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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0389

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385

Art miteinander verbunden, die bezeichnend Air die soziale Verfaßtheit der
fürstlichen Familie als Gruppe ist.

3. Die Regulation von Nähe und Distanz
Wie alle sozialen Gruppen sahen auch fürstliche Familien und Verwandt-
schaftsverbände sich kontinuierlich mit der Aufgabe konfrontiert, auf dem
Spannungsfeld zwischen den Polen Nähe und Distanz ein gewisses Gleich-
gewicht auAechtzuerhaltenr Ob im Zusammenleben oder bei räumlich-
geographischer Trennung, immer wieder ging es darum, wieviel Nähe mög-
lich und wieviel Abstand nötig war. Ein Nähe/Distanz-Ausgleich - in psychi-
scher, sozialer, raum-zeitlicher, kultureller Ftinsicht - war unter Fürsten eine
Frage nicht nur allgemein menschlicher Gruppenbedürfnisse, sondern des po-
litischen Verhaltens. Unmittelbar anschaulich wurde dies in der Symbolik des
gemeinsamen Ehebettes, das für die Intaktheit der Beziehungen zwischen
zwei Familien stand. Hinzu kam die herrschaAliche Dimension, nach außen
und innen vor Augen geführt in der Rangordnung. Das interne Rangsystem
sorgte dafür, daß selbst die Vertrautheit im inneren Familienkern von - räum-
lich und zeremoniell markierten - Momenten der Distanz durchsetzt war.
Auf physische Nähe zum Herrscher mußten seine Angehörigen nicht minder
bedacht sein als sein Gefolge. Bei Familienkonflikten, die ja zugleich Herr-
schaftskonflikte waren, untermauerte er seine Position, indem er sich ihnen
entzog und unter Umständen selbst seiner Frau den Zutritt zu seiner Person
verweigerte. »Delinquente« Angehörige hielt er, auch nachdem eine gewisse
Annäherung und Reintegration stattgefunden hatte, auf Distanz, indem er sie
auf dem Schloßgelände abseits von den Famihenwohnungen oder sogar au-
ßerhalb des Hofs unterbrachte.
Das Ideal hieß, einem fundamentalen Drang nach Vertrautheit und politi-
schen Erfordernissen gleichermaßen entsprechend, Nähe zu stiften und zu be-
wahren. Es wurde in vielerlei Formen realisiert. Man wohnte und wirtschafte-
te zusammen nach dem Motto, daß vereinte Kräfte stärker sind als geteilte -
so formulierte es die verwitwete Kurfürstin Elisabeth, als sie ihren Hof mit
dem ihres Sohns zusammenlegte und dadurch anerkanntermaßen die Basis
zu seinem Aufstieg schuf. Geheiratet wurde vorzugsweise in der geographi-
schen Nachbarschaft und unter bereits verschwägerten Verwandten, wenn
möglich sogar nach endogamem Prinzip in Form von Linien- und Kreuzhei-
raten innerhalb der eigenen Dynastie. Bestehende Verwandtschaft ließ sich
terminologisch noch weiter intensivieren, indem man sie als kernfamiliales
Verhältnis ausgab. Verwandtschaftlich verbundene Freunde pflegten sorgfäl-
tig ihre Intimität (etwa in »Scherzbeziehungen« und »Buhlschaften«). Kinder

25 Vgl. SIMMEL, Soziologie, S. 289: »Alle Arten der Vergesellschaftung schieben das Individuali-
sierungs- und das Sozialisierungsbedürfnis innerhalb ihrer Formen oder auch ihrer Inhalte
hin und her, als würde der Forderung eines beharrenden Mischungsverhältnisses durch Ein-
setzung von qualitativ immer wechselnden Größen genügt«.
 
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