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Verband der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein [Hrsg.]
Die Rheinlande: Vierteljahrsschr. d. Verbandes der Kunstfreunde in den Ländern am Rhein — 17.1909

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Heft 2
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Ostermann, A.: Bauernhochzeit
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Ludwig Finckh: Aus Rapunzel
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https://doi.org/10.11588/diglit.26460#0084

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Bauernhochzeit.

Nun habt ihr all genug getan
mit Saufen und mit Prasscn.

Eö kann der Wanst, man siehts euch an,
daö Füllsel kaum noch fassen.

Drum tanzt, ihr Leut, eh ihr zerspringt,

daö Blut wird euch gerinnen,

und wem der befte Sprung gelingt,

der soll was feins gewinnen:

ein Stückchen von dem Strumpfenband

der schönen Iungser Braut.

Und seht euch rings die Mädel an,
die sich schon ernstlich kränken;
ein' jeder tuts die Hochzeit an,
drum holt sie von den Bänken.

Die Tenne ist schön glatt gekehrt,

nun laßt uns einmal schauen,

wer nächstes Jahr zur Kirche fährt, —

wir wollen heut schon trauen

mit einem Stückchen Strumpfenband

der schönen Jungser Braut!

Aus, auf ihr Leut, 's ist höchfte Ieit,
ihr solltet euch wohl eilen.

Bedenkt, dem Brautpaar macht nur Leid
das Zögern und Verweilen.

Gafft mir die Braut nicht länger an,
sie nestelt an den Spangen;
verlegen schaut der junge Mann:

Wärt ihr nur schon gegangen,
und tanztet um das Strumpsenband
der schönen Jungfer Braut!

Der Pastor ging. Der Fiedler sang
und sprang zuvor dem Reigen
und holte hinter den Bänken hervor
die Gäste mit seiner Geigen.

Er fiedelte sie in die Tenne hinein,
dort tanzten beim Laternenschein
die älteften Mütter und Greise.

Die Jugend brannte lichterloh,
die bunten Röcke slogen nur so,
und die Scheune erzitterte leise.

Sprach die Brautinutter zu dem Fiedlerfried:
Du jagst sie hungrig. Spiel nicht zu sehr,
zu stürmisch nicht und nicht zu lang.

Sing lieber jetzt ein stilles Lied,
meine Kammern und Kisten sind leer.

Aus einer dunklen Ecke klang
das dritte und das schönfte Lied.

O heiliger St. Florian,

ein Feuer glomm schon lang heran,

hell leuchtet eS!

Iwei Lichtlein haben sich vereint,
daß eine einzge Flamme scheint,
verlösch sie nicht!

Sie ist gebannt und eingeweiht,
und, die sie hüten, sind gefeit
vor Unfried und vor Leid!

Sie stahlen sich aus unserm Kreis
und glühen still für sich und heiß,
so ist ihnen wohl!

Ein Fünklein zünd auf ihrem Herd,
zur neuen Heimat eingekehrt
sind Mann und Frau!

O heiliger St. Florian,
halte das Feuer wohl im Bann
und nimm dich ihrer an!

Indessen suhr ein Wagen sacht
hinaus, hinaus in die ftille Nacht,
da tausend Sterne ftanden. A. Ostermann.

us Rapunzel von Ludwig Finckh.*

Aus der Schwäbischen Alb, mitten auf dem
grauweißen Kalkfelsen, liegt das Dorf Holzelffngen.
Dort möchte ich geboren sein wie Konrad Vogelmift,
dessen Mutter sagte, sie wolle lieber nicht in den Him-
mel kommen als irgendwo anders auf der Erdc leben
denn in Holzelfingen. Und da hatte sie recht.

Es gibt nirgends ein versteckteres Wiesental um
einen alten Bach, in dem sich die Kinder so tummeln
und baden können. Das Tal liegt unter dem Felsen,
auf dem daö Dorf mit dem Kirchlein aufsteigt, und es
hängt wie ein Zwerchsack voll Blumen auf dem Buckel
eines alten ManneS, der zwei gute, blaue Augen hat; mit
denen schaut er vor sich hinunter in ein weiteres, viel
tiefereö und längeres Tal, das recht wie das andre halbe
Säcklein voll Apfel ihm über die Brust herunterhängt;
aber daö Tal in seincm Buckel hat er gerade so lieb,
weil es so versteckt und sonnig und so voll Kinder ist.

Das vordere Tal ist eines sür alte, ausgewachsene
Leute mit Bärten an Backen und Kinn, es hat Berge
zu beiden Seiten, und am äußersten Ende fteigt ein
schlanker, lieblicher Bergkegel aus der Nebelbläue, die
Achalm. Es hat auch seine Geschichte wie sichö gehört,
und prahlt damit, ein Meeresarm und Gott weiß was
gewesen zu sein; große Mammutelefanten und Eidechsen
auö der Ieit, wo es beinahe noch gar keine gab, hat
man aus seinem Kalk gegraben; es ist nimmer viel
übriggeblieben von der Herrlichkeit als ein bescheidenest
Sturzbächlein, die Echatz, und hüben und trüben steile,
ernste, schweigsame Felsen, die Traiselberge; die sind
nimmer aufgelegt zum Schwatzen und behalten ihre
Weisheit sür sich.

Aber das hintere Tal, das Buckeltal, ist eines für
Kinder, und niemand darf herein, der es nicht ist.
Dieses Tal ist voll von Schwirren und Bienensummen;
aber es ist noch niemals vorgekommen, daß eine Biene
ein Kind stach, weil sie Besseres zu tun haben als
nutzlos zu fterben; sie sind unermüdlich am Werk, sich
gelbe Stiefcl und rote Hosen anzuziehen, biö oben gefüllt
mit Blütenstaub, und wie Husaren mit heimzufliegen
hinter Konrads Haus. Dieses Tal hat keinen großen
Wechsel an Farben alö Grüu von den sastigen Gräsern
und Dottergelb von den Schlüsselblumcn und Schmalz-
kacheln und Violett von den vielen Veilchen; auch Weiß
kommt dazu von den tausend Sternen im Grase und
im Wiuter von dem Schnee. Es ist eigentlich unbe-
greiflich, wie einem ein solch ärmliches Tal so ans Herz
wachsen kann, wie es Konrads Mutter geschah. Es ist

'' Deutsche Berlags-Anstalt, Stuttgart.
 
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