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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0343

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Rede und Schrift

339

also eine Situation spontanen Sprechens fingiert. Der Vater schlüpfte dazu
beim Schreiben mit einigem psychologischem Geschick in die Rolle der jung-
verheirateten Ehefrau und Schwiegertochter."'
Wiewohl als Vortrag aus Elisabeths Mund konzipiert und bis ins Detail
ausformuliert, sollte die Vorlage nicht abbildlich in dieser Form vermündlicht
werden, wie die beigefügten Regieanweisungen zeigen: »Nymm dein hof-
meinster darzu und bit ine, das ers rede. Und ob ers nit wol kondt, so thu es
selber. Du bedarffst die wort nit alle reden. Sag sovil, als dir not ist, aus der
maynung uf das kuurzstuV Elisabeth bzw. ihr Hofmeister sollte also nur eine
Auswahl Vorbringen, sich kurz fassen. Die schriftliche Version bot demnach
gegenüber der mündlichen einen Überschuß, der bei der Aufführung redu-
ziert werden konnte. Sie stellte kein Redemanuskript im heutigen Verständnis
dar, sondern fungierte trotz ihrer vollendeten Ausarbeitung eher wie ein
Stichwortkatalog zur freieren Gestaltung. Ähnlich hat man sich wohl auch bei
anderen Instruktionen die geplante Realisierung vorzustellen.
Ob als Bestandteile mündlich geprägter Kommunikationsvorgänge oder
als Dokumente, die - zumindest in einzelnen Versatzstücken - im Duktus der
Mündlichkeit daherkommen: Briefe waren, wie sich gezeigt hat. Äußerungs-
formen mit beträchtlicher Sprechnähe. Diese allgemeine Feststellung ist das
Ergebnis einer ersten überblicksartigen Musterung. Es wäre im Sinne der
Sprachpragmatik zu untermauern durch Analysen einzelner Dokumente und
nach Kommunikationszielen unterschiedener Brieftypen sowie des individu-
ellen Sprachgebrauchs. Zentral hätte dabei die hier nur punktuell angespro-
chene Frage zu sein, welche Beziehung (Rangverhältnis, Rollenverteilung,
Selbst- und Fremdeinschätzung usw.) zwischen Absender und Empfänger be-
stand."' Dazu gehört ferner die Vertiefung eines Aspekts, der gewöhnlich der
Literaturgeschichte zugeordnet wird, aber soeben mehrfach als Bestandteil
der sogenannten pragmatischen Kommunikation aufschien: die »Möglichkei-
ten fingierter und fiktiver sprachlicher Darstellung« im Brief.
2. Umgangsformen, Ausdrucksweisen, Verhaltensstrategien
Die Beziehungen zwischen Familienmitgliedern wurden maßgeblich von
zwei Momenten geprägt: dem Bewußtsein der Zusammengehörigkeit und
der Beobachtung des Rangprinzips. Ihr Verbundenheitsgefühl veranlaßte die

145 »Ich hab nichts anzuthon: soll ichs meinem vater schreiben? Das thu ich nit gern, ich schem
michs. Auch mocht es Unwillen gebern, und gedecht villeicht, ich verdienets. Ir slacht mir
die hofmeinsterin ab: so bin ich jung und töricht und ways mich nicht so wol zu halten, als
ich gern thet. [...] Ich bin unterweist, so ist mein herr jung: so bin ich nit hupscher, dann ir
mich sehet, und wolt, ich wer, das ich im als wol gefiel, als er mir, solt das nicht in im sein.
So ist mein swiger kranck, und wo mir mein sweher empfiel, so wer es mir swer [...]«. Zitiert
nach STEINHAUSEN, Privatbriefe, Nr. 512, S. 344.
146 »Und was dir begegent, las unns wissen. Doch thu es nicht vor ostern [...] Und in allweg so
gedenck unser gegen nymants!« Zitiert nach STEINHAUSEN, Privatbriefe, Nr. 512, S. 344.
147 Vgl. VON POLENZ, Satzsemantik, S. 73, zu den Erfordernissen einer pragmatisch-semanti-
schen Textanalyse. NlCKISCH, Brief, S. 237.
148 NlCKISCH, Brief, S. VI.
 
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