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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0061

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Die Markgrafen von Brandenburg-Ansbach

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wurde und wie es sich auf das Beziehungsgefüge auswirkte. Beide Autoren
verwenden den Begriff »Familienordnung« zum einen im Sinne eines länger-
fristig geltenden, ungeschriebenen Hausgesetzes für die ganze Dynastie.'"
Zum anderen verstehen sie darunter die konkreten, mündlichen und/oder
schriftlichen Verfügungen, mit denen Familienväter von Generation zu Gene-
ration jeweils aufs Neue über die Lebenswege ihrer Kinder bestimmten. Ge-
rade diese Doppeldeutigkeit läßt Konzept und Begriff der Familienordnung
als geeignet erscheinen, um die zwiefache Einbindung der Individuen in den
engeren Familienkreis und in den größeren dynastischen Verband zu charak-
terisieren.

4. Individuum und Gemeinschaft.
Zu den Voraussetzungen verwandtschaftlich-politischen
Handelns am Beispiel der Zollern
Für die Verkettung zwischen den einzelnen Mitgliedern fürstlicher Familien
und dem Kollektiv selbst sind vor allem drei Faktoren bestimmend. Erstens
das Bewußtsein der Zugehörigkeit: Es nimmt einen zentralen Platz im Den-
ken und Handeln der Individuen ein und prägt, einhergehend mit der Ab-
grenzung nach außen, ihre Selbstwahrnehmung.'' Diese Binnenperspektive
ist nicht zu trennen von der Außensicht, derzufolge Standes- und Familienzu-
gehörigkeit ebenfalls das entscheidende Kriterium für gesellschaftlichen Sta-
tus ist. Zweitens die Rangordnung " und in Verbindung damit die Prinzipien
der Gleichheit und der Ungleichheit, der Symmetrie und Asymmetrie: Rang-
und Privilegienansprüche prägen das alltägliche Gruppenleben. Drittens die
Orientierung an drei Bezugsgrößen: Interessen und Verpflichtungen der In-
dividuen sind ausgerichtet auf die eigene Person, die eigenen Nachkommen
und die »Herrschaft« insgesamt.
Es scheint mir wichtig, die Bedeutung des Zugehörigkeitsbewußtseins für
die Bereitschaft zum Zusammenhalt (bzw. für das Bedürfnis danach) hinrei-
chend zu betonen - gerade in Anbetracht der so zahlreich überlieferten Kon-
flikte. Diese haben die sozial- und kulturgeschichtliche Adelsforschung zu
dem gewiß berechtigten Schluß geführt, daß Individuum und Gruppe sich in
einem Spannungsverhältnis, wenn nicht gar auf einem »Terrain des Kamp-
fes« befanden."" Angesichts regelmäßiger Zusammenstöße erscheinen fürstli-
che Familien (ebenso wie bäuerliche Familien) aus heutiger Sicht als »Not-
und Terrorgemeinschaften zugleich«/" Diese Perspektive entspricht zum Teil

100 REIF, Erhaltung, S. 277. SPIESS, Familie, S. 454.
101 Vgl. KLAPISCH-ZUBER, Erfindung, S. 9. Kritisch zur heutigen Vorrangstellung von Selbster-
füllung gegenüber Gemeinschaftszugehörigkeit und Solidaritätsbeziehungen TAYLOR, Quel-
len, S. 876ff.
102 Ich folge mit diesem Begriff der ethologischen Bezeichnung für die Strukturen in hierar-
chisch organisierten Sozietäten. Vgl. BISCHOF, Rätsel, S. 300ff., 349ff.
103 So zuletzt ROGGE, Herrschaftsweitergabe, S. 11 (im Rückgriff auf Stephanie Coontz).
104 FOUQUET, Fürsten, S. 180.
 
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