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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Voll, Karl: Albrecht Dürers Paumgartner-Altar in der Münchener Pinakothek
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0059

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waren, dass aber unter der Uebermalung das echte
Werk Dürers noch erhalten war. Daraufhin wur-
den die nötigen Schritte gethan, um eine Restau-
ration in die Wege zu leiten. So wurde in der
Pinakothek ein Dürer entdeckt, welcher Hergang,
so einfach er war, doch bereits namhaft entstellt
worden ist und darum hier in authentischer Form
erzählt wurde.
Professor Hauser hat in vierteljähriger, mühe-
voller Arbeit die Restaurierung durchgeführt, die
unter so glückverheissenden Auspicien unternom-
men wurde, wie kaum je eine andere. Während
die auch unter den obwaltenden Umständen noch
immer ausserordentlich delikate Arbeit des Trennens
der 300jährigen, festgewordenen Uebermalung von
der echten Dürerfarbe vorgenommen wurde, stan-
den immer die prachtvollen Photographien, die
Hanfstängl nach Leitners Tafeln angefertigt hatte,
zu zeiten sogar diese selbst, gewissermassen ratend
zur Seite. Es war nicht nötig und möglich, auch
nur einen Millimeter auf die von der Uebermalung
nicht betroffenen Partien überzugreifen Dement-
sprechend ist die Restaurierung auch sehr gut ge-
lungen. Die Ritter stehen jetzt wieder so vor uns,
wie sie Dürer angelegt hatte, befreit von dem
Schwulste der noch im Anfang des 17. Jahrhunderts
verübten Uebermalung. Wunderlich und glücklich
zugleich wie der Zufall bei der ganzen Affäre ge-
waltet hat, liess er, als die Tafeln restauriert waren,
den Verfasser auf zwei weitere Kopien stossen, die
sich im germanischen Museum befanden. Diese
stimmen Zug um Zug überein mit dem Zustande
der Tafeln, wie ihn Leitners Flügel und jetzt auch
die Originale aufweisen Die Kopien des germani-
schen Museums, die auffallenderweise ganz un-
beachtet geblieben waren, obwohl sie öffentlich
ausgestellt waren und im offiziellen Katalog be-
schrieben sind, wurden im Jahre 1613 von Jobst
Harrich angefertigt. Wir können also mit Sicher-
heit sagen, dass die Stifterflügel des Paumgartner-
Altars in der bekannten Weise nicht durch Dürer
selbst nachträglich umgeändert worden waren,
sondern dass sie erst nach 1613 übermalt wurden.
Die Frage, ob die Umänderung nicht etwa auf
Dürer zurückzuführen sei, musste insofern erwogen
werden, weil in der That der eine Flügel im Pferd
und in der Landschaft auffallend dürerisch aussah.
Dr. Habich hat nun darauf hingewiesen, dass diese
Partien sich an dem Kupferstich Ritter Tod und
Teufel angelehnt hatten. Die Verwandtschaft mit
Dürer ist dadurch gut erklärt und es legt dieser
Umstand auch ehrenvolles Zeugnis ab für den Ueber-
maler, der, wenn er schon einmal die Tafeln ver-
änderte, doch immerhin nicht nach eigenen An-
schauungen arbeitete, sondern echte dürerische
Motive dazu verwertete.
Was nun die erwähnten Kopien anlangt, so
sind die bei Herrn Leitner befindlichen gute ver-
ständige Arbeiten des 16. Jahrhunderts; das dazu
gehörige Mittelbild befindet sich in der Lorenzer-
Kirche zu Nürnberg. Die Tafeln des germanischen
Museums sind geringe Repliken aus dem Anfang
des 17. Jahrhunderts von der Hand des Jobst Har-
rich. Das zugehörige Mittelstück ist zur Zeit nicht

nachweisbar. Wie mir Herr Dr. Pallmann mitteilt,
befindet sich im städtischen Museum zu Frankfurt
eine Kopie des Mittelbildes. Anfänglich glaubte
man, da auch sie dem Jobst Harrich zugeschrieben
wird, dass sie zu den Tafeln des germanischen
Museums gehöre. Es finden sich aber solche Ab-
weichungen vom Originale, dass diese Annahme
unwahrscheinlich ist. Es scheint auch, dass die
Kopie im Frankfurter Museum nicht in Nürnberg,
sondern in München angefertigt wurde und also
nicht von Harrich stammt.
Nach alter Ueberlieferung trugen die Stifter-
flügel auf ihrer Rückseite, die im Altarwerk die
Aussenseite war, die Figuren der heiligen Katharina
und Barbara. Es war nun sehr befremdlich, auf
Leitners Tafeln eine Verkündigung zu sehen, die
offenbar in Dürers Stil gehalten war und die wohl
zu dem Altar passte. Das Dilemma war peinlich.
Die Tradition schien zwar auf gute Sachkenntnis zu-
rückzugehen; dem Kopisten aber, der doch direkt
vor dem Original gestanden hat, konnte der Glauben
nicht gut versagt werden. Da half die Untersuch-
ung der Originaltafeln. Sie waren auf der Rück-
seite grob und rot angestrichen und eine von
ihnen ist ausserdem in leider höchst plumper Weise
parkettiert. Als man die im besseren Zustand be-
findliche von der roten Farbe befreite, kam nun
wirklich eine Madonna zum Vorschein, wirklich
gerade so, wie sie auf Leitners Flügeln zu sehen
ist und wie sie auch auf den Nürnberger Kopien
wiederkehrt. Die Madonna ist wunderbar in der
feinen Empfindung und ist grossartig aufgebaut;
leider war sie schwer beschädigt und bei der
Restaurierung ist der alte Farbencharakter nicht
aufrecht gehalten worden. Die Konzeption und
Zeichnung dagegen sind noch rein und durchaus
echt von Dürer. Der zugehörige Verkündigungs-
engel ist leider nicht zu Tage gekommen und wohl
weggehobelt worden.
Die erwähnte Kopie des Mittelstückes, die in
der Lorenzer-Kirche hängt, weist rechts und links
unten in den Ecken kleine Stifterfiguren auf,
während die entsprechenden Stellen auf der Tafel
der Pinakothek glatt zugestrichen sind. Man hat
schon immer geglaubt, dass diese Figürchen noch
unter der Uebermalung erhalten seien und mancher
glaubte auch, die Köpfe erkennen zu können.
Etwas sicheres war jedoch nicht zu sagen und
man neigte schliesslich der Ansicht zu, dass die
runden Flecken, die man für Köpfe hielt, eben nur
Flecken seien und dass lediglich die Kopie die
Stifterfiguren trägt. Als der Verfasser aber kürz-
lich die Tafel in den sogenannten Fürstengang ins
helle Sonnenlicht bringen liess, kam die ganze Reihe
der männlichen Stifter klar zu Tage. Es wird nun
von einer weiteren Untersuchung abhängen, ob
es sich auch hier empfiehlt, die Uebermalung ab-
zunehmen.
Die Frage nach der Zulässigkeit der Restau-
rierung des Paiimgartner-Altars ist schon viel dis-
kutiert worden und kürzlich hat Dr. Dülberg in der
Kunstchronik die Meinung der vielleicht überwiegen-
den Mehrheit dahin zusammengefasst, dass es zwar
sehr interessant sei, nunmehr den Originalzustand der
 
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