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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Schmidt, Wilhelm: Giorgione und Correggio, 1, Giorgione
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0015

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stimmtheit erledigen können. Uebrigens findet
sich auch auf dem Dresdener Horoskop, das all-
gemein als Kopie gilt, ein mit dem David fast iden-
tischer Kopf. Es ist hier noch zu ermitteln, in
welchen Beziehungen beide Gemälde zu einander
stehen.
Sicherlich werden noch andere Werke des
Künstlers in Zukunft nachgewiesen werden und
zwar ohne jeden Zweifel oder Unsicherheit, aber
mit einer Reihe von verschiedenen Forschern ihm
noch heutigen Tages zugeschriebenen kann ich
nicht viel anfangen, sie sind im besten Falle un-
sicher, gewöhnlich aber unbedingt abzulehnen.
Ueber den „Sturm“ in der Akademie zu Venedig,
der heutzutage meist als Paris Bordone (!) gilt, habe
ich mich schon im Repertorium, 1900, p. 395, aus-
gesprochen. Es lässt sich mit Hilfe von Photographien
gut nachweisen, dass Palma der thatsächliche Ur-
heber ist, und zwar bis in die Einzelheiten hinein —
natürlich mit Ausnahme der übermalten Stellen.
Man muss sich nur die Adühe geben, genau zu ver-
gleichen und auch die Figuren der Hintergründe
Palma’scher Bilder heranzuziehen. Verhängnisvoll
wurde für den Maler, dass man sich ein einseitiges
Bild von ihm zurechtgemacht hatte, ein Verfahren,
das auch schon andern Künstlern zum Schaden
gereicht hat.
Die Petersburger Judith gilt allgemein als
unbestreitbar ächt. Eigentlich sieht sie nach der
Photographie fast wie ein Cariani aus; da aber
Photographien sehr täuschen können, und ich das
Original nicht gesehen habe, so erlaube ich mir
kein Urteil. Vielleicht nicht uninteressant ist es,
dass sich auf einer Radierung von P. Fr. Mola
(Bartsch 8), nackte Frau in Landschaft, ein ähnliches
Motiv findet; ohne Zweifel stehen Gemälde und
Stich in irgend einem, wenn auch vielleicht nur
indirekten Zusammenhang. Die Initialen T I auf
dem Blatte links unten werden Titianus Inventor
bedeuten; ob allerdings der grosse Vecellio that-
sächlich der Erfinder war, dafür bietet die Radierung
nicht genügenden Anhalt.
Was das berühmte Konzert des Palazzo Pitti
(Taf. 5) anbelangt, so liegt die Nachricht vor, dass es
neuerdings gereinigt und restauriert worden sei
und in diesem Zustande zu neuen Gesichtspunkten
auffordere. Ich muss allerdings gestehen, dass ich
die Ansicht Morelli’s teilte, will aber das Gemälde
gelegentlich neuerdings untersuchen und bis dahin
mein Urteil suspendieren.
Das ländliche Konzert des Louvre (Taf. 6) halte
ich für ein frühes Bild des Tizian. In den Nummern
1578 und 1580 bietet der Louvre hinreichend be-
weisende Beispiele, und es thut mir nur leid,
dass ich hier entsprechende Abbildungen nicht
bringen kann. Es steht den Paduaner Fresken
des Santo noch sehr nahe.
Als Werk des Meisters gelten auch die beiden,
stark übermalten Bildchen in der Pinakothek zu
Padua, welche im Klassischen Bilderschatz von
Reber und Bayersdorfer, X, 1431, reproduziert sind.
Einstimmig wird auch die kleine, ebenfalls über-
schmierte Tafel, Apollo und Daphne, im Seminario
patriarcale zu Venedig heutzutage als Giorgione

ausgegeben. Im Klassischen Bilderschatz findet es
sich Bd. XII, 1597, unter dem Namen Andrea
Schiavone, den Crowe & Cavalcaselle genannt hatten.
Weder an diesen noch erst recht nicht an den
grossen Maler aus Castelfranco ist hier zu denken.
Der wahre Name ist Giovanni Cariani, diesem ge-
hören auch nicht weniger als drei Gemälde in der
Nationalgalerie zu London an: No. 930 der Liebes-
garten, No. 1123 Venus und Adonis, die beide im
Katalog Schule des Barbarelli heissen, und No. 1695
Landschaft mit Nymphen und Hirten. Als Werk
des Cariani ist ferner anzusehen das im Castello
zu Mailand bewahrte Bildchen Lot und seine Töchter,
von Morelli Lotto getauft, von Frizzoni jedoch im
Archivio storico dell’ Arte IX, p. 218, woselbst auch
eine Abbildung, dem richtigen Urheber zurück-
gegeben. Ferner ist von Cariani der Cassone
Orpheus und Eurydike in der Galerie Lochis zu
Bergamo; Berenson bringt in seinem Study and
Criticism zu Seite 77 eine Reproduktion. Dass
die drei Gemälde der kaiserlichen Sammlung zu
Wien: der Apostel Johannes, ein Krieger und der
Angriff des Luscius (Nummern 205, 206, 207) mit
Unrecht Giorgione hiessen, sondern vondemBerga-
masken sind, wurde schon früher teilweise durch
Crowe & Cavalcaselle und Morelli und neuerdings
von allen dreien durch Wickhoff mit Recht behauptet.
Ebenso schreibt Berenson die Madonna mit Heiligen
im Louvre (No. 1135 als „Giorgione“) dem Cariani
mit unzweifelhafter Richtigkeit zu.
Venturi hat in dem Prachtwerk, La Galleria
Crespi, 1900, p. 143, die Madonna Tizians in der
Wiener Galerie, Nr. 176, dem Giorgione zugewiesen.
Gestehen muss man, dass dieselbe einen starken
Einfluss des letzteren zeigt, dennoch zweifle ich
nicht an der Urheberschaft des Cadoriners. Ein
Vergleich mit den beglaubigten Arbeiten des
Giorgione dürfte dies bestätigen. Mir scheint, dass
sich in der Madonna schon ein weiter entwickelter
Künstler bemerkbar macht, dass hier eine grössere
Breite des Sehens, um mich dieses Ausdruckes zu
bedienen, in die Erscheinung tritt. Sehr belehrend
ist der eingehende Vergleich des Kindes mit dem
Tamburinschläger Nr. 181 derselben Sammlung.
Die Hand der Madonna ist schon ganz tizianisch;
desgleichen ist die Landschaft schon durchtränkt
von tizianischen Formen, und das einzige wirklich
giorgioneske Motiv darin ist die kleine Figur des
unter dem Baume Sitzenden!
Der gleiche Forscher hat auch das männliche
Bildnis in Budapest, von dem er in der Galleria
Crespi, p. 141, einen Lichtdruck giebt, als Giorgione
bestimmt, was mir nicht verständlich ist. Dagegen
kann man ihm nur Recht geben, dass er das
Porträt des Antonio Broccardo ebendaselbst dem
B. Licinio zuschreibt und die schwache Kopie der
beiden Hirten auf ihren wahren Wert zurückführt.
Von B. Licinio stammt auch meines Erachtens
das sonst ausnahmslos dem Giorgione zugeteilte
männliche Bildnis in Berlin (Abbildung im Klassischen
Bilderschatz X, 1364). (Dagegen ist das Bildnis
in der Münchener Pinakothek, Nr. 1121, nicht von
Bernardino, wie Frizzoni in L’Arte 1900, p. 74,
meint, sondern ein Jugendwerk des Paris Bordone,
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