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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0356

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352

Kapitel E

der verstorbenen Margarethe von Baden zu vernachlässigen.^ Einmal be-
schied sie Albrechts Bitte, auf ihren Mann dahingehend einzuwirken, daß er
sich dem König von Böhmen gegenüber in seinem Sinne verhalte, mit einer
Gegenforderung."" Ihr scheine, der Vater sei vielmehr ihnen gegenüber ver-
pflichtet. Er habe dem König in ihrem Interesse niemals auch nur ein kleines
Zettelchen geschrieben und möge daher, da er sie so lange vergessen habe,
ihm nun schreiben in Anbetracht ihres großen immerwährenden Gehorsams.
Sie verlasse sich ganz auf ihn und er möge ihr Schreiben gnädig aufnehmen,
da sie und ihr Mann bei niemandem auf der Welt besser Hilfe (»Zuflucht«)
fänden als bei ihm. Bei Ursula dienten supplikative Gebärden fast nur noch
dazu, eine unumwundene Aufforderung etwas höflicher erscheinen zu las-
sen. Wie bei Markgraf Johanns Auftreten gegenüber dem Vater (vgl. das vori-
ge Kapitel) ermöglichte es auch hier die geschriebene Sprache, an sich gegen-
läufige Verhaltensstrategien miteinander zu koppeln, sowohl Abhängigkeit
als auch Autonomie zu signalisieren.

2.2. »in gemüte, herzen, sinne und gedencken« -
Haltungen und Gefühlsausdruck

Die Handlungsweisen, das Ausdrucksgebaren und die Empfindungen (kurz:
das Verhalten), mit denen sich die Angehörigen fürstliche Familienangehöri-
ge und Verwandte untereinander begegneten, waren durchdrungen von rol-
lenspezifischen Erwartungen."" Väterliche Fürsorge, mütterliche Liebe und
kindlicher Gehorsam - jeder Beziehungskonstellation entsprach eine be-
stimmte Haltung. Sie war dem Anspruch nach nicht von außen aufgepfropft,
sondern wurzelte im »gemut«, das heißt in einer Instanz, die zusammen mit
dem Herzen den ganzen inneren Menschen - Geist, Seele, Triebe - ausmach-
, 229
te.
Haltungen sind in einem Lern- und Erfahrungsprozeß gewonnene, über-
dauernde, sozusagen gewohnheitsmäßige innere Einstellungen, Anschauun-
gen, Überzeugungen. Sie sind verquickt mit aktuellen Gefühlserlebnissen, da
sie auf dem Wege der Bewertung bestimmen, ob ein Gefühl als positiv oder
negativ wahrgenommen wird."" Die Haltung beeinflußt somit auch den Ge-

226 Albrecht ging ausführlich auf ihre Vorhaltungen ein und rechtfertigte sich. Er habe ihre
Mutter keineswegs vergessen und so gut wie möglich für sie und ihre Geschwister gesorgt.
4. Febr. 1480. PC 2, Nr. 645, S. 586f. Vgl. S. 61.
227 Am Tag der Kreuzerhebung, o. J. GStAB, BPH, Rep. 27 W 7.
228 Vgl. zum folgenden auch S. 63ff.
229 Entsprechend durfte Kurfürst Albrechts Grobheit gegenüber Markgraf Johann nach Ansicht
des Bischofs von Lebus nicht in seinem »gemut« gründen, da Johann von Albrechts Blut und
sein Sohn sei. Vgl. im vorigen Kapitel S. 346, Anm. 193.
230 Die Haltung verknüpft sich somit mit der kognitiven, aber auch mit der affektiven Kompo-
nente der Wahrnehmung. Die Haltung (attitude) gegenüber Emotionen (von Stearns als »e-
motionology« bezeichnet) geht ein »into the cognition by which individuals evaluate their
 
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