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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0048

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44

Kapitel B

ren, mit einer bedeutenden Position im Reich, und daß der Weg zum weiteren
Aufstieg Kurbrandenburgs geebnet war.'"

2. Familien- und Dynastiebewußtsein
Adliges Familien- und Dynastiebewußtsein ist auf drei zeitliche Ebenen aus-
gerichtet, die miteinander verklammert sind: Vergangenheit, Gegenwart und
Zukunft. ' Die Erinnerung an die gloriose Vergangenheit legitimiert, stärkt
und überhöht die gegenwärtige Situation durch den Verweis auf das altehr-
würdige Eierkommen und die Leistungen der Vorfahren. Sie stützt damit un-
mittelbar das familienbewußte Denken und Handeln der lebenden Angehöri-
gen, die sich verpflichtet fühlen, in die Fußstapfen ihrer Vorgänger zu treten.""
Rückgewandte Gedächtnisbewahrung ist als Gedächtnisstiftung zugleich zu-
kunftsgerichtet." Dies wirkt sich sowohl auf repräsentativer Ebene (durch
Denkmalsetzung) als auch auf pragmatischer Ebene aus. Das gegenwartsbe-
zogene Familienbewußtsein, so unmittelbar zweckbezogen und kurzfristig
orientiert es im konkreten Fall, etwa bei einem Vertragsabschluß, auch sein
mag, betrifft stets auch die Zukunft mit. Dies wird häufig auch artikuliert, et-
wa im Wunsch, die Kontinuität mit der Vergangenheit weiterhin zu wahren,
oder in der Absicht, für kommende Generationen zu sorgen. Wie eingangs
der Arbeit schon bemerkt, können gerade bei der Zukunftssicherung Famili-
ensinn und Dynastiebewußtsein auseinanderklaffen, wenn etwa die eigenen
Nachkommen zum Nachteil des Gesamtverbands bevorzugt werden, also das
Familieninteresse gegenüber dem dynastischen Bewußtsein im Sinne der »dy-
nastischen Räson« überwiegt.
Um Aufschluß über die politische und ständische Selbstverortung der
Markgrafen im 15. Jahrhundert zu gewinnen, soll hier zunächst kurz Umris-
sen werden, wie diese Dynastie ihren fürstlichen Rang mittels der Vergangen-
heit legitimierte und in welchen Formen und Medien sie die gv&dibiMS be-
wahrte."" Danach geht es um die Begriffe, die die Markgrafen für sich selbst
als herrschaftsausübenden Familienverband verwendeten. Solche Selbstbe-

20 NEUSTADT, Ansprüche, S. 48. SEYBOTH, Markgraftümer, S. 442. NEUGEBAUER, Hohenzollem,
S. 102.
21 Vg]. zum folgenden MELV1LLE, Vorfahren. SPIESS, Familie, S. 485-493. STUDT, Fürstenhof.
MÜLLER, Gedechtnus. GRELL/PARA VICINI/VOSS, Sammelband »Princes« (darin v. a. GRAF,
Erinnerungskultur). MOEGLIN, Entwicklung. STÄUBER, Herrschaftsrepräsentation.
22 Den väterlichen »fußstapfen nachzuvolgen« beabsichtigt beispielsweise Albrecht Achilles
mit der sog. Dispositio Achillea, vgl. CAEMMBRER, Testamente, Nr. 5, S. 30. Vgl. auch sein
Schreiben an seinen Bruder Friedrich, 28. April 1466, in dem er nach dem Hinweis auf die
trojanisch-römische Herkunft und die Verdienste der Markgrafen für Kaiser und Könige be-
kräftigt: »Wir wollen den fuszstapffen vnnser eitern als frum Fürsten nachgeen«. CDB C3,
Nr. 63, S. 76.
23 GRAF, Erinnerungskultur, S. 2, im Anschluß an Jan Assmanns Unterscheidung von retro-
spektiver und prospektiver Erinnerung.
24 Grundlegend dazu und für die folgenden Ausführungen Jean-Marie MOEGLIN, Toi burgrave
[...]. DERS., Bewußtsein, S. 631ff. DERS., Utilisation. DERS., Ehre, S. 88ff. DERS., L'honneur,
S. 340ff.
 
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