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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Schmidt, Wilhelm: Giorgione und Correggio, 1, Giorgione
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0013

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Giorgione und Correggio.
Von Wilhelm Schmidt.

Die beiden Themata, die ich hier berühre,
weichen in der Auffassung der Kunstgelehrten
prinzipiell von einander ab. Bei dem einen,
Giorgione, herrscht eine solche Mannigfaltigkeit
der Meinungen, dass man beinahe sagen kann,
jeder denkt über jedes Bild wieder verschieden;
bei dem andern, Correggio, herrscht eine voll-
kommene Uebereinstimmung; ich wenigstens habe
abweichende Urteile nirgends gelesen. Es ist etwas
gefährlich, sich in beide Gegensätze hineinzuwagen,
jedoch kann ich mir das Zeugnis geben, dass ich
die Sache nicht übereilt habe. Ob nun freilich
meine Ergebnisse durchweg haltbar sind, das ist
bei der verwickelten Sachlage nicht vorherzusehen,
wohl auch nicht wahrscheinlich.
I.
Giorgione.
Giorgiones Ruf als eines epochemachenden
Künstlers hat es verursacht, dass eine Menge aller
möglichen Gemälde ihm zugeschrieben wurde. Aus-
gehen kann man nur von den beglaubigten Arbeiten,
der Madonna in Castelfranco (Tat. 1), dem Bilde bei
Giovanelli in Venedig (Taf. 2) und den sogenannten
drei morgenländischen Weisen in Wien. Dass diese
Werke einen gleichmässigen Charakter haben und
auch ohne die Beglaubigung einander zugeschrieben
werden müssten, erhellt deutlich. Sicher ist auch
die von Tizian vollendete Venus in Dresden (Taf. 3).
Bekanntlich hat Morelli dies Gemälde seinem
richtigen Urheber zurückerstattet, und ich halte mit
Wörmann (Dresdener Katalog, 1896, p. 92) die neuer-
dings ausgesprochenen Zweifel für unbegründet.
Prüfen wir nun die dem Künstler zugeschriebenen
Gemälde, so muss ich gestehen, dass nur sehr
wenig davon übrig bleiben kann.
Sicher scheinen mir die beiden Gegenstücke in
den Uffizien, die Probe des kleinen Moses (Taf. 4) und
Salomos Urteil, von denen freilich das letztere in
den Figuren durch Verputzen und Uebermalen arg
entstellt ist. Auch bei ihnen sind Zweifel laut ge-
worden, die ich für unberechtigt halte. Entstanden
sind die Bilder ca. 1499, wobei natürlich dieses
Datum sich um ein paar Jahre früher oder später
verschieben kann. Sie tragen noch den Stempel
der älteren venezianischen Schule, überhaupt jugend-
licher Unreife; die Figuren sind noch zu gestreckt,
die Landschaft zu kleinlich, der Baumschlag zu
hart. Dennoch haben wir hier den Ausgangspunkt

der Kunst des grossen Meisters und die beige-
gebenen Photographien dürften es erweisen.
Als sicheres Bild ist auch die venezianische
Darstellung Nr. 1126 in der Wiener Akademie zu
betrachten. Sie war ursprünglich Fresco, wurde
auf Leinwand übertragen, ist überhaupt so be-
schädigt, übergangen und gefirnisst, dass man eines
gewissen Verständnisses und eingehender Vertief-
ung bedarf, um sich den ursprünglichen trefflichen
Zustand zu versinnlichen. Es empfiehlt sich auch
einmal vor dem Bild stark zurückzutreten, wo die
Schäden mehr verschwinden und die lebensvolle
Auffassung und besonders auch die interessante
Lichtwirkung zur besten Geltung kommen. Zanetti
bringt in den Varie Pitture a Fresco, Ven. 1760,
auf Blatt 1 eine sitzende Figur nach Giorgione.
Trotz der weichlichen Verzopfung im Stiche kann
es kaum einem Zweifel unterliegen, dass sowohl
der Typus des Kopfes als auch die zeigende linke
Hand mit denen des deutenden Mannes auf dem
Wiener Akademiebild übereinstimmen. Auch die
rechte Hand dieses Mannes ist mit derjenigen des
rechts befindlichen „Weisen“ auf dem Gemälde der
kaiserlichen Sammlung im Prinzip identisch. Man
beachte auch die Figuren der sitzenden Männer.
Wir bringen hier die entsprechenden Nachbildungen.
Anwartschaft auf den Namen des Meisters von
Castelfranco hat noch der Hirtenknabe mit der
Flöte in Hamptoncourt, wenn nämlich, wie man
nicht ohne Grund annimmt, der Wiener David auf
das Gemälde zurückgeht, welches Vasari beim
Patriarchen von Aquileia gesehen hatte. Berenson
(Study and Criticism of Italian Art, 1901) bringt
von beiden Gemälden Abbildungen und hält den
„Shepherd“ mit Bestimmtheit für einen Giorgione.
Die Köpfe des „Shepherd“ und des David stimmen
überein. Leider ist der erstere durch eine braune
Kruste so entstellt, dass man über die Qualitäten
wenig sagen kann; so viel ist freilich klar, dass
er mit einer auch für die letzte Zeit Giorgiones
auffallenden malerischen Breite durchgeführt ist.
Es ist deshalb H. Cook’s (Giorgione, 1900, p. 48)
Hinweis auf den Flötenspieler in Padua, der ein
unzweifelhafter Torbido ist, nicht unberechtigt.
Jedenfalls gefällt mir diese Hypothese besser, als
die Ansicht Jacobsen’s (Repertorium für Kunst-
wissenschaft, 1901, p. 349), der „Shepherd“ sei
eine Kopie von Catena nach Giorgione. Ehe aller-
dings die Tünche des Hamptoncourt-Bildes nicht
herunter ist, wird man die Frage kaum mit Be-
 
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