht für
»Haushalt«.
 
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