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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 1
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Schäfer, Wilhelm: Bernhard Hoetger
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0026

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Bernhard Hoetger.

„idealisicrte" Auffassung davon gleichsam von selber
einstellt. Hoctger hat sic in dem bekannten Marmorkops
versucht, der auf der Kölner Auostellung I9O6 viel
bewundert wurde und der heute im Folkwang-Muscum
zu Hagcn ist.

Daß er in diescm Fatl aus cincm Modell cinc Art
von ägpytischer Königstochter machtc, war schon unnötig,
lag aber von selber in dcr Bildung deS KopseS. Doch
war es daS erste Opfer an eine Bewegung, die unter-
dessen als Gegcnströmung
zu Rodin die jungcn Pariscr
Bildhaucr ergriffen hatte und
wohl zumeist von Aristide
Maillol ausging. Man sah
ein, daß man ntit dcm ittalc-
rischen Jnipressioniömuö trotz
Roffo im Schatten Rodins
blieb, daß man in diesem
Jungbrnnncn nach dcr leeren
akadcmischen Form begeistert
herumgeschwommen >var,
nun aber Sehnsucht nach dcm
„Land der Griechen" hatte.

Wobei man den ktmweg übcr
Agypten machte. Nicht zu-
sällig stebt bei Mcier-Gräse
als Einleitung seiner Ab-
bildungcn zum „Kampf um
dcn Stil" die Statue
Ramscs II- Aus ungebeucr
hartem Steinmatcrial mühe-
voll herausgeschlagen, können
diese Stückc wedcr mit male-
rischer Obersläche noch mit
sreimodcllierten Formen
prunkcn. Die Beine bleiben
mit geschloffcnen Knien
sitzend nebencinander, die
Händc legen sich eng dem
Körper an, dcr dadurch einc
einzige Maffe bleibt, von
jener wuchtigcn ftatuarischcn
Ruhe, die niemand sehn-
süchtiger suchte, als in Pariö
die Jmpressionistcn. So kam
Maillol zu seinen Statuetten
aus hartem Holz, die alleö
gotische Kantenwerk der Holz-
bildnerei vermieden, jenen
ägyptischcn Vorbildern gleich
die Formen massig rundetcn
und in strenger Haltung beieinander hiclten.

Solcher Holzbildcr zeigte auch Hoetger einige in
Elberseld, und die abgebildete Eva (Abb. Z) mag einen
Begriff geben, daß auf diesem Weg ftrenger Bindung
der Formen die plaftischc Wirkung gründlichcr und übcr-
zeugender zu erreichen ist, als mit dem verwirrenden
Lichtcrspiel der Oberfläche. Aber wenn in einer Büste
des bekannten Freiherrn von der Heydt die Obcrfläche
des starkcn Granits nun wieder in die Bronze über-
tragen wird, selbst in dcr Farbe: so wird man zu

deutlich auf die ägyptische Anregung hingewiesen. Diese
Büste ist von Hoetgers Arbeiten das wuchtigfte Stück,
aber sie sollte samt dcm hölzerncn Sockel aus zweierlei
Granit geschlagen die unheimliche Geschlossenheit ihrer
Formen im Material begründen.

Wenn auch nicht das aussälligfte, das eigenste Stück
Hoetgers bleibt trotz dieser neuen Wendung der Weibliche
Torso, den die Kölner Ausstcllnng I9O6 noch im
Bronzeguß und in realistischer Ausführung zeigte. Unter-

dessen hat er auch ihn in
Marmor idealisiert, und ob-
wohl er darüber aus Agypten
schon in Griechenland an-
gelangt scheint, wird niemand
dieses Stück Plastik ohne
eincn Schauer hcller Freude
betrachten können (Abb. 4).
Daö ist weder Rodin, noch
Maillol, noch Ngypten oder
schließlich Griecbenland, das
ist ein Künstler, der wieder
Geschmack genug für die
seltcnen Reize und Ein-
fachheit genug zur Darftel-
lung so großer Schönheit
hat. So herrlich der Men-
schenk'örper gewesen sein mag,
der hier Modell stand, dw
künstlcrische Behandlung hat
ihn wcit darübcr hinaus
gehoben und in die kleine
Reihe schöncr Werke gestellt,
die unS daö körpcrliche Jdeal
dcö Menschentumö in un-
vergeßlichen Erscheinungen
vor Augen ftellen.

Wer nun sagen möchte,
daß wir unterdeffen durch
die Wirkung Adols Hilde-
brandö in Deutschland an-
scheinend zum gleichen Ziel
gekommen seien ohne Rodin,
Maillol und Agypten: der
möge diesen Torso mit einem
plastischen Stück der Münch-
ner Schule vergleichen, um
seine größere Schönheit ein-
zusehen. Es gibt Unter-
schiede zwischen dekorativer
und künstlerischer Verein-
sachung, die dabei deutlich
werden. Bernhard Hoetger hat uns cin Stück der
seineren Kultur im Weften heimgebracht, abcr es gehört
ihm, weil er es sich sür seine eigcnc Begabung er-
worben hat. Daß er dicse pslegen möchte, ift unsere
Hoffnung auf ihn als cinen der Wenigen, die eine
künftlerische Hoffnung ihreö ganzen Volkes, nicht einer
lokalen Gemeinschast sind. Wie ost er noch nach Paris
gehen und welche Anregungen er sich dort holen wird,
ist schließlich seine Sache. Wenn es ihm nur gelingt,
sich selber zu behaupten und zu entwickeln wie bisher.

W. Schäfer.

Bemhard Hoetger: Cva. (Holz.)

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