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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Suida, Wilhelm: Von der Impressionisten-Ausstellung der Wiener Secession
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0129

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104

Der Gruppe der den Impressionismus aus-
bauenden Maler erscheinen analog eine Reihe von
Bildhauern, unter denen August Rodin, C. MeLi-
nie r und Jules D e s b o i s die grössten sind. Von
Rodin ist eine gewaltige „Hand Gottes“ und das
Porträt des Bildhauers Falguiere ausgestellt, von
Meunier einige seiner schlichten, kraftvoll trotzigen
Gestalten, die den leidenden Träger unserer Kultur,
den Arbeiter, als Held feiern; von Desbois, viel-
leicht dem poetischesten dieser Künster, ein Por-
trait Rodins und ein „Frühling“ genannter, überaus
schöner Kopf eines etwa 15jährigen Mädchens, in
dessen Blick ein ungeheueres schmerzliches Staunen
liegt. Würdig schliessen sich an der genannte
A. Charpentier mit einer grösseren Zahl
feinster Broncereliefs und Plaquetten, sowie der
feinsinnige Bo ur del le. Hervorragend ist eine
Beethovenbüste von F ix M asseau, dessen „son-
derbarer Wanderer“ in phantastischem Aufzuge,
seine Geige unterm Arm und Verachtung gegen
diese niederträchtige Welt um die Lippen, hoch-
aufgerichtet, frei seines Weges geht. Der Italiener
Medardo Rosso ist mehr wegen seines Einflusses,
den er auf andere, sogar einen Rodin ausübte,
interessant, als durch seine eigenen sehr unbestimmt
verschwommenen Wachs- und Broncefiguren, in

denen ein Streben nach malerischer Stimmung,
welche der Skulptur als solche immer verschlossen
bleibt, sich geltend macht. Als jüngster unter den
Bildhauern ist der Norwege Gustav Vigeland
in dieser Ausstellung zu Worte gekommen,
dem George Mimu verwandt in einer schema-
tischen und wenig angenehmen Art der Körper-
behandlung.
Wie alle Schlagworte unserer Zeit, so hat auch
„Impressionismus“ etwas unbestimmtes an sich.
Durch den Versuch, die Bedeutung des Wortes klar
zu definieren, gelangen wir zu der Ueberzeugung,
dass bezüglich der Zuteilung einzelner Künstler zu
den Impressionisten der Willkür ein grosser Spiel-
raum gegeben sei. Sollte man auch deshalb in
Bezug auf einige Werke der älteren Kunst den
Veranstaltern der Ausstellung Einwürfe zu machen
sich veranlasst fühlen, so bleibt doch ihr Verdienst
ungeschmälert. Es galt zum ersten Mal, die bisher
zumeist in ihrer Vereinzelung als durchaus will-
kürlich geltenden Werke nebeneinander und an
ihren gehörigen Platz zu stellen, wodurch allein
eine gerechte und Vorzüge sowie Mängel erken-
nende Beurteilung möglich ist. Ein ernst denken-
der Künstlergeist hat diese so dankenswerte Aus-
stellung zu stände gebracht.
 
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