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Monatsberichte über Kunst und Kunstwissenschaft — 3.1903

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Bruck, Robert: Die Originalentwürfe zu den Wittenberger Heiligtümern
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https://doi.org/10.11588/diglit.47725#0375

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304

einheitlicher, harmonischer dargestellt, wie bei
Cranach. Während die Zeichnung die Seiten-
türmchen mit ihren Wimpergen, Fialen und Wasser-
speiern deutlich und klar wiedergibt, erscheint bei
Cranach die Monstranz breiter und die Seitenteile
unorganischer zum Ganzen gebildet. Sehr weit-
gehende Verschiedenheiten treten uns z. B. bei der
Statuette „Maria mit dem Kind“ entgegen (Abbldg. 2).
Der Entwurf zeigt uns Maria mit Krone und Zepter
als Himmelskönigin in strenger, gerader Haltung da-
stehend, ihr Mantel ist, nur das Antlitz freilassend,
über den Kopf genommen, Cranach gibt uns eine

strenge Gotik vorherrscht, die bei Cranach dem
phantastischen, der Renaissance sich näherndem
Ast- und Blattrankenwerk gewichen ist.
Zeichnungen von bedeutenden Meistern der
Goldschmiedekunst, denn meist nur Goldschmiede
von Ruf beschäftigte der Kurfürst, sind selten,
einzelne ausgeführte Werke derselben aber doch
wohl noch in Kirchen und Museen aufbewahrt.
Vielleicht könnten daher die Federzeichnungen, von
denen ich hier einen Teil abbilde (Abbldgn. 1—4),
andere sind in meinem Buche über Friedrich den
Weisen als Förderer der Kunst (Strassburg, Heitz


Abbildg. 4.

seiner lieblichen, jungfräulichen Madonnengestalten,
mit langen herabwallenden Locken, eine junge
Mutter, die, den Kopf leise geneigt, in anmutiger
Gebärde dem bewegten Kinde, das sie auf dem
rechten Arme trägt, mit der linken Hand eine
Weintraube hinhält. — Ein Kästchen ist auf der
Zeichnung pultartig einseitig, bei Cranach in Form
eines Satteldaches zweiseitig gebildet, schliesst sich
aber sonst in der Ausführung der Holzkehlenleisten
und der Ornamentik sehr genau dem Entwürfe an.
Dass Cranach besonders die ganze Ornamentik,
wie wir nach dem verschiedenen Alter und der
Herkunft der Gegenstände annehmen müssen, sehr
frei in seinen Stil und in seine ihm eigene Manier
übertragen hat, beweisen die Handzeichnungen aufs
deutlichste, bei denen vielfach noch die frühere

1903) veröffentlicht, dazu dienen, einige Gold-
schmiedewerke mit ihnen insofern in Beziehung zu
bringen, dass man aus der Beurteilung des künst-
lerischen Zusammenhanges der Zeichnungen und
bekannter Werke die Persönlichkeiten der betr. Gold-
schmiede näher in ihrem Schaffen und Wirken be-
stimmen könnte. Einer unserer wichtigsten und be-
deutsamsten Zweige deutschen Kunstgewerbes des
ausgehenden 15. und des beginnenden 16. Jahr-
hunderts, die Goldschmiedekunst, ist fast ein unbe-
schriebenes Blatt geblieben und jeder, wenn auch
noch so kleine Beitrag muss willkommen sein, um
hierin unsere Kenntnis zu vermehren und zu ver-
helfen, diesem einst so glänzenden Kunsthand-
werke die Würdigung angedeihen lassen zu können,
die es verdient.
 
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