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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0032

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28

KapitelA

meinsamen Bezugsgröße Familie/' Nicht zuletzt wegen dieser thematischen
Gemeinsamkeit entwickelten sich schließlich intensive Beziehungen der Hi-
storischen Familienforschung und der Historischen Anthropologie zur Frau-
en- und Geschlechtergeschichte: Ohne den Bezugsrahmen Familie lassen sich
gerade für das Mittelalter die Beziehungen zwischen den Geschlechtern kaum
untersuchen.
Nebenbei bemerkt: Was katalysatorische Wirkungen angeht, so scheint
mir, daß die inzwischen recht erfolgreiche Etablierung von Frauen- und Ge-
schlechtergeschichte in der anfänglich heftig widerstrebenden deutschen Hi-
storikerzunft wesentlich durch die Anthropologisierung der Geschichtswis-
senschaft begünstigt wurde. Indem sich genuin geschlechtergeschichtliche
Fragestellungen und Themen zugleich als genuin anthropologische erwiesen,
wurden sie in den Augen mancher Historiker überhaupt erst wissenschafts-
würdig; damit schwand bei ihnen der Eindruck, es handle sich bei der Ge-
schlechtergeschichte um ein abgelegenes Randgebiet mit geringer Relevanz
für die allgemeine Geschichte.^
Abschließend sei noch erwähnt, daß sich »klassische« Sozialgeschichte
und anthropologisch orientierte Geschichtswissenschaft inzwischen weitge-
hend versöhnt haben. So konstatierte Jürgen Kocka bereits 1988, daß »eine
vergangene Wirklichkeit erst dann als historisch begriffen gelten kann, wenn
es gelungen ist, den Zusammenhang von Strukturen und Prozessen einer-
seits, Erfahrungen, Intentionen und Handlungen andererseits zu begreifen.«^
Welcher Platz dabei dem Phänomen Familie zukommt, beschreibt Tamara K.
Hareven: Das Hauptziel der Sozialgeschichte bestehe darin, »die Verbindung
zwischen dem Leben des einzelnen Menschen und dem kleinen Raum seiner
unmittelbaren Erfahrungen mit den großen Prozessen des sozialen Wandels
zu verstehen. In dieser Verbindung spielt die Familie eine zentrale Rolle. Sie
ist eine Arena, in der viele der Beziehungen zwischen Individuen und Gesell-
schaft ausagiert werden. Die Familie diente und dient auch als Vermittlungs-
instanz zwischen Individuen, Institutionen und den Prozessen des sozialen
Wandels.«^

4.2. Familie und Verwandtschaft im Adel
Im Kontext der historisch-anthropologisch und geschlechtergeschichtlich ori-
entierten Familienforschung entstanden in den vergangenen Jahren mehrere
einschlägige Arbeiten zu adligen Familien im späten Mittelalter und in der

53 DRESSEL, Historische Anthropologie, S. 86.
54 Die Erkenntnis, daß es um eine Perspektive geht, die auf die allgemeine Geschichte zielt, hat
sich allerdings längst noch nicht allerorten durchgesetzt. Zudem ist dieser Ansatz zu »einer
Betrachtung der gesamten Geschichte unter der Kategorie des Geschlechts [...] in bezug auf
die mittelalterliche Geschichte bislang wenig konkret erprobt«, GOETZ, Moderne Mediävi-
stik, S. 280.
55 KOCKA: Paradigmawechsel, S. 75, hier zugespitzt auf alltagsgeschichtliche und mikrohi-
storische Ansätze.
56 HAREVEN, Familie, S. 20.
 
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