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Nolte, Cordula; Schneidmüller, Bernd [Begr.]; Weinfurter, Stefan [Begr.]
Familie, Hof und Herrschaft: das verwandtschaftliche Beziehungs- und Kommunikationsnetz der Reichsfürsten am Beispiel der Markgrafen von Brandenburg-Ansbach (1440 - 1530) — Mittelalter-Forschungen, Band 11: Ostfildern, 2005

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https://doi.org/10.11588/diglit.34725#0344

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340

Kapitel E

Angehörigen, auch bei räumlicher Trennung einander zu unterstützen und
Nähe zu suchen. Gleichzeitig wahrten sie selbst im täglichen Zusammenleben
Distanz, indem sie die Rangordnung sichtbar einhielten. Im Umgang mitein-
ander vergewisserten sie sich immer wieder dieser beiden Gegebenheiten.
Bald ging es ihnen um die Bekräftigung des Status quo, bald um Anpassun-
gen ihrer Rollen und den Ausbau ihrer Positionen innerhalb des sich verän-
dernden sozialen Gefüges.
Aus dem weiten Spektrum an Äußerungs- und Verhaltensweisen bei per-
sönlichen Begegnungen und in der Fernkommunikation werden hier jene zur
Untersuchung ausgewählt, die mit der Sprache operierten. Auf dem Wege
des sprachlichen Ausdrucksgebarens und darüber hinaus verweisen sie auf
konkretes soziales Handeln: auf angeforderten und gewährten oder verwei-
gerten Beistand in Wort und Tat, auf Formen der Geselligkeit bei Zusammen-
künften, auf die Herstellung und Meidung von emotionaler und physischer
Nähe.
Hingegen bleibt der Bereich des Körperverhaltens im engeren Sinn hier
ausgespart. Die alltägliche, mehr oder weniger ritualisierte oder spontane
Körpersprache im Familienumgang ist unserem Blick weitgehend entzogen,
anders als jene auf der politisch-öffentlichen Bühne, die seit einigen Jahren in-
tensiv untersucht wird."' Nur sporadisch wird deutlich, welche Körperkon-
takte Angehörige hatten, ob sie einander berührten, umarmten, zärtlich wa-
ren, und wie sie sich gestisch und mimisch - lachend, weinend, drohend -
auf führten.

2.1. Hierarchie und Sprachgestus
Unter den verschiedenen Möglichkeiten, Hierarchie zum Ausdruck zu brin-
gen (Körperhaltung und Gebärden, Kleidung, Rituale, Raumordnung, Zu-
gang zu Ressourcen), zeichnet sich die Sprache durch ihre Ambiguität aus. Sie
kann die bestehende Ordnung gleichzeitig demonstrativ untermauern und
unterschwellig aushöhlen. Explizite Äußerungen und implizite Botschaften
zwischen den Zeilen (sozusagen Subtext), Form und sachlicher Inhalt stim-
men nicht immer überein.
Der Brief, das unentbehrliche Medium der Fernkommunikation in fürstli-
chen Familien, zeigte an sich zuverlässig an, ob zwischen Absender und Emp-
fänger Symmetrie oder Asymmetrie bestand, solange die Verfasser sich an
den Brieflehren orientierten und innerhalb deren Formelspektrums Anreden,
Selbstbezeichnungen und Ehrwörter auswählten. Auch vergleichsweise in-
formelle, inoffizielle Korrespondenzen hielten sich diesbezüglich an Konven-
tionen und überließen wenig dem Zufall. " Innerhalb des formelhaften Rah-

149 Vgl. den schon mehrfach genannten Sammelband »Formen und Funktionen öffentlicher
Kommunikation im Mittelalter«, hg. von Gerd Althoff.
150 Darauf habe ich im Zusammenhang mit fürstlichen Autographen hingewiesen. NOLTE, Pey
eytler finster S. 190f.
 
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